Generalisierte Angststörung und Angehörige

Ich habe lange nicht mehr über psychische Erkrankungen geschrieben, weil es mir selbst über Monate so gut ging, dass dazu keine Veranlassung bestand. Doch im Moment kämpfe ich mit einem leichten Depressionsrückfall, in dem ein Telefonat mit meiner Mutter besonders heraussticht. Psychisch kranke Familienmitglieder bedeuten immer auch ein Gesundheitsrisiko für gesunde Angehörige. Überall liest man, dass man sich als Angehöriger gegen die Krankheit der anderen Person abgrenzen soll, und das halte ich für wichtig und richtig. In meinem Fall bedeutet diese Abgrenzung gerade, dass ich meine Mutter komplett allein lasse.

Kurz nachdem mein Vater Ende 2009 an Lungenkrebs starb, wurde auch bei meiner Mutter Krebs festgestellt, und sie musste durch das ganze Procedere von OP, Chemo und Reha. In dieser Zeit eskalierte ihr ängstliches Naturell und ist seitdem nie wieder zur Ruhe gekommen. Sie hat seit 11 Jahren eine extreme Generalisierte Angststörung (GAS), neigt stark zu Vermeidungsverhalten und zu Verantwortungsabgabe. In den letzten Jahren habe ich ihr alles abgenommen, was sie stresst, v.a. Besuche, weil Zugfahren ihr extremen Stress bereitet, und ich habe die Verantwortung angenommen, ihre Symptome zu lindern, bzw. sie zu heilen. Denn ich habe durch den Tod meines Vaters nicht nur ihn, sondern auch meine Mutter verloren. An ihre Stelle ist eine einzige große, alle Freude und Leichtigkeit erdrückende Angststörung getreten. Ich bin die Tochter einer GAS. Meine Mutter ist die GAS meiner Mutter.

Generalisierte Angststörung?

Ich habe gerade nicht die Kraft, hier einen formvollendeten Abriss über Angststörungen im Allgemeinen und die Generalisierte Angststörung im Besonderen zu schreiben, daher nur die einfachen Grundlagen, die natürlich durch meine eigenen Beobachtungen beeinflusst sind. Die GAS ist eine Art unspezifische Angststörung, die sich anders als spezifische AS oder Phobien nicht auf spezielle Auslöser richtet, sondern ihr Ziel in schneller Folge wechseln kann. Für mich als Angehörige stellte es sich so dar, dass die Angst meiner Mutter wie eine Art Suchscheinwerfer ist, der ungezielt das eigene Leben auf mögliche Bedrohungen abscannt. Gerät etwas in seinen Lichtkegel, wächst es zu monströsen Ausmaßen und beschäftigt die erkrankte Person oft so lange, bis es sich auflöst. Dann beginnt der Scheinwerfer wieder zu kreisen, bis er das nächste findet. Das Leben von GAS-erkrankten Menschen ähnelt einem Spießrutenlauf, ihre Ängste treiben sie in einem wilden Zickzack-Kurs vor sich her. Bestimmte Themen treten dabei zwar häufiger auf, etwa Zukunftsängste oder auch Angst um die eigene Gesundheit oder die von Familienangehörigen, aber bei einer GAS kann im Grunde alles zum Trigger werden. Und zwar von jetzt auf gleich.

Neben den relativ unspezifischen Symptomen, die auch andere psychische Erkrankungen begleiten, wie Schlafstörungen, Übelkeit, Verdauungsprobleme, Appetitlosigkeit und Rücken- oder Kopfschmerzen, geht eine GAS oft mit einem massiven Grübelzwang einher. Der jeweilige Angstauslöser beschäftigt die Person Tag und Nacht, zehrend und sehr zerstörerisch. Erkrankte Personen denken nicht rational und konstruktiv über Lösungen nach, sondern wälzen immer und immer wieder die gleichen Ängste. Nach meiner Erfahrung sind Angststörungen generell und die GAS vielleicht noch etwas mehr praktisch nicht verstandesmäßig adressierbar. Es ist eine geduckte Befürchtungshaltung, ein “Es wird etwas Schlimmes passieren”, das zum reinen Selbstzweck wird.

