Google-Memo: Eine kurze Geschichte über Differenzierung und Diskriminierung

(Nachtrag: Dieser Artikel ist mittlerweile auch in etwas abgeänderter, verkürzter Form im Tagesspiegel erschienen.)

Letzte Woche tauchte im Internet das interne Schreiben (Link zum PDF) eines Google-Mitarbeiters auf, in dem er die unterschiedliche Repräsentation von Frauen in der Technologiebranche mit biologischen Unterschieden zwischen den Geschlechtern begründete. Er übte außerdem Kritik an Googles bestehenden Diversitätsprogrammen, die Männer diskriminieren würden. Die in Zeiten von Social-Media-Empörungsstürmen erwartbare Strafe folgte auf dem Fuß, denn Google kündigte dem Mann umgehend, weil sein Papier beleidigend sei und schädliche Stereotype verbreite.

Die mediale Darstellung des Papiers war so krass, dass ich mit dem schlimmsten rechnete, als ich mir das Schreiben am Rechner öffnete und zum ersten Mal in Ruhe selber durchlas. Ich wartete darauf, dass gleich der menschenverachtende, inakzeptable, eine Kündigung rechtfertigende Teil kommt, und fand stattdessen eine komplexe Mischung aus Fakten und Meinung, aus berechtigter Kritik und krudem Selbstmitleid, aus Differenzierung und Diskriminierung. Nachdem ich es gelesen hatte, war ich ein wenig irritiert über die Darstellung des Textes in den (sozialen) Medien. Diese Darstellung war unvollständig, unterkomplex und irreführend. Die mangelhafte Darstellung des Memoinhalts verzerrt, worum es darin wirklich geht, und verschleiert den Punkt, an dem Meinung zu Diskriminierung wird. Und deshalb drösele ich das jetzt mal auf, damit Sie es nicht mehr tun müssen.

Differenzierung

Populationsperspektive vs. Individualperspektive

Der Autor beginnt mit einem für alle Gesellschaftsmodelle wichtigen Schritt, nämlich dem Wechsel der Perspektive von der individuellen auf die Populationsebene. Auf der Populationsebene wird aus einer Gruppe von 100 Menschen eine Ansammlung von Untergruppen mit ähnlichen Merkmalen. Bei dieser Sichtweise werden Gesellschaftstrends plötzlich sichtbar, während individuelle Eigenschaften in den Hintergrund treten. Zum Beispiel finden in der Gruppe 83 Leute Sonnenschein gut und 17 nicht so gut (8 haben Hautkrebs, 3 eine Sonnenallergie und 6 sind Schleswig-Holsteiner). Die inhaltlich vollkommen korrekte Aussage über die Gesamtgruppe lautet “Die Mehrzahl der Menschen mag Sonnenschein”. Bei Beobachtungen auf Populationsebene gehen aber natürlich viele Details verloren: bei der obigen Aussage fallen die 17, die keine Sonne mögen, einfach hinten runter und von ihren individuellen Schicksälern erfährt man noch weniger. Liest nun einer der 17 die obige Aussage, fühlt sie sich für ihn völlig falsch an, weil er eine Populationsaussage aus der Individualebene bewertet. Sich auf die Ebene zu verständigen, ist der erste Schritt bei Texten, die Gruppenaussagen enthalten.

Der Perspektivwechsel ist schwierig, aber unverzichtbar, will man größere Gesellschaftsmuster erkennen und richtig auf sie reagieren. Doch wenn der Sender einer Botschaft sagt “Du bist jetzt für den Moment kein Individuum mehr, sondern nur ein Messwert in einer Werteverteilung”, dann sträuben sich viele Leser, weil sie sich ihrer Individualität beraubt fühlen. Die Populationssicht rührt an unserem innersten Selbstverständnis, ein unverwechselbares Individuum zu sein. Wir lernen von klein auf, dass jeder von uns etwas Besonderes ist, und diese Betrachtung nur für einen Moment aufzugeben und uns selbst als Teil einer Menschengruppe, die durch ihre Durchschnittswerte charakterisiert ist, zu sehen, gelingt vielen nicht so ohne weiteres. Der Leser bezieht dann jede Aussage des Textes auf sich als Individuum und fühlt sich folgerichtig verletzt und falsch wiedergegeben, weil wichtige Teile seiner Persönlichkeit in dem Text unberücksichtigt bleiben. Ein Großteil der Empörung über das Google-Memo entsprang den unterschiedlichen Ebenen von Sender und Empfängern. Viele Leser haben offenbar den kleinen Abschnitt über das “population level” übersehen und sich folglich durch die verallgemeinernden Aussagen des Autors persönlich angegriffen und diskriminiert gefühlt. Die Debatte um das Schreiben war für mich daher auch ein fantastisches Lehrstück darüber, wie Menschen aneinander vorbei reden können, obwohl sie dasselbe Vokabular benutzen.

Hervorragend trainieren lässt sich die Populationssicht mit technischen Hilfsmitteln wie GoogleEarth: Ganz nah herangezoomt besteht ein Wald dort aus einzelnen Bäumen, die mal größer, mal kleiner sind, mal dichter belaubt und mal kahl, mal mit kräftigem, gesunden Grün und mal einem kränklichen Gelb, kurz: sie sind so individuell wie wir Menschen. Erst wenn man aus der Karte herauszoomt, wird sichtbar, ob sich vielleicht in einer Ecke des Waldes besonders viele kränkliche Bäume befinden, oder ob die Bäume nach Norden raus viel kleiner sind als ihre sonnenbeschienenen Südnachbarn. Jeder Baum bleibt trotz dieses Perspektivwechsels ein Individuum, er verliert nichts, aber für den Betrachter ergeben sich ganz neue Erkenntnisse über den Zustand des Waldes. In gleicher Weise verlieren auch wir Menschen nichts, wenn wir unsere Persönlichkeit für einen Moment hintan stellen und zulassen, dass wir Menschen als Gruppe mit vergleichbaren Merkmalen betrachten.

