Frauen und Schönheit: Es ist kompliziert (und scheiße)
Ich war dreizehn, als ich meine ersten Schwangerschaftsstreifen bekam. Eines schönen Sommertages stand ich auf dem Balkon, meine Mutter betrachtete mich von der Seite und sagte: “Sag mal, sind das Schwangerschaftsstreifen? Du bist doch erst dreizehn!”
Etwas später, Sportunterricht, ich trug Hotpants: Einige Mädchen saßen nach den Übungen auf dem Sportplatz im Gras und plötzlich zeigte eine direkt zwischen meine Beine und sagte: “Iih, man sieht ja deine Schamhaare!” Bis zu dem Zeitpunkt hatte ich noch nie über meine Körperbehaarung nachgedacht und mich auch nicht rasiert – nirgendwo.
(Natürlich war es ungünstig, dass meine Mutter mich auf etwas aufmerksam machte, das mir selbst vorher noch gar nicht aufgefallen war. Aber generell hat meine Mutter meinen Körper nicht ständig kommentiert, das ist mir wichtig zu betonen.)
Mit diese beiden Äußerungen begann dennoch der Weg meiner kritischen Selbstwahrnehmung.
Die kritische Selbstwahrnehmung
Gewicht war für mich weniger ein Thema; ich war lange ein ziemlicher Spargel, meine weiblichen Rundungen waren anfangs sehr schüchtern, so dass ich – auch dank meiner kurzen Haare – bis deutlich in meine Pubertät hinein immer wieder für einen Jungen gehalten wurde. Später vermuteten Mitschülerinnen, ich sei magersüchtig, und bis Mitte 30 wurde ich immer wieder von Ärztinnen als untergewichtig gescholten. Bei ausgewachsenen 1,73m wog ich selten mehr als 58 Kilo. Ich war nie essgestört, lediglich ein schlechter Futterverwerter. Was ich aß, sauste grußlos durch meinen Körper und war selten länger als 24 Stunden an meinem Gewicht erkennbar. Unnötig zu erwähnen, dass ungefähr alle Frauen in meinem Umfeld neidisch darauf waren, dass ich essen konnte, was ich wollte, ohne zuzunehmen.
Aber nur weil ich dünn war, heißt das nicht, dass ich nicht zig Dinge an mir fand, die ich nicht mochte. Mit den Schwangerschaftsstreifen fing es an, ging über Cellulite und einer problematischen Neurodermitikerhaut bis hin zu tiefen Rillen auf meinen abgekauten Fingernägeln und besagter Körperbehaarung. Nicht alles konnte man auf den ersten Blick sehen – die Pubertätsakne etwa ließ mein Gesicht zwar einigermaßen unbehelligt, blühte dafür aber auf meinem Rücken und Dekolletee. Die Narben trage ich bis heute. Mein eher übersichtlicher Busen war außerdem die Schattenseite meiner “Zierlichkeit”.
Bei jedem Blick in den Spiegel blieben meine Augen immer wieder an meinen Schandmalen hängen. Bei jedem Blick auf einen makellosen Modelkörper in einer Zeitschrift verglich ich. Sind meine Brüste größer oder kleiner? Wie stark ist meine Cellulite? Wie sehen ihre Fingernägel aus? Der kritische Blick machte mich zwar nicht psychisch krank, wie es unzähligen anderen jungen Mädchen passiert, aber sie waren ein ständiges Ärgernis. Mein eigentlich gutes Körpergefühl wurde immer wieder von einem “Wenn doch nur dieser oder jener Makel nicht wäre” gestört.
Konsum als Heilsversprechen
Nachdem ich den Weg beschritten hatte, tat ich das, was fast alle Frauen und Mädchen an dem Punkt tun: Ich ließ mir von Medien und Werbung einreden, dass bestimmte Produkte mir helfen können. Ich kaufte mir Cellulite-Roller, Enthaarungsprodukte, Hautcremes, Rillenfüller und andere “Pflegeprodukte” für meine Nägel in dem tiefen Vertrauen, dass Werbung und Frauenzeitschriften doch nicht über die Wirkung eines Produktes lügen würden.