Einige Stressoren meiner Mutter:
– mögliche Nebenwirkungen von Medikamenten, die helfen sollen
– Angst, jemand könnte sie dafür verurteilen, dass meine demente Omi kurz vor ihrem Tod nicht mehr jeden Tag wie aus dem Ei gepellt aussah
– die finanzielle Situation meines Bruders und mir
– mögliche eigene körperliche Erkrankungen
– gleichzeitig Angst vor medizinischen Untersuchungen, die Gewissheit bringen könnten
– bevorstehende Fahrten/Reisen an unvertraute Orte (egal ob mit S-Bahn innerhalb ihres Wohnorts oder mit dem Zug in eine andere Stadt)
– extremer Stress, wenn sie sich ein paar Freundinnen zum Kaffee einlädt

Die GAS ist nicht leicht zu erkennen, selbst für therapeutisches Personal nicht. Vor allem dann nicht, wenn ihre Symptome zeitlich mit verschiedenen Schicksalsschlägen zusammenfallen, die sowohl die Diagnose Posttraumatische Belastungsstörung (PTBS) als auch Depression erlauben.  Ich selbst bin durch intensive Recherche nach dem Tod meiner Großmutter Ende 2015 darauf gekommen, dass bei meiner Mutter keine Depression mit Angstsymptomatik vorliegt, wie alle immer wieder behauptet haben, sondern eine GAS mit Depressionssymptomatik. Und obwohl ich meiner Mutter das Krankheitsbild kommuniziert und ihr aufgetragen habe, mit ihrer Therapeutin darüber zu sprechen, gab es weder Krankheitseinsicht bei ihr selbst, noch konnten die Therapeutinnen die Diagnose stellen. Erst seit circa 6 Monaten kamen zwei Therapeuten auf den Trichter und behandeln seitdem intensiv auf GAS.

Wie bei anderen Angsterkrankungen wird Vermeidungs-, Ausweich- und Absicherungsverhalten zu einem festen Begleiter erkrankter Personen. Wo eine Aktion die Angst lindern könnte, indem sie etwa dazu führt, dass die erkrankte Person merkt, dass das Schlimme gar nicht eintritt, wird genau diese Aktion vermieden. Außerdem sucht die Person immer wieder das Gespräch mit Personen, die ihre Ängste ernst nehmen und entkräften. Sie berichten also anderen von ihren Befürchtungen und hoffen, dass sie beruhigt werden.

Das Zutun der Anderen

Die letzten beiden Punkte sind für Angehörige besonders wichtig, weil hier eine wichtige Stellschraube liegt, die Angststörung nicht zu verschlimmern. Nimmt man erkrankten Personen zu viele Stressoren ab, hilft ihnen dabei, das Unangenehme zu vermeiden, bestärkt sie in ihrem Absicherungsverhalten oder lässt sich auf das Beruhigungsspiel ein, führt das in aller Regel dazu, dass sich die erkrankte Person kurzfristig zwar besser oder gar erleichtert fühlt, die Angststörung mittel- bis langfristig aber verfestigt wird. Das ist ein verfluchter Teufelskreis: einerseits wünscht man sich, dass es der erkrankten Person besser geht, und das kann man kurzfristig mit diesen Mitteln erreichen. Die Versuchung für Angehörige, diesen Weg zu gehen, ist daher extrem hoch. Aber langfristig wird der Stress, eine bestimmte Sache zu tun, immer größer, die Angststörung wird immer stärker. Meine Mutter etwa ist seit vielen Jahren in therapeutischer Behandlung (mit wechselnder Besetzung) und nimmt seit Jahren ein Antidepressivum – dennoch ist ihre AS nicht besser, sondern immer schlimmer geworden. Ich habe zwar über die Jahre immer auch versucht, ihr das Problem auf der Metaebene zu verdeutlichen, indem ich ihr immer wieder klarzumachen versuchte, dass sie psychisch krank ist, und ihre eigenen Befürchtungen als Krankheitssysmptom, nicht als reale Bedrohungslage sehen muss, aber letztlich lernen wir ja alle, die Menschen, die wir lieben, ernst zu nehmen, und so fand ich mich immer wieder in Situationen, in denen ich inhaltlich auf ihre Ängste einging.