Ideologische Voreingenommenheit

Sodann beschreibt der Autor, wie sehr Menschen durch ihre grundsätzliche ideologische Haltung von sachlicher Argumentation abgehalten werden. Er beschränkt sich auf das “linke” und das “rechte” Lager und führt einige blinde Flecken auf, von denen er glaubt, dass sie beide Lager am vernünftigen Denken und Handeln hindern. Über seine Beispiele kann man sicher geteilter Meinung sein (etwa “Mitgefühl mit den Schwachen” als linkes Manko), auch über ihre Zugehörigkeit zum jeweiligen Lager (negative/positive Betrachtung von Veränderung).

Darüber aber, dass alle Menschen und alle politischen Lager ideologische Themen haben, die sie blind und taub für sachliche, faktenbasierte Argumentation machen, kann es nach den vielen zerstörerischen Streits und Hassstürmen in den Sozialen Medien kaum Zweifel geben. Ich glaube auch, dass es für künftige Diskussion sehr hilfreich wäre, wenn wir uns unsere eigene Befangenheit, die die lösungsorientierte Diskussion so erschwert, immer wieder ins Gedächtnis rufen.

Geschlechtsunterschiede

Der Autor bietet schließlich als Erklärung für gesellschaftliche Ungleichheiten die biologischen Unterschiede zwischen Mann und Frau an. Hier nun ist es besonders wichtig, jeden Satz ganz genau durchzulesen, denn der Grat zwischen Fakt und Diskriminierung ist hier besonders schmal.

Die biologischen Geschlechtsunterschiede wurden bisher hauptsächlich dazu benutzt, um Frauen an der Teilhabe an der äußeren, nicht-häuslichen Welt zu hindern. Gerade dieser Missbrauch führt oft dazu, dass Diskriminierungsgegner biologische Unterschiede wissenschaftlichen Erkenntnissen zum Trotz leugnen – es entsteht dabei genau die Blindheit, von der weiter oben die Rede ist. Wo von wertfreien Unterschieden die Rede ist, ergänzt das eigene Gehirn eine Abwertung. Aus einer reinen Beschreibung wird reflexartig eine Beurteilung. Ergebnis vermischt sich mit Interpretation. Männer haben “typisch weibliche” Eigenschaften so lange und so oft ignoriert, abgewertet und als minderwertig hingestellt, dass heute niemand mehr etwas von diesen Eigenschaften hören will. Doch intellektuelle Verrenkungen werden nicht helfen, dass natürliche Ungleichheiten und die Folgen, die sie für die Menschen haben, verschwinden. Durch die Leugnung überlässt man ihre Deutung denjenigen, die sie zu ihrem Vorteil (und in der Regel dem Nachteil der Frauen) zu nutzen wissen. Gerade diejenigen, die an einer gerechten Welt interessiert sind, sollten sich besonders wissbegierig auf diese Sachverhalte stürzen, weil genau hier die Stellschrauben für gerechtere Gesellschaftsstrukturen liegen.

Die durchschnittlichen Unterschiede zwischen Männern und Frauen sind Fakt, nicht nur Meinung oder Glaube (Link 1, Link 2). Sie sind unter anderem im Wärmehaushalt, in der Gehirnanatomie, dem Bewegungsapparat, der Partnerwahl, dem Aussehen und dem Sexualtrieb vielfach nachgewiesen. So funktioniert Evolution nun einmal: sie konstruiert die Organismen so, dass sie ihre evolutionäre Funktion bestmöglich erfüllen können. Die Funktion ist natürlich – gähn! – wieder einmal die Fortpflanzung. Dass der Mensch heute in viele Aspekte der Fortpflanzung selbst eingreifen kann, ändert zwar etwas an seinem Lebensstil (Individualebene, kann abweichen von der Gruppe), aber nicht an den Millionen Jahre alten Informationen zum Thema Sex, die in seinen Zellen gespeichert sind und ihr Programm abspulen, ob er nun will oder nicht (Populationsebene, entspricht höchstwahrscheinlich den Informationen der restlichen Gruppe).

Die Ursache für Unterschiede liegt häufig in den Geschlechtshormonen, die ein breites Spektrum an Wirkungen auf die Persönlichkeit von Menschen haben und oft schon im Mutterleib die Entwicklung des Fötus beeinflussen. Wo zum Beispiel der Durchschnittsmann nun einen etwa zehnmal höheren Testosteronspiegel als die Durchschnittsfrau hat, sind auch die Wirkungen, die mit dem Testosteron assoziiert sind, bei ihm viel stärker ausgeprägt als bei der Durchschnittsfrau. Eigentlich ganz logisch und völlig unspektakulär. Natürlich gibt es auch Frauen mit einem höheren Testosteronspiegel und Männer mit einem niedrigeren. Bei diesen Männern und Frauen fallen dementsprechend die Geschlechtsunterschiede viel geringer aus oder sind sogar gar nicht merkbar vorhanden. (Der Vollständigkeit halber sei darauf hingewiesen, dass jüngere Ergebnisse aus dem Bereich der Epigenetik zu allem Überfluss darauf hindeuten, dass frühkindliche Erfahrungen die DNA beeinflussen und wie ihre Informationen im Körper umgesetzt werden. An diesem Punkt verschwimmt die Grenze zwischen kulturellem und biologischem Einfluss so stark, dass es eine grobe Fahrlässigkeit wäre, eines von beiden als alleinigen Grund zu postulieren. Doch sind diese Erkenntnisse noch zu jung, um ihre Bedeutung für den Menschen und seine Entwicklung ganz erfassen zu können.)