Frauen wird damals wie heute eingeredet, dass Konsum ihre optischen Unzulänglichkeiten beseitigen kann. Damals hat man uns Cellulite-Roller eingeredet, heute sind es Powerdrinks mit Chinoa, Spa-Wochenenden und nutzloser Kosmetik- und Esoterikquatsch, die uns den tollen Glow versprechen. Die große Frauenverarsche funktioniert heute genauso wie damals, auch wenn sich die Art der Produkte leicht gewandelt hat. Multiplikatoren wie Gwyneth Paltrow oder Alicia Keys, die jahrelang einen natürlichen Look propagiert haben (Keys trat jahrelang nur ohne Make-up auf), vertreiben heute nutzlose Produkte und beteiligen sich damit an Schönheits- und Selbstoptimierungsdruck auf Frauen. Der patriarchale Schönheitsbullshit ist tot, es lebe der feministische Schönheitsbullshit.
Zahlen dazu sind erstaunlich schwer zu finden. Es gibt zwar reichlich Statistiken über die Ausgaben von Frauen für Kosmetik und Körperpflege. Da bei der Körperpflege aber nicht zwischen Beautyprodukten und alltäglichen Hygienemitteln wie Shampoo unterschieden wird, nützen die Statistiken nichts. Shampoo zu benutzen, ist nach meinem Empfinden doch etwas sehr anderes als besagte Cellulite-Roller, Nagelpflege oder Enthaarungsprodukte. Unter Kosmetik werden hingegen oft nur Make-up-Produkte zusammengefasst, die ich nie übermäßig gekauft oder benutzt habe.
Erkenntnis-Dämmerung
Natürlich merkte ich schnell, dass die Produkte überhaupt nicht wirkten. Die Riefen in meinen Nägeln wurden trotz aller Pflege nicht weniger, sondern mit fortschreitendem Alter sogar immer tiefer, kein Cellulite-Roller jemals hat bewirkt, dass meine Oberschenkel nicht nur dünn, sondern straff wurden. Es ging damals (wir sprechen von den späten 80ern und frühen 90ern) die Mär, dass Körperhaar, wenn man es regelmäßig entfernt, spärlicher und heller wieder nachwächst. Aber auch nach jahrelangem Rasieren und Epilieren wuchsen meine Haare stets in alter Stärke nach. Und mehr noch: Wegen meiner problematischen Haut wuchsen Haare nicht einfach so nach, sondern viel öfter ein, so dass ich regelmäßig Pickel, Abszesse und in der Folge Narben bekam.
Mir dämmerte, dass der weibliche Makel, der mir vermittelt wurde, kein lösbares Problem ist. Dass man nicht XY tun oder kaufen kann, und dann ist das Problem an der Ursache beseitigt. Der Kampf mit meinem Körper, in den ich mit 13, 14 Jahren ohne eigenes Zutun geworfen wurde, würde niemals aufhören. Jeden Tag, jede Woche, jeden Monat muss die Selbstsanierung wiederholt werden. Der Vergleich mit Sisyphos, der den gleichen Stein tagsein tagaus immer wieder den gleichen Scheißberg hochrollen muss, springt einem hier natürlich mit dem nackten Arsch in die Fresse, wenn ich das mal so blumig formulieren darf. Im Grunde muss eine Frau in einen Krieg ziehen, den sie niemals gewinnen kann. Ein Problem lösen, das unlösbar ist.
Das böse V-Wort
Denn auch das wurde mir irgendwann klar: Viel öfter als eigene Versäumnisse ist die Veranlagung verantwortlich für die Ausprägung gewisser kosmetischer Zumutungen. Natürlich spielen Ernährung, Sport und eine gewisse Selbstfürsorge eine Rolle bei der eigenen optischen Beschaffenheit.
Aber ob jemand bereits mit 13 und trotz eher androgyner Figur Schwangerschaftsstreifen entwickelt, ist eine Frage der Veranlagung. Ob jemand Cellulite bekommt, hängt mit der Beschaffenheit des Bindegewebes zusammen. Körperbehaarung ist Genetik. Dicke, Farbe und Anzahl meiner Körperhaare sind hart in meiner DNA kodiert. Ein Blick in die mütterliche Vererbungslinie zeigt eine Häufung von Neurodermitis und Allergien, ich trage die Gene für problematische Haut in mir. Danke für nichts, Gregor Mendel.