Ich musste also erkennen, dass ich selbst zu einer Verfestigung der GAS beigetragen hatte. Und zwar jedesmal, wenn ich meine Mutter besuchte, anstatt von ihr zu verlangen, dass sie mich besucht. Jedesmal, wenn ich in endlos langen und unendlich kräftezehrenden Gesprächen versuchte, ihre Ängste zu entkräften und meine Mutter so zu beruhigen. Ich habe mich über Jahre weit über meine Grenzen hinaus an der GAS meiner Mutter abgearbeitet. So oft hatte ich die Hoffnung, dass ihre Angst aufhört, wenn ich sie zu dieser oder jener Untersuchung bewegen kann, wenn ich sie immer wieder beruhige, wenn meine Omi endlich stirbt. Und immer wieder wurde die Hoffnung enttäuscht, wenn der Suchscheinwerfer meiner Mutter sich mitunter nur Minuten (!) nachdem ein Problem sich auflöste, auf das nächste stürzte. Viele Male kam ich von Besuchen bei meiner Mutter zu meinem damaligen Mann nach Hause und weinte nur noch den restlichen Abend vor lauter Erschöpfung. All die Energie, die ich in den Jahren in diese Krankheit gesteckt hatte, war nicht nur vergebens, sondern hat es schlimmer gemacht. Das war ein extrem harter Schlag für mich.

Abgrenzung und die mental health bubble

Im September 2018 hatte ich einen Komplettzusammenbruch. Doch auch, wenn die Gründe und Auslöser dafür nicht unmittelbar etwas mit meiner Mutter zu tun hatten, musste ich feststellen, dass alles mit allem zusammenhing. Per Therapie wurde mir klar, dass auch ich angstgestört war. Und dass das für meinen Ex-Mann als mein Angehöriger genauso belastend war wie für mich als Angehörige meiner Mutter. Diesen Kreis musste ich durchbrechen, das hatte Priorität und hat meine ganze Energie gekostet. In dieser Zeit verweigerte ich den Kontakt zu meiner Mutter nahezu ganz. Ich musste mich dem Gewicht, das sie mir immer wieder in die Hände zu legen versuchte, komplett entziehen, um selber wieder gesund zu werden.

Mir war auch klar, dass ich den Teufelskreis der Angehörigen nie wieder betreten will, dass ich nie wieder durch mein eigenes Verhalten irgendetwas dazu beitragen will, dass die GAS meiner Mutter sich verfestigt. Also hörte ich auf, sie zu besuchen. Die Corona-Pandemie war diesbezüglich geradezu ein Geschenk, weil ich nicht viel erklären musste. Das Aufarbeiten meiner eigenen Krise, auf die das Ende meiner Ehe mit Scheidung, Umzug, Namensänderung folgte, kostete mich so viel Kraft, dass ich diese Baustelle nicht bearbeiten konnte. Im Januar 2020 hat sie mich für eine Nacht noch in der aten Wohnung besucht, ich sie nach einer besonders grimmigen Panikattacke im August 2021 für eine Stunde im Krankenhaus.

Ich habe meiner Mutter von dem verhängnisvollen Teufelskreis erzählt, habe ihr erzählt, dass jeder Besuch von mir bei ihr ihre Krankheit schlimmer macht, aber wie erwähnt ist das ständige Bedrohungsgefühl von GAS-Erkrankten für rationale Argumente nicht zugänglich. Und so fragt meine Mutter mich immer mal wieder, ob ich sie nicht besuchen mag. Und ich mag nicht. Ich erkläre ihr, warum ich nicht mag, sage ihr, wie krass anstrengend ihre Gegenwart für mich ist – vor allem im Moment, da ich selbst auch wieder mit einer leichten depressiven Verstimmung kämpfe. Ich kann sie nicht besuchen, weil ich weiß, dass das meinem Depressionsrückfall den Rest geben würde. Und ich will sie nicht besuchen, weil ich nicht mehr zulasse, dass ich meiner Mutter helfe, in ihre Angstzone zu bleiben.