Als Beispiele für die durchschnittlichen Persönlichkeitsunterschiede nennt der Verfasser des Google-Memos das größere Interesse von Frauen an Gefühlen und Ästhetik sowie an der Beschäftigung mit Menschen anstelle von abstrakten Ideen. Frauen seien außerdem eher am Gruppenfrieden interessiert als daran, sich selbst innerhalb der Gruppe durchzusetzen. Akzeptiert zu werden sei für sie wichtiger als “ihren Punkt zu machen”. Aus dem Grund seien sie etwa bei Gehaltsverhandlungen benachteiligt. Auch seien Frauen weniger stressresistent und neigten häufiger zu Ängstlichkeit, weshalb man sie seltener in verantwortungsvollen “Hochdruckjobs” sähe, bei denen man oft rund um die Uhr performen müsse.

In meiner Twitterblase gibt es zahlreiche Frauen, die in der Techbranche arbeiten oder sich für Technologie interessieren. Aus meiner individuellen Betrachtung heraus müsste ich die Aussage des Autors, Frauen interessierten sich weniger für Technologie, als falsch ablehnen. Verlasse ich meine Individualsicht (und meine Filterblase), fallen mir jedoch viel mehr Frauen ein, die in nicht-technologischen Bereichen arbeiten. Kreative Berufe (Text/Bild) sind häufig, ebenso Dienstleistungsberufe oder Berufe “mit Menschen/Tieren”. Auch den kalten Hochdruckehrgeiz, der nach einem möglichst raschen Aufstieg auf der Karriereleiter strebt, kenne ich eher von Männern als von Frauen. Die Beobachtungen und Erfahrungen sehen wahrscheinlich bei jedem etwas anders aus, aber dass Männer “eher so” und Frauen “eher so” sind, das dürfte den meisten von uns im übergeordneten Maßstab schon aufgefallen sein. “Durchschnittliche Unterschiede” heißt eben nicht, dass jeder Mann so und jede Frau so ist, sondern lediglich, dass es auf Populationsebene Geschlechtertrends gibt.

Schließlich macht der Autor eigene Vorschläge für Maßnahmen, die unter Berücksichtigung der durchschnittlichen Geschlechtsunterschiede helfen können, Tech-Berufe für Frauen attraktiver zu machen (achten Sie hier bitte auch darauf, dass das Schreiben von nahezu allen berichtenden Medien als “Anti-Diversitätspapier“, dessen Autor Frauen aus der Techbranche raushaben will, bezeichnet wurde).
Er schlägt unter anderem vor, beim Programmieren stärker auf Team- und allgemeine Zusammenarbeit zu setzen, damit die Arbeit für an Personenarbeiten interessierte Frauen attraktiver wird. Außerdem könne man versuchen, die Arbeit weniger stressig zu machen. Da Frauen mehr Wert auf eine ausgewogene Balance zwischen Arbeit und Privatleben legten (und also nicht ihre ganze Zeit der Arbeit widmen möchten), solle Teilzeitarbeit ermöglicht werden, um sie überhaupt in die Branche zu holen. Und schließlich weist der Autor darauf hin, dass die männliche Geschlechterrolle im Gegensatz zu der weiblichen immer noch sehr starr ist und die Kluft zwischen der Männer- und Frauenwelt deshalb deutlich größer ist als sie sein müsste. Männern zu erlauben, weicher und weiblicher zu sein, würde mittelfristig automatisch dazu führen, dass sich die Geschlechter gleichmäßiger auf die Branchen verteilen als sie es bisher tun.

Statt Frauen durch starre Quoten und ähnliche Programme in die Unternehmen zu holen, sollte seiner Meinung nach versucht werden, das Arbeitsumfeld strukturell so zu verändern, dass automatisch mehr Frauen angezogen werden. Diese Vorschläge des Autors und ihre Eignung als Werkzeug zur Frauenförderung können diskutiert werden, aber sie als Anti-Diversität zu bezeichnen, grenzt schon fast an Fake News. Der Verfasser kritisiert nicht, dass Google versucht, größere Diversität zu erreichen, er kritisiert die Art, wie Google das versucht. Das ist ein riesiger Unterschied.

Diskriminierung

Das Problematische an dem Artikel ist also nicht, die unterschiedliche Verteilung von Männern und Frauen in bestimmten Branchen mit biologischen Ursachen zu erklären, sondern vielmehr der tief verankerte Androzentrismus, den der Autor mehrfach zeigt.

Androzentrismus

Ein kurzer Exkurs für die später Hinzugekommenen.
Androzentrismus ist, vereinfacht gesagt, eine Gesellschaft, in der das alltägliche Leben entlang männlicher Bedürfnisse, Fähigkeiten, Werte, Prioritäten und Eigenschaften organisiert ist. Das Männliche wird als Norm aufgefasst, das Weibliche als Abweichung von dieser Norm. Wir leben in einer androzentrischen Gesellschaft, auch wenn das wegen der gesellschaftlichen Verwerfungen der letzten 100 Jahre nicht mehr ganz einfach zu erkennen ist. Zoomen wir, um das Muster dennoch zu sehen, also aus unserem heutigen Alltag heraus und schauen wir uns die Zivilisation im größeren zeitlichen Maßstab an. Ihre Grundpfeiler haben sich nämlich bei allem gesellschaftlichen Wandel seit Jahrtausenden kaum verändert. Es geht zum einen um die Zeugung und Versorgung von Kindern und zum anderen um das Erwirtschaften und die Mehrung von Besitz durch produktive Lohnarbeit, weil Besitz Status bedeutet. Die Menschen gehen heute anderen Tätigkeiten nach und besitzen andere Dinge als vor 5000 Jahren, aber der grundsätzliche Gesellschaftsaufbau ist vergleichbar.