Ich versuchte, nachdem ich hunderte von Geld (wechselnde Währungen) für Nagelpflege ausgegeben hatte, erstmals, herauszufinden, warum meine Fingernägel die reinsten Buckelpisten waren. Ergebnis: Nichts Genaues weiß man nicht. Die Medizin kennt die genaue Ursache nicht. Und wenn man die Ursache nicht kennt, konnten auch alle Nagelpflegeprodukte nur Schmu sein.
Das war der Punkt, an dem ich mich entschieden habe, bei diesem Krieg nicht mitzumachen. Mir war klar, dass er einen Gutteil Zeit und Energie fressen würde. Zeit und Energie, die ich in weit angenehmere Dinge stecken kann. Es war natürlich nicht wirklich ein “Moment” im Sinne eines singulären, zeitlich begrenzten Ereignisses, sondern vielmehr ein jahrelanger Prozess, in dem die Selbstablehnung langsam abnahm und die Entscheidung, da nicht mitzumachen, ebenso langsam reifte.
Der lange Weg zur Selbstakzeptanz
Ich habe bis heute nicht geschafft, alles an meinem Körper zu akzeptieren. Bis heute gibt es Dinge an mir, die ich so sehr ablehne, die mich so unsicher machen, dass ich sie auch in diesem Artikel nicht erwähne.
Aber bei vielen Dingen bin ich zumindest nach einer Aufwandseinschätzung zu dem Schluss gekommen, dass sich der Kampf – will sagen: der Selbsthass – nicht lohnt, weil er niemals zu etwas führen kann.
Schwangerschaftsstreifen etwa sind Narben im Gewebe und bei Narben machste nichts. Oh, ich bin sicher, dass es irgendwelche teuren chirurgischen Lasermethoden gibt, den Makel zu beseitigen, aber mit Bordmitteln machste eben nichts. Ich sehe die Streifen heute nicht mehr. Meine Fingernägel sind eben meine bucklige Verwandtschaft und daran ändert auch der teuerste Ridgefiller nichts. Da ich meine Nägel ohnehin 99,9% der Zeit lackiert trage, fällt es nach der 2. Lackschicht nicht auf, so what. Cellulite? Haben fast alle Frauen und erst recht solche, die wie ich nie nennenswerten Sport betrieben haben. Und jetzt noch damit anfangen? Ach nein, das dann doch nicht.
An diesen Dingen bleibt mein Blick heute nicht mehr im Spiegel hängen.
Bei der Körperbehaarung habe ich mich der gesellschaftlichen Ablehnung weiblicher Körperhaare unterworfen. Ich rasiere meine diversen Körperstellen zwar nicht so akribisch und regelmäßig wie andere Frauen, aber ich tue es. Ich lebe allein, kein Mann sieht meinen Körper regelmäßig nackt und was soll ich sagen: Wenn es nur nach meinem eigenen Wohlbefinden geht, ertrage ich weit mehr Haare als wenn mein Körper öffentlicher Begutachtung ausgesetzt ist.
Die zwiespältige Rolle von Social Media
Wenn man dem Feuilleton glauben darf, geht die Hochkultur ja eh mit Instagram unter, mit Beautyfiltern, mit mehr Schein als Sein.
Aber speziell Instagram ist mehr als das. Dort formiert sich auch eine sex- und körperpositive Community, in der junge Mädchen und Frauen Vorbilder finden. Ich hätte mir gewünscht, ich hätte mit 14 eine Plattform gekannt, auf der Frauen ohne Scheu und Scham ihre Körperhaare zeigen, auf der sie abgekaute Fingernägel nicht wie ich schamhaft verstecken, sondern selbstbewusst bunt lackieren, auf der sie ihre Akne zeigen und ihre Schwangerschaftsstreifen.
Zugegeben: Diese Community ist im Vergleich mit der Anzahl Beautyinfluencerinnen klein, aber es gibt sie. Und ich besuche sie heute regelmäßig: manchmal bewundernd, manchmal neidisch, aber immer mit dem Gefühl, dass diese selbstbewussten Frauen etwas leben, das ich auch gern gelebt hätte. Kompletten Frieden mit meinem Aussehen.