Löst das emotionale und moralische Konflikte in mir aus? Zum Teil.
Ich liebe meine Mutter. Sehr. Und ich vermisse sie. Sehr. Ich wünsche mir so sehr, sie wiederzusehen. Aber ich habe meinen Teil geleistet – im Guten wie im Schlechten. Ich habe mich so sehr an ihre Krankheit verloren, dass damit Schluss ist. Ich muss sie alleine lassen. Wir telefonieren regelmäßig und ich mache die Fehler von damals heute nicht mehr, aber wenn es darum geht, ihr den Besuch abzunehmen, weil er für sie unerträglichen Stress bedeutet, dem sie um jeden Preis ausweichen möchte, bin ich raus.

Ich bewege mich online in einer Blase aus Menschen, die zum Teil selbst von psychischen Erkrankungen betroffen sind, zum Teil aus anderen Gründen ein großes Bewusstsein für das Thema haben. Immer wieder geht es in meinen Timelines um die Entstigmatisierung von psychischen Erkrankungen, was ich extrem wichtig finde. Aber bei diesem Kampf fällt mir immer wieder auf, dass oft nur mehr Verständnis und Raum für Symptome gefordert wird und an der Stelle möchte ich oft brüllen “Seid Ihr nicht ganz dicht? Wisst Ihr, was Ihr Angstgestörten damit antut?!” Ich gestehe, dass ich mittlerweile sehr sensibilisiert bin und dass mich Vermeidungsverhalten sehr triggert. Nicht nur, weil ich Angehörige einer Angststörung bin, sondern weil ich selbst auch an einer Angststörung erkrankt war und am eigenen Leib erfahren habe, wie die Störung immer größer wurde, je mehr mein damaliger Mann versucht hat, mich vor Stressoren zu schützen. Ich kenne beide Seiten der Medaille und das lässt mich vermutlich emotionaler reagieren als nötig.

Dass meine Mutter nun seit einigen Monaten bei den richtigen Therapeuten ist, dass ihr in dieser Zeit genau die Krankheitseinsicht vermittelt werden konnte, die überhaupt erst nötig ist, um eine nachhaltige Symptomlinderung zu erfahren, lässt mich hoffen, dass sie doch irgendwann zu dem Kern ihres unsäglichen Leids vordringen kann. Doch bis dahin werde ich sie nicht besuchen. Ich lasse meine Mutter allein, weil ich sie liebe. Und weil ich auf mich selbst aufpasse.

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13 Kommentare

  1. Auch wenn es sich merkwürdig anfühlt, diesen umfassenden Beitrag nur mit einem kurzen Kommentar zu versehen, tue ich es trotzdem:

    Die Distanz aufrecht zu erhalten und dich damit selbst zu schützen, halte ich für die richtige Entscheidung.

    Ich wünsche dir Kraft, das konsequent durchzuziehen! Wenn deine Mutter deine Situation mit Distanz beurteilen und dein Dilemma sehen könnte, würde sie dir das auch sagen – vermutlich.

  2. Herzlichen Dank für diese gute, übersichtliche und sehr persönliche Darstellung einer Krankheit, die sich so schwer fassen lässt. Besonders das Bild mit dem Suchscheinwerfer trifft. Als Selbstbetroffene fühle ich mich gut beschrieben.

    “… lässt mich hoffen, dass sie doch irgendwann zu dem Kern ihres unsäglichen Leids vordringen kann.” Dieser Satz bringt mich zur Frage, die ich mir oft stelle: Wo hat es angefangen, wie komme ich da hin und wie kann ich den Schalter langfristig umlegen?

    Ich hoffe, deine Mutter kommt schrittweise näher an diesen Kern. Und wir andern alle ebenso.