Mit der Sesshaftwerdung (in Mitteleuropa vor grob überschlagenen 6000 Jahren) schälte sich eine Form von Gesellschaft aus der vorherigen Nomadenhorde, die die unterschiedlichen Rollen von Männern und Frauen bei der Fortpflanzung widerspiegelte. Da die Frau für das Großziehen eines Säuglings unverzichtbar war, waren ihre Kapazitäten, auch anderen Tätigkeiten als dem Herumschleppen eines Babys nachzugehen, extrem limitiert. Sie blieb eng an das Haus und die Kinder gebunden. Der Mann hingegen war für die körperliche Versorgung des Säuglings entbehrlich und konnte sich deshalb in der nicht-häuslichen Gesellschaft austoben. Die Welt spaltete sich in eine äußere Hälfte, die sich bis heute um Handel, Lohnarbeit und Innovation dreht, und eine innere, in der Pflege, Erziehung und Haushaltsorganisation wichtig sind.

Die äußere Welt war (wir sind immer noch in der Populationsebene) eher offen und intellektuell fordernd, die innere eher begrenzt und mit intuitiven Tätigkeiten. Man muss kein Feminist sein, um zu verstehen, dass den Frauen in ihrer begrenzten Häuslichkeit irgendwann die Decke auf den Kopf fiel und sie den Wunsch spürten, diese Welt zu erweitern. Doch als es ihnen vor 100 Jahren dank des Fortschritts allmählich möglich wurde, den häuslichen Bereich zu verlassen, stießen sie auf eine äußere Welt voller Widerstände. Alle Strukturen waren an den überwiegend männlichen Eigenschaften ausgerichtet, die Arbeitswelt spiegelte die durchschnittlich eher männlichen Eigenschaften wie Konkurrenzdenken, Durchsetzungsfähigkeit und Aggressivität wider. Emotionalität wurde in der Welt als Nachteil gesehen, Intuition als Ungenauigkeit, soziale Fähigkeiten als überflüssiger Tand. Alle persönlichen “Weichheiten” wurden, da Konkurrenten sie sofort zu ihrem Vorteil ausgenutzt hätten, komplett aus der äußeren Welt verbannt. Es war eine harte Welt, die auf einer durchgehend hohen Arbeitskraft basierte. Die äußere Welt war, da sie hauptsächlich von Männern gestaltet worden war, auch in erster Linie für Männer gestaltet worden.

Androzentrismus bedeutet übrigens nicht, dass alle Männer Gewinner werden. Er bedeutet nur, dass Männer gegenüber Frauen einen Wettbewerbsvorteil haben, weil der Kampf um den Hierarchieplatz an männlichen Eigenschaften entlang ausgerichtet ist. Vergleichbar ist das vielleicht mit Basketball. Große Menschen sind bei einer Sportart, bei der Bälle in hochhängende Netze geworfen werden müssen, gegenüber kleinen klar im Vorteil. Das heißt aber nicht, dass alle großen Menschen automatisch begnadete Basketballer sind. In einer harten, kompetitiven Welt können Männer ganz genauso Verlierer sein wie Frauen. Frauen dagegen konnten in dieser männlichen Welt schon früher hauptsächlich dann eine hohe Position erreichen, wenn sie dem männlichen Wertesystem entsprachen. Es ist kein Zufall, dass hochstehende Frauen – Managerinnen, Sportlerinnen, Politikerinnen – oft tough und “unweiblich” (gemessen an der weiblichen Populationsnorm) wirken.

Der diskriminierte Mann

Der Autor schreibt in dem Text wiederholt von den Männern, die durch Googles bisherige Förderungsmaßnahmen diskriminiert würden. Klar, wenn in einer Stellungsanzeige steht “Bei gleicher Qualifikation werden Frauen bevorzugt”, dann klingt das genau danach: einer Bevorzugung von Frauen und einer Benachteiligung von Männern. Folglich ist die Erzählung vom durch den Feminismus diskriminierten Mann weit verbreitet in konservativen Männergruppen. “Mir wird ja auch nichts geschenkt” als Argument gegen Frauenförderung ist ein Satz, den man häufiger hört. Tatsächlich aber ist Frauenförderung keine Diskriminierung und hier kommt der Grund dafür.
(Kleiner Nachtrag: Bitte keine Kommentare mehr darüber, warum Männer durch den Feminismus sehr wohl diskriminiert werden. Es geht hier um übergeordnete Muster und Strukturen. Nirgendwo steht, dass ein Mann nicht auch im Individualfall benachteiligt werden kann, aber solange die Strukturen eher männerfreundlich sind, ist eine individuelle Benachteiligung eben keine strukturelle Diskriminierung. Entweder wir verlassen die Individualsicht und reden auf Populationsebene oder nicht, aber nicht für den einen so und den anderen so und immer genau dann, wenn es einen selber gut/unschuldig/unterdrückt aussehen lässt. Danke.)