Meine eigene Schönheitsgeschichte hat natürlich einen privilegierten Hintergrund. Als weiße, heterosexuelle und vor allem schlanke Frau habe ich nur einen Bruchteil von dem Bodyshaming aushalten müssen, mit dem andere Mädchen und Frauen aufwachsen.
Der Artikel soll eher zeigen, wie groß der Druck ist, wenn selbst eine privilegierte Frau in Selbstzweifel kippt.
Eigentlich habe ich jetzt nach vielen Jahren ein Maß an Selbstakzeptanz erreicht, das ein genussvolles Leben erlaubt. Aber man hat ja als Frau nie Ruhe, weshalb es eben jetzt Falten, Schwerkraft und schlaffer werdende Konturen sind, die meinen Ärger wecken.
Ich: Ich bin 48, kann nicht irgendwann mal Ruhe sein?
Gesellschaftsdruck: Lol, Du bist alt, was denkst du denn? Und jetzt kauf diese Klebstreifen gegen Schlupflider und diese festigenden Cremes, damit man dich wieder ansehen kann, ohne Augenkrebs zu bekommen. Macht 738 Euro.
Großartig!
Es kann gar nicht genug solcher “Wutreden” gegen den gesellschaftlichen Druck auf Frauen geben, dem von Medien und Werbung vermittelten (und größtenteils gefakten) Schönheitsideal zu entsprechen und mithilfe von Konsum gegen die jeweiligen “weiblichen Makel” ankämpfen zu müssen.
Wie gefährlich dieser Schönheitsbullshit werden kann, habe ich bei meiner Tochter erlebt.
Aus dem ziemlich dünnen Kind wurde während der Pubertät eine junge Frau mit Rundungen, auch an Stellen, an denen es ihr absolut nicht gefiel. Trotz meiner Versicherungen, dass die von ihr beklagte “Pummeligkeit” in diesem Alter völlig normal sei – und zudem auch bei fast allen ihren Freundinnen zu beobachten -, litt sie so sehr darunter, dass sie sich heimlich im Internet hierzulande nicht zugelassene “Schlankheitspillen” chinesischer Herstellung besorgte.
Als ich von einer einwöchigen Reise zurückkehrte, hatte sie 15 (!) Kilo abgenommen. Meine misstrauische Fragen nach dem Grund beantwortete damit, sie habe sich einer “Fastenkur” unterzogen. ich blieb misstrauisch; 15 Kilo Gewichtsabnahme in so kurzer Zeit erschien mir auch mithilfe von Fasten kaum möglich. Doch erst, als die Tochter in der Folge immer öfter Magenschmerzen hatte und plötzlich manche Lebensmittel nicht mehr vertrug, rückte sie mit der Wahrheit heraus. Ich war entsetzt, besonders, nachdem ich mich über die in solchen Tabletten enthaltenen illegalen Substanzen und deren mögliche – gesundheitsschädliche, teil lebensgefährliche – “Nebenwirkungen” informiert hatte.
Glücklicherweise hat meine Tochter keine langfristigen Schäden davon getragen. Aber es hat buchstäblich Jahre gedauert, bis sich ihr Körper ganz von dieser chemischen Keule erholt hatte. Sie hat daraus gelernt, behält ihre schlanke Figur heute mithilfe von gesunder Ernährung und Yoga – und teilt mein Misstrauen gegenüber allen von Werbung und Medien (oder per “Mundpropaganda”) gepriesenen Nahrungsergänzungsmittelchen und Appetitzüglern.