  3. Selbstfürsorge erfordert Kraft, Mut und die Erkenntnis, dass es in Ordnung ist, Grenzen zu setzen. Man muss nicht andauernd abliefern, was man kann. Man darf aufhören, wenn es einem nicht mehr guttut, auch wenn man noch könnte.
    Ich freue mich aufrichtig für dich, dass du das für dich jetzt so gut regeln kannst, liebe Meike.

  4. Danke für diesen interessanten Text. Im Grunde stehe ich vor der gleichen Frage wie Du, Meike, wie ich mit der extremen Angststörung einer extrem geliebten Person umgehen soll. Ich selbst leide nicht unter Angststörungen oder anderen psychischen Krankheiten, bin gerade auf Alkoholentzug, wobei der Alkoholmissbrauch mit Gefahr einer Abhängigkeit mit dieser ungelebten Liebe zusammenzuhängen scheint. Alles ist so, wie Du schreibst: Vermeidungs- und Ausweichverhalten, meine potenzielle Nähe löst Panik und Wut aus, ich bin eine Bedrohung für ihr derzeitiges, einigermaßen stabiles Leben. Worin besteht nun meine Liebe? Diese geliebte Person in ihrem angsterfüllten und depressiven Leben mit ihrer Familie allein zu lassen (inkl. zweier kleiner Kinder und entfremdetem Ehemann), sie sozusagen “in Ruhe alt werden” und vergammeln und die Kinder gleich mit psychisch krank werden zu lassen, oder sie mit meiner Gegenwart zu konfrontieren? Bei zweiterem bricht sie wahrscheinlich erst einmal zusammen (wovor sie natürlich Angst hat), aber möglicherweise könnte das langfristig ihre alten, tiefsitzenden Ängste abmildern und ihr Leben verbessern. Meine Therapeutin rät mir zu dem, was Du gemacht hast: “mich selbst schützen” und diese Person in Ruhe lassen. Aber was werde ich mir auf meinem Sterbebett sagen? Ich weiß nicht, ob Du den Artikel “Schwermut als Objekt – Über Struktur und Inhalt der Borderline-Depression” von Christa Rohde-Dachser kennst. Der ist online verfügbar und hat mir das beschriebene Phänomen ziemlich gut erklärt.

  5. Bin selbst GAS- und Depressionspatient, mit Krankheitsbeginn spätestens in früher Kindheit. Was mir half waren:

    • Rückzug von Reizen (sensorisch, sozial, physiologisch, kognitiv) => weniger Druck, nach Auslösern für Bedrohungsgefühle bzw. Alarmiertseinszustände zu suchen, mehr innere Ruhe. Unterstützt durch Therapeuten (s.u.) der (gegen mein Gefühl, funktionieren zu müssen) dazu ermutigte.

    • Kontaktabbruch zur massive vereinnahmenden Mutter und dem Rest der Familie mit der ich mich nie sehr verbunden gefühlt habe. (Ungeborgenheit in der Kindheit — ist das ein Muster bei GAS? Sollte mal jemand untersuchen.)

    • Bupropion, nachdem Vertreter sämtlicher üblichen Klassen von Antidepressiva nichts gebracht haben. Aber Vorsicht bei ambulanter Anwendung! Nach den ersten 3 Tagen leichter Euphorie folgt ein 4…6-wöchiger Absturz in die Finsternis mit starken Selbsmordgedanken (eine Dosissteigerung von 150 auf 300 mg/d habe ich erst im zweiten Anlauf nach 6 Wochen gut aushalten können). Außerdem ist man besonders anfangs aufgedreht, steht ‘unter Strom’. Das ist gut, man kann wieder etwas schaffen und hat Erfolgserlebnisse, auch wenn sich das wegen der Depression noch innerlich leer anfühlt. Wegen der Suizidgedanken wird Bupropion in Deutschland fast nur stationär gegeben und beim Übergang zur ambulanten Weiterbehandlung durch ein anderes Antidepressivum ersetzt (ich musste meinen Psychiater überreden, und ich wußte, dass ich herbe Depressionszustände und Selbstmordgedanken schon früher überstanden habe, das gab mir die Zuversicht, das durchzuhalten).