Die Aufteilung der Welt in zwei getrennte Arbeitsbereiche, einen männlichen und einen weiblichen, klingt erst einmal nicht zwingend ungerecht. Das ändert sich aber, wenn man berücksichtigt, dass alle gesellschaftlichen Entscheidungen, also auch Entscheidungen, die sich auf den häuslichen Bereich und die Frau beziehen, in der äußeren, der männlichen Welt erarbeitet und getroffen werden. Ja, im allgemeinen Sprachgebrauch beschreibt “Gesellschaft” sogar hauptsächlich die äußere, also die männliche Welt. Was in der Familie, im Haus passiert, ist dagegen vielfach “Privatsache”. Entscheidungen über Frauen und traditionelle Frauenarbeiten ohne Frauen zu treffen, entmündigt sie und degradiert sie zu unselbstständigen Puppen. Frauen aus dieser Entscheidungswelt auszuschließen, ist deshalb nicht nur unschuldige Arbeitsteilung, sondern ungerecht.

Und wenn Frauen seit 100 Jahren daran arbeiten, dass die äußere Entscheidungswelt weniger androzentrisch und damit zugänglicher für Frauen wird, dann mag das für Männer auf der individuellen Ebene schmerzlich sein – aber eine Diskriminierung, also eine strukturelle Benachteiligung, ist es nicht. Es ist die Neuverteilung von etwas, das der Mann zuvor zu 100% für sich hatte: Entscheidungsgewalt, Mitspracherecht, Entfaltungsmöglichkeit. Es ist die Einbeziehung der Frauen in eine Gesellschaft, die zuvor zu 100% aus Männern bestand. Auf einem Sofa, auf dem der Mann zuvor ganz alleine herumlümmeln konnte, muss er nun zur Seite rücken, damit auch die Frau einen Lümmelplatz hat. Ja, der Mann verliert etwas dabei – auf individueller wie auf Populationsebene – aber das Teilen des Sofas ist trotzdem ein Schritt zu mehr Gerechtigkeit und nicht zur Diskriminierung des Mannes. (Diskriminierung wäre es, den anderen gar nicht auf das Sofa zu lassen und – huch – genau das wurde ja jahrtausendelang mit den Frauen gemacht, haha!)

Dass der Autor des Google-Memos ein hochgebildeter, weißer Besserverdiener ist, also ein Mann, der in höchstem Maße von einem auf Männer zugeschnittenen Arbeitsumfeld profitiert hat, macht seine Klagen noch ein wenig unglaubwürdiger. Gestern Abend postete der Twitter-Nutzer Julius Goat anlässlich der Naziproteste von Charlottesville eine Reihe von Tweets, in denen er brillant aufzeigt, warum das männliche, überwiegend weiße Gejammer über die angebliche Männerdiskriminierung so absurd ist (der ganze hervorragende Thread wird sichtbar, wenn Sie den Tweet durch Klick auf das Datum aufrufen – es lohnt sich wirklicheingebetteten Tweet aus Datenschutzgründen entfernt, bitte klicken Sie den Link, um den Twitter-Thread zu sehen).

Genau diese androzentrische Vorstellung von Gerechtigkeit und Ungerechtigkeit macht den Google-Text problematisch.

Pathologisierung des Weiblichen

Ein weiteres Musterbeispiel für Androzentrismus ist die Pathologisierung weiblicher Eigenschaften als Neurotizismus. Neurotizismus ist ein Begriff aus der Persönlichkeitspsychologie und ein Maß für die emotionale Labilität eines Menschen. Der Androzentrismus steckt hier bereits im Konzept, nicht nur in seiner Verwendung durch den Autor. Die “typisch weiblichen” Eigenschaften als emotional labil zu beschreiben, impliziert direkt, dass die männlichen Gegenstücke gleichbedeutend mit Stabilität sind. Es ergibt sich daraus die Gleichung “Männlich = gesund, normal; weiblich = gestört, beeinträchtigt”, das Männliche ist positiv belegt, das Weibliche negativ. Ein so schönes Beispiel für die Abwertung weiblicher Eigenschaften ist mir lange nicht untergekommen.

In der androzentrischen Arbeitswelt gilt nur von Gefühlen und anderen Weichheiten völlig unbeeinflusste (geistige) Leistungsfähigkeit als Ideal. Ängste zu haben, (Mit-)Gefühl zu zeigen oder allgemeine Schwächen sind hier Nachteile. (Von hormonellen Schwankungen, monatlichen Periodenkrämpfen oder einer Schwangerschaft/Stillzeit spricht der Autor in weiser Voraussicht nicht.) Da der Autor diese Eigenschaften zuvor eher Frauen zugesprochen hat, ist die Geringschätzung von Emotionalität gleichzusetzen mit der Geringschätzung von Frauen. Der Autor erinnert mich in diesen Schlussfolgerungen an die frühen Irrtümer über die Hysterie, die lange als “Frauenkrankheit” galt.

In einer abschließenden Auflistung von Vorschlägen schreibt der Autor tatsächlich “Being emotionally unengaged helps us better reason about the facts“, also “Emotional unbeteiligt zu sein hilft dabei, Sachverhalte vernünftiger zu bewerten”. Er klingt in diesem Satz wie Sherlock Holmes, die brillante Romanfigur von Arthur Conan Doyle, die jede Art von Gefühl ablehnt, weil sie seine messerscharfe Intelligenz vernebelt. In dem Satz steckt eine groteske Überhöhung des kalten Verstandes, der dem Autor zufolge natürlich eher männlich ist.