Ich selbst bin in jungen Jahren – wahrscheinlich dank der kunterbunten Gen-Mixtur, die mir Vorfahr*innen aus allen möglichen Teilen der Welt vererbt haben – lange vom Schönheitsbullshit verschont geblieben. Auch ich war schlank und wurde darum beneidet, dass ich essen konnte, soviel ich wollte, ohne zuzunehmen (obwohl Spaziergänge, Tanzen und – ab dem 16. Lebenjahr – Sex meine einzigen “sportlichen” Aktivitäten waren). Die Brüste waren klein, was aber weder mich noch die Männer, die ich an sie heranließ, störte, und Körperbehaarung wuchs an mir erst spät und nur sehr spärlich. (Rasierte Achselhöhlen waren in den 70er Jahren für meine Freundinnen und mich ohnehin eine Absonderlichkeit, die wir nur aus französischen und amerikanischen Filmen kannten.) Ich fand mich zwar nicht so wunderschön wie manche Schauspielerin, war aber mit dem, womit Mutter Natur bzw. meine Ahnen mich ausgestattet hatte, völlig zufrieden.
Mit Mitte Dreißig, nach drei Geburten und einer abschließenden Sterilisation (mein Körper hatte sich als außergewöhnlich fruchtbar erwiesen) brach diese Zufriedenheit mit dem eigenen Körper jedoch innerhalb relatib kurzer Zeit zusammen.
Ich fing nämlich an, zuzunehmen.
Meiner in jungen Jahren ebenfalls schlanken Mutter war einst das Gleiche wiederfahren, deshalb lag der Gedanke nahe, dass eine Art “genetische Uhr” den Metabolismus in diesem Alter auf das Anlegen von mehr Fettreserven umschaltet. Heute glaube ich aber, dass es auch damit zu tun hatte, dass ich in meiner damaligen Beziehung langsam “emotional verhungerte” und das durch sogenanntes “Binge Eating” zu kompensieren versuchte. Zunächst versuchte ich die Gewichtszunahme zu ignorieren, aber als der Mann an meiner Seite irgendwann bemerkte “dein Hintern ist aber mächtig in die Breite gegangen”, war ich zum allerersten Mal – und gleich sehr schmerzhaft – mit Bodyshaming konfrontiert.
Der Rest ist schnell erzählt: Ich probierte alle möglichen Diäten und Ernährungsumstellungen (Low Carb, Trennkost, Tralala…) aus und lernte den Jojo-Effekt am eigenen Leibe kennen.
Mit 60 Jahren wog ich (1,68) fast 100 Kilo. Da waren mir meine Wirkung auf Männer und das ganze Dicken-Bodyshaming bereits piepegal; ich war nur noch um meine Gesundheit besorgt.
Zwei Jahre später wagte ich dann endlich einen Neustart. Es war Stress, aber von der positiven Sorte: Ich zog um und gab drei meiner vier Jobs auf. In diesem Jahr verlor ich – ohne überhaupt darauf zu achten, was und wieviel ich aß, dafür hatte ich gar keine Zeit – 10 Kilo. Mittlerweile bin ich 20 Kilo leichter, und das bestätigt meine Vermutung, dass (zumindest in meinem Fall!) das Gewicht mit der persönlichen Zufriedenheit zusammenhängt.
Der hagere. offenbar sehr sportliche Arzt, bei dem ich mich kürzlich durchchecken lassen musste, fand mich zwar immer noch “leicht adipös” – es war mir herzlich egal.
Mittlerweile hängt auch nicht nur die Haut an meinem Bauch schlaff herunter, der früher voluminöser war und von Schwangerschaftsstreifen durchzogen ist, sondern auch die Haut an diversen anderen Stellen. Auch das kann meiner Selbstakzeptanz nichts mehr anhaben.
Heute kann ich meinen Körper ohne wenn und aber lieben; ich bin dankbar dafür, dass er mich schon so lange durch alle Höhen und Tiefen des Lebens trägt.
Das wünsche ich auch allen anderen Frauen!
Das Ding ist, dass die meisten Männer diese vermeintlichen Makel wahrscheinlich gar nicht bemerken oder sie als Makel sehen. Keiner meiner Partner hat sich je über meinen Körper beschwert, sondern im Gegenteil sehr viel Freude daran gehabt und diese auch mitgeteilt.
Obwohl ich relativ früh in meinem Erwachsenenleben “Der Mythos Schönheit” von Naomi Wolf mit ordentlich Entrüstung gelesen habe und auch sonst keinen Beauty-Trends folge, hatte auch ich bis vor kurzem (bin Mitte 40) noch nicht ganz Frieden mit meinem Körper geschlossen. Erst als ich von einem Liebhaber mit Komplimenten für mein Äußeres überschüttet wurde (und ich bin wahrlich kein Model-Typ), habe ich mich mal mit seinen Augen betrachtet und mir selbst auch sagen können: “Ja, ich mag alles an mir, weil es MEIN Körper ist.”