    • Ein exzellenter Psychotherapeut/Analytiker (beide Qualifikationen), deutlich älter als ich (=> positive neue ‘Eltern’-Erfahrung), sehr erfahren, und vor allem mit einem besonderen Augenmerk auf transgenerationale psychologische Probleme (also systemisch, aber noch die Vergangenheit und die nächsten Vorfahren mit einbeziehend). Seit >250 Sitzungen, soweit in die Tiefe zu gehen dauert lange und man sieht die Fortschritte nicht so leicht.

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    Hier noch ein paar hilfreiche Links (Englisch, sorry). Der etwas flapsige Tonfall sollte nicht über die Kompetenz des Autors hinwegtäuschen, er lässt seine Zusammenfassungen in einer kompetenten Community diskutieren und korrigieren (Depression: https://astralcodexten.substack.com/p/peer-review-request-depression; Vorsicht, dieser Blog kann schnell sehr viel Zeit fressen!!!)
    • Ein Algorithmus zur Depressionsbehandlung der sich bewährt hat, und Hinweise was der Patient tun kann:
    https://lorienpsych.com/2021/06/05/depression/
    • Bupropion (ein Handelsname ist ‘Wellbutrin’):
    https://lorienpsych.com/2020/10/25/wellbutrin/

  6. Du solltest immer das tun, was sich für DICH richtig anfühlt.
    Ich weiß, dass das ein langer Lernprozess ist. Deswegen triggert mich deine Geschichte gerade ziemlich.
    Sie ist der meinen recht ähnlich 😢.
    Meine Mutter hat mein Verhalten nicht verstanden und mir das deutlich an ihrem Sterbebett gezeigt.
    Das ist jetzt 8 Jahre her und ich werde ihren letzten Blick zu mir nie vergessen.
    Er verfolgt mich.
    Er lässt mich zweifeln.
    Er macht mich traurig.

  7. Bei größeren Problemen ist Angehörigen-Betreuung/Behandlung meistens eine gute Idee, wird aber viel zu selten gemacht!

  8. Respekt! Das war (wieder) sehr mutig von dir, finde ich, deine Offenheit, dein Vertrauen.

  9. Habe jetzt das Bild Geist der Geometrie von Magritte vor Augen.
    Danke für den Beitrag

  10. Die Beschreibung als Suchscheinwerfer trifft das Problem exakt, auch bei einer mir nahestehenden Person. Allerdings findet kaum Vermeidungsverhalten statt, so dass ich auch nicht die Erfahrung gemacht habe, dass mein Beruhigen die GAS verschlimmert hätte. Zum Glück werde ich selbst nicht beeinträchtigt, bei mir ist die Stimmung immer besser als die Lage.

  11. Liebe Meike,

    vielen Dank für Deine Offenheit und für die Beschreibung dieser komplizierten und kräftezehrenden Beziehung.
    Ich habe selber so etwas Ähnliches in der Verwandtschaft, erkenne die Muster und das Verhalten, das mich so anstrengt, aber erst durch Deinen Artikel überhaupt und kann versuchen, es unter diesem Blickwinkel mal einzuordnen.

    Und Du – paß auf Dich auf!
    🖤

  12. Liebe alle,
    ich kann die Entscheidung vom Kontaktabbruch nachvollziehen, ABER ein “aber” regt sich ebenfalls in mir. Ich bin überzeugt, dass ein mässiger, beschränkter und bewusst gewählter Kontakt beiden Seiten gut tun kann. Falls ich das Gefühl bekomme, die Mutter zieht mich in ihrer GAS wieder mit rein, kann ich mein Verhalten entsprechend ändern und auch die Möglichkeit von Distanz anwenden. Natürlich setzt dies voraus, dass ich die Mechanismen durchschaue, was aber wohl der Fall ist. Tja, es gibt wohl nicht nur eine Umgangsmöglichkeit, sondern individuelle. Voraussetzung ist schon das durchschauen können der Muster und dazu benötigt es meistens Hilfe von aussen.

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