Wo der Autor zu Beginn des Schreibens noch den Perspektivwechsel von seiner Leserschaft einfordert, um Populationstrends sichtbar zu machen, fällt er selbst immer wieder in die Individualperspektive zurück, wo es für ihn günstig ist. Das Jammern über die Diskriminierung des Mannes entspricht der individuellen Betrachtung, nicht der Populationsbetrachtung. Weiter oben lässt sich der Autor außerdem über die engen Grenzen der Männerrolle aus, die die Gesellschaft dem Mann zugesteht, und weist zurecht darauf hin, dass es ein Gewinn wäre, auch Männern mehr Bandbreite in ihrem Geschlechterverständnis zu erlauben. Aus seiner individuellen Sicht aber wertet er Emotionalität Empathie (also das eher Weibliche) als schlechten Ratgeber bei der Problemlösung ab.

Letztlich bleibt der Endruck, dass hier jemand selbst nicht genau weiß, in welche Richtung er will – irgendwie ist die brillante, leistungsstarke Arbeitsmaschine Mann schon cooler als die gefühlsduseligen, zur Unterordnung neigenden Frauen, aber ungerecht sein will der Autor halt auch nicht. Nach meinem Empfinden rechtfertigt das Schreiben eine sofortige Kündigung auf gar keinen Fall. Ein Mitarbeitergespräch über die hier ausgeführten Kritikpunkte hätte meines Erachtens ausgereicht – auch um dem in weiten Teilen der Bevölkerung verbreiteten Eindruck des “Man darf heute nicht mehr XY sagen” entgegenzuwirken. Johnny Häusler von Spreeblick beschreibt in der Wired anhand einer Anekdote, wie das Gefühl, nicht offen sprechen zu können, ohne verurteilt zu werden, junge Männer in rechte Gefilde abdriften lässt. Er prognostiziert, dass der Google-Mitarbeiter nun ein anderes Zuhause für seine Ideen suchen wird, und voilà – zwei Tage später gehen die ersten Interviews des nun ehemaligen Googlemitarbeiters an zwei dem rechten Lager nahen Youtubern.

So nicht

An welchen Säulen zu rütteln ist, um unsere androzentrische Zivilisation in ein gerechteres Modell zu überführen, ist zu diskutieren. Der Autor hat in seiner Interpretation von “typisch männlich” und “typisch weiblich” einige Punkte, die als Meinungen durchaus streitbar sind. Es geht mir hier nicht darum, im Einzelnen festzulegen, welche seiner Vorschläge richtig sind und welche nicht. Denkbar wäre ja an verschiedenen Stellen auch eine Kombination aus unterschiedlichen Maßnahmen.

Doch den Text so krass zu verzerren, ihn als “Müll” und “sexist/racist” zu bezeichnen, der besser sang- und klanglos in der Versenkung verschwunden wäre, ist ein absolutes Armutszeugnis für alle Personen, die das getan haben. Es erschüttert mich zutiefst, wie viele aufgeklärte, intelligente, der Wissenschaft zugeneigte Menschen in meiner Filterblase in den letzten Tagen mit spitzen Fingern kurzsichtige, inhaltlich falsche oder schlicht dumme Kommentare in die sozialen Medien gekübelt haben. Dass das zum Teil dieselben Leute sind, die für den March for truth ihr rosa Muschimützchen aufziehen, ist ein anderer Witz und soll ein andermal erzählt werden.

Der reflexartige Umgang mit dem Themenkomplex der Geschlechtsunterschiede offenbart im Grunde die ganze Sprach- und Hilflosigkeit, mit der die Gerechtigkeitsbewegung der androzentrischen Gesellschaft gegenüber steht. Alles um uns her ist zum Großteil immer noch die von Männern für Männer gemachte Zivilisation und wir betrachten alles durch diesen androzentrischen Filter. Natürlich haben Männer Wissenschaft immer wieder dazu missbraucht, die Zustände der männerfreundlichen Zivilisation rekursiv zu rechtfertigen. Der Grund, weshalb das überhaupt möglich ist, ist die Begründung der Zivilisation auf männlicher, also produktiver Arbeit. In einer Welt, in der produktive Arbeit der einzige Weg zum Auskommen und zu gesellschaftlicher Anerkennung ist, muss die traditionelle Frauenarbeit, die keine produzierende, sondern eine erhaltende ist, hinten runter fallen. Neben den Frauen trifft das auch alle anderen Menschen, die aus welchen Gründen auch immer nicht dem Eigenschaftskomplex eines leistungsstarken, produktiven Mannes entsprechen.

Die Gerechtigkeitsbewegung merkt offenbar überhaupt nicht, wie sehr sie selbst die androzentrischen Weltsicht reproduziert und alles unter männlich-produktiven Gesichtspunkten betrachtet. Wenn man diesen männlichen Zivilisationsfokus der Produktion für alternativlos hält, ja, dann sind die Möglichkeiten, weibliche Eigenschaften positiv zu werten, tatsächlich sehr beschränkt und werden es immer bleiben. Wenn man sich tatenlos in das männliche Wertesystem sinken lässt und “Is’ halt so” seufzt, dann kann die Geschlechterforschung nur eine Bedrohung sein. Wenn man möchte, dass sich etwas an der androzentrischen Gesellschaft ändert, ohne dass sich etwas an der androzentrischen Zivilisation ändert, dann wird es die gleichberechtigte Welt, in der Männer und Frauen einander ebenbürtig sind, niemals geben.