Das sehe ich fast alles genau so. Aber den Satz „natürlich spielen Ernährung, Sport und eine gewisse Selbstfürsorge eine Rolle bei der optischen Beschaffenheit“ finde ich hochproblematisch, speziell von einer von Natur aus schlanken Person. Haben Sie nicht das Buch „How emotions are made“ von Lisa Feldmann Barrett empfohlen, in einem anderen Zusammenhang? Falls Sie das nicht waren, möchte ich es Ihnen empfehlen, hochspannend gerade für Sie als Biologin. Verkürzt und unter anderem wird darin erläutert, dass das Body-Budgeting im Gehirn für alle Dinge, die wir tun, erleben oder fühlen grundlegend ist. Wenn nun das Bodybudgeting ständig durcheinander gebracht wird, weil jede negative Emotion eines Babies von der Mutter als Hunger interpretiert wird, oder weil ein Kind von der Mutter das Abendbrot gestrichen bekommt, weil es nicht dem Körperideal der Mutter entspricht, oder ein Teenager den Schlankheitswahn der Gesellschaft übernimmt, entstehen bleibende Schäden. Und dann kann man mit aller Selbstfürsorge nicht dagegen ankommen, und die eigene Ernährung ist – ebensowenig wie die eigenen Gefühle – nicht dem freien Willen unterworfen. Deshalb ist Übergewicht ab einem bestimmten Status als Krankheit anerkannt. Das mal eben mit „selbst für seine optische Beschaffenheit verantwortlich“ zu beschreiben, ist für mich schwierig, denn alles, was Sie beschreiben zu Ihrer Haut und Ihren Haaren habe ich auch durch, nur eben mit meiner Figur. Diätprodukte, Miederwaren, Nahrungsergänzungsmittel und Therapie inklusive. Und die Abwertung, die man erfährt… zu mir hat mal eine Kollegin gesagt: „Na ja, wenn Sie intelligent und informiert wären, wären Sie ja nicht dick.“ Und da war ich 30 Kilo leichter als jetzt. Deshalb finde ich auch Selbstbeschreibungen von dünnen Frauen wie „ich bin halt das Modell Walross“ wenn sie mal 3 Kilo zugenommen haben (DREI.KILO.KREISCH!) nicht so richtig prickelnd, ich frag mich immer, was ich dazu sagen soll…
Nun finde ich alles in allem, dass wir alle nicht zu empfindlich sein sollten, Sie können ja nichts für mein verkorkstes Bodybudgeting, genausowenig wie ich für Ihre Haare, ich wollte aber doch Ihre Aufmerksamkeit darauf lenken, dass auch die Körperform nur bedingt und nicht ungestraft veränderbar ist.
Fröhliche Grüße
“Na ja, wenn Sie intelligent und informiert wären, wären Sie ja nicht dick.”
Diese Kollegin hat mit dieser Aussage nicht nur bewiesen, dass es ihr selbst an Intelligenz und Information mangelt, sondern auch, wie sehr einige Frauen den patriarchalen Schönheitsbullshit verinnerlicht haben. Sie können grausamer sein als Männer, wenn sie versuchen, die eigene Selbstakzeptanz zu verbessern, indem sie andere Frauen runtermachen.
Es ist bestimmt nicht leicht, das mit einem “dass du so unzufrieden und gehässig bist, ist dein Problem, nicht meines” an sich abperlen zu lassen…
In diesem Zusammenhang finde ich auch den Hinweis auf den negativen Einfluss mancher Mütter auf das Bodybudgeting ihrer Töchter wichtig. Ich habe Mütter kennengelernt, bei denen ich mich gefragt habe, ob ihr Verhalten eine Variante des berüchtigten Münchhausen-Stellvertreter-Syndroms sein könnte. Bei einer stand immer mit Süßigkeiten gefüllte Schale frei zugänglich herum und der Tochter wurde zu jedem Essen eine Dessert-Kalorienbombe serviert – während die Mutter sich bei ihren Bekannten (und auch bei dem Kind, wenn es sich beim Abendbrot eine dritte Scheibe Brot nehmen wollte) beklagte, dass die Tochter so “undiszipliniert” und deshalb “zu dick” sei.