Man könnte doch mal aufstehen und sich fragen, wie wir diesen ganzen Menschenhaufen anders denken können. Welche Werte außer Produktionsarbeit noch das Herzstück der Zivilisation bilden können. Woran wir den Wert eines Menschen noch messen können außer an seiner Produktionsfähigkeit. So und nur so kann eine Welt entstehen, in der Frauen und Männer unterschiedlich sein können, ohne dass ein Geschlecht dabei dem anderen untergeordnet wird.

Titelbild: Valentine Svensson/flickr

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129 Kommentare

  1. Zunächst einmal vielen Dank für die sachliche Auseinandersetzung mit dem Thema! Die Darstellung des Memos in vielen Medien ist einfach nur absurd.

    Eine Frage:

    Wo siehst du in dem Memo eine Pathologisierung des Weiblichen? Er behauptet ja nicht, dass weibliche Eigenschaften in irgendeinem Sinne “schlechter” sind, als männliche.

    Das Argument ist doch vielmehr, dass Frauen im Schnitt eher zu Neurotizismus neigen und dass Neurotizismus negativ mit “Erfolg”, insbesondere mit der Zufriedenheit über den Arbeitsplatz korreliert. Beides ist gut durch Studien belegt.
    https://www.ncbi.nlm.nih.gov/pmc/articles/PMC3149680/
    https://www.researchgate.net/publication/30014089_Meta-Analysis_of_the_relationship_between_the_Big_Five_and_academic_success_at_university

    Und noch eine Anmerkung:
    Ich weiß nichts Genaues über Molyneux, aber Jordan Peterson als “Alt-Right” zu bezeichnen ist schon extrem verzerrend. Eigentlich ist die Geschichte von Peterson sehr ähnlich zu der von Damore. Er hat sich an seiner Universität gegen die Kriminalisierung von falsch verwendeten Pronomen engagiert und wurde dafür sozial geächtet und die rechte Ecke gedrängt.

    • Das mit dem Neurotizismus habe ich doch hergeleitet. Eine negative Klassifizierung abzustecken, die nun einmal eher auf Frauen zutrifft, ist in einer androzentrischen Gesellschaft kein Zufall. Die Abwertung steckt hier, wie gesagt, schon im Konzept Neurotizismus.
      Und wo der Autor Emotionalität (also das eher Weibliche) zu einem schlechten Ratgeber be Problemlösungen erklärt und den kalten, von Gefühlen unbeeinflussten Verstand (der seiner Ansicht eher männlich ist) zu einem guten, wertet er – und zwar das Weibliche geringer als das Männliche.

      • Das leuchtet mir auch nicht ein. Die weiblichen Eigenschaften werden eindeutig positiver bewertet.

        Die eher negativen männlichen Eigenschaften, werden erst dadurch positiv weil dadurch eine Gesellschaftliche höhere Stellung erreicht wird oder werden sollte. Aber der Autor sagt doch nirgendwo, dass die weiblichen Eigenschaften negativ sind, sondern möchte, dass auch mit den ehr weiblichen diese Stellung erreicht werden sollte.

        Die gefühlte Diskriminierung von Mänern kommt vermutlich daher zustande, wenn in einem Techberuf im Studium oder Ausbildung das Verhältnis 80:20 Männer zu Frauen ist und in der Auschreibung steht: “Frauen werden bevorzugt”, um einen Anteil von 50:50 zu erreichen, dann haben es Männer schwerer eine Anstellung zu finden. Was soweit ich das begreife auch ein Grund des Autors für das Memo ist.

        Ich finde es auch sehr interessant wenn von jahrtausender Kultur gesprochen wird, aber es kaum noch eine Rolle spielt wie die Situation vor 50 Jaren war.

        Da ich diese Entwicklung z.T. mitbekommen habe – auch vor allem Dank einer sehr starken Mutter – ist es mir unverständlich das die positiven Entwicklungen kaum wahrgenommen werden und keine Auseinandersetzung darüber stattfindet wie Frauen mit ihren Defiziten (auf die Populationsbene bezogen) umgehen.

        Dagegen ist das Verhalten von Männern – das als typisch männlich gilt – heute i.d.R. eher gesellschaftlich verpöhnt. Während z.b. der “Schönheitswahn” eher mehr vorhanden ist, als vor z.b. 50 Jahren. Und zwar auf allen Ebenen, also der gesellschaftlichen Akzeptanz von Frauen die sich dem nicht unterordnen und auf der technischen, in dem was Frau tut, um ihn zu erfüllen.

        Das Problem der jahrtausendjahre dauernden Diskriminierung sind ja auch gerade Verhaltensmuster die eine Unterdrückung aufrecht erhalten.

        Eines seh ich auch absolut nicht so wie du, es gab nie eine 100% Macht oder Sofa der Männer. Zumal auch die Machtlosen nicht 100% Frauen sind/waren.

      • Beim Neurotizismus sollte man die Schuld sicher nicht beim Autor suchen. es ist eine der Big5 Eigenschaften und damit wissenschaftlich anerkannt und oft erforscht. Wenn muss man hier das Konzept kritisieren, aber nicht den Autor.

        Nun man kann es sicher so sehen und argumentieren dass gefüle =frau und später Gefühle = ungut für Lösung in direktem zusammenhang stehen, sodass man frauen=schlecht lesen KANN. Was aber wenn der Autor weiter unten eben garnicht mehr in Mann/Frau gedacht hat und bei den Gefühlen eben an gesellscahftlich aufgeladene Reaktionen, wie die, die hier aufkam, im sinn hatte?
        Ich sage nicht, dass Ihre aussage nicht stimmt. Denke aber, dass man da nochmal mit der Person reden sollte, bevor man sich darüber ein Urteil macht.