Oder ob manche Mütter eifersüchtig auf die eigenen Töchter sind?
In der Klasse meiner Tochter gab es eine Mitschülerin, die wegen ihres Übergewichts oft gemobbt wurde. Sie war hochintelligent und hatte eine enge Beziehung zu ihrem Vater (Ingenieur), der die Gespräche mit seiner klugen Tochter wohl sehr zu schätzen wusste – eine typische “Vatertochter”, wie auch ich es einst war.
Als meine Tochter – die sich, das macht mich stolz, nicht am Mobbing ihrer Mitschüler*innen beteiligte – mal bei dieser Mitschülerin eingeladen war, erzählte sie abends empört, dass das Mädchen von ihrer Mutter regelrecht “gemästet” würde. Die ausgesprochen dünne Frau habe beim gemeinsamen Mittagessen selbst nur wie ein Spatz gegessen, ihre Tochter – und auch meine – jedoch in weinerlichem Ton (“Ich habe mir beim Kochen doch soviel Mühe gegeben!”) gedrängt, sich noch eine zweite und sogar dritte Portion auffüllen zu lassen.
Meine Tochter weigerte sich; sie wäre bereits satt. Daraufhin sei die Stimmung merklich abgekühlt und die Mutter sei während des restlichen Tages ziemlich unfreundlich gewesen… Sie fand dieses Erlebnis so verstörend, dass sie sich nicht mehr von der Mitschülerin einladen ließ, und weil das Mädchen sich offenbar nicht traute, unsere Familie zu besuchen – vielleicht wurde es ihr auch nicht erlaubt – schlief die gerade erst aufkeimende Freundschaft zwischen den beiden bald wieder ein.
Eine traurige Geschichte. Ich hoffe, dass es diesem Mädchen gelungen ist, die Manipulationen ihrer Mutter zu durchschauen und sich von deren Einfluss zu befreien.
Mütter scheinen einen mega Einfluss auf das Schönheitsempfinden der eigenen Töchter zu haben, wie ich aus meinem eigenen Bekanntenkreis zurückmelden kann. Das kann subtil oder offen geschehen, wie Ihre und Frau Meikes Texte zeigen. Sie schreiben von “Eifersucht”. Ja, möglich. Oder “Sorge”? (Wird sie einen Mann finden und Nachwuchs bekommen?) Ich denke häufig an “Neid”. Neid auf die Jugend der Tochter, auf das Begehrtwerden, auf die sexuellen Möglichkeiten, auf die Aufmerksamkeit der (jungen) Männer. Aber eigentlich bin ich dafür nicht Fachmann. Ist ja eher was für BiologInnen oder PsychologInnen. Meine ca. 40jährige Bekannte (zweifache verheiratete Mutter) erzählte, dass selbst heute noch ihre über 60jährige Mutter bei einem (der seltenen) Wiedersehen zuerst Bemerkungen und Fragen zum Aussehen macht: “Wie siehst DU denn schon wieder aus?!” Während der Kindheit und Jugend waren diese Bemerkungen schlimm. Es ist zu einem Trauma geworden. Oder ist es Angst, nie wieder begehrt zu werden, nie wieder “geliebt” zu werden? Keine Ahnung.
Als ich mein (nicht schönes) Gesicht heute im Rückspiegel angeschaut habe, ist mir meine schöne Haut ins Auge gesprungen: seitdem ich vor 18 Monaten den Alkohol verabschiedet habe, wird meine Haut immer schöner und meine damals etwas aufgedunsenen Wangen werden richtig schlank und wohlgeformt. Die Augenringe überdeckt jetzt einfach mal die neue Bräune durch die portugiesische Sonne. Ich schaue mich wieder mit mehr Wohlwollen im Spiegel an. Lächle sogar manchmal. Intimbehaarung bleibt. Interessiert sowieso niemanden.