        PS: sehr schöner Artikel! Ab und zu natürlich Sachen in den text hineininterpretiert, sodass diese Interpretationen natürlich auch von ihrer eigenen Meinung beeinflusst/gefärbt sind. aber das war auch notwendig um solch einen Artikel zu verfassen.

  2. Ah, ok, das habe ich falsch verstanden.

    Hier muss ich aber entschieden widersprechen. Neurotizismus ist eine der fünf grundlegenden Persönlichkeitseigenschaften (“Big Five”). Diese sind entstanden, indem man versucht hat möglichst unabhängige Kategorien zu schaffen, um Unterschiede in der Persönlichkeit zu beschreiben.

    Das heißt, salopp gesagt, Neurotizismus ist das, was übrig bleibt, wenn man alle Persönlichkeiten nimmt und die anderen vier Eigenschaften (Offenheit, Gewissenhaftigkeit, Extraversion und Verträglichkeit) abzieht.

    Das hat also ganz grundlegend erstmal überhaupt nichts mit Männern und Frauen zu tun. Später hat man dann untersucht, inwiefern sich Männer und Frauen in diesen “Big Five” unterscheiden. Dabei hat sich herausgestellt, dass Frauen signifikant höhere Werte in Offenheit und Neurotizismus haben (und die anderen Werte ähnlich sind), siehe die erste Studie die ich oben verlinkt habe.

    Der Punkt auf den ich hinaus wollte ist: Neurotizismus ist nicht nur irgendeine zufällig herausgegriffene Eigenschaft, sondern entsteht auf natürliche Weise bei der Betrachtung von Persönlichkeiten.

    Zu dem zweiten Absatz:
    Der Autor sagt, dass Emotionalität daran hindert sachliche Debatten zu führen. Er schreibt aber meines Wissens weder, dass Emotionalität eine typisch weibliche Eigenschaft ist, noch dass Frauen deshalb weniger in der Lage seien sachliche Debatten zu führen.

    Kann es sein, dass dir hier genau das passiert ist, was du vorher noch angeprangert hast, nämlich dass du eine Wertung in eine wertneutrale Aussage hinein interpretiert hast?
    Falls nicht, würde ich mich über die Angabe der konkreten Stelle im Memo freuen.

    Danke für die Antwort!

    • Relativ zu Beginn schreibt der Autor über Frauen
      – directed towards feelings
      – empathizing
      – neuroticism.
      All diese Punkte sind Synonyme für eine höhere Emotionalität. Es stimmt, dass der Autor nicht DIREKT sagt, dass das weniger Wert ist. Später plädiert er aber für ein Zurückstellen der Empathie aus der Debatte (“De-emphasize empathy”), weil er sie für einen schlechten Ratgeber hält. Möglicherweise habe ich diese Aussagen mit “Emotionalität” etwas zu großzügig umschrieben, aber die Wertung der Empathie (die er vorher eher Frauen zugeschrieben hat) ist da.

      • http://www.spektrum.de/news/empathie-laesst-uns-unklug-entscheiden/1485565

        “Empathie hat ein blendendes Image: Sich in andere hineinzuversetzen, gilt als Grundlage von Fairness und Hilfsbereitschaft. Einige Forscher zweifeln allerdings an dieser Sichtweise.

        [..]

        Empathischer Stress kann aber auch jedermanns Hilfsbereitschaft im Alltag dämpfen. Überfordert uns die Anteilnahme am Schicksal anderer, so blenden wir deren Pein oft kurzerhand aus und fühlen uns nicht mehr verantwortlich.

        [..]

        Laut Bloom macht uns Mitgefühl oft blind dafür, wo unsere Hilfsbereitschaft am sinnvollsten angebracht wäre. Das Bild eines einzelnen Gewaltopfers rühre uns stärker als etwa alle Hiobsbotschaften in Sachen Klimawandel. Dabei sei Letzterer unterm Strich mit deutlich mehr Opfern verbunden und müsse dringender angegangen werden als ein individuelles Schicksal, so schlimm dieses auch sein mag. Zudem wecke Empathie häufig Zustimmung für (echte oder vermeintliche) Underdogs, in deren Lage wir uns hineinversetzen. Davon profitierte vermutlich selbst der krasse politische Außenseiter Donald Trump bei der US-Präsidentenwahl 2016. Bei seinen betont emotionalen Auftritten inszenierte er sich als aufrechter Kämpfer in einer korrupten Politarena – und je mehr er angefeindet wurde, desto stärker wurde sein Rückhalt beim Wahlvolk.”

        Wenn Feministinnen negative Eigenschaften, die bei Frauen und Männer anzutreffen sind, nach Männern benennen, regt sich kaum einer aus diesem Lager auf, aber wehe jemand bringt Fakten über Frauen die diese nicht hören wollen.

        „Warum wir nicht glauben, was uns nicht passt“
        http://www.spektrum.de/news/warum-wir-nicht-glauben-was-uns-nicht-passt/1483465
        „Der Mensch als solcher ist keineswegs offen für Argumente. Im Gegenteil, wir halten an lieb gewonnenen Überzeugungen fest – oft gegen jede Vernunft.“

  3. Hi Frau Lobo,

    vielen Dank für deine Analyse. Ich kann dieser in jeder Hinsicht zustimmen, nur an zwei Stellen bin ich nicht sicher, wie ich diese zu verstehen habe und bitte um kurze Aufklärung:

    Eine Stelle wurde schon von einem Kommentator angesprochen, aber nicht so, dass die richtige Frage gestellt worden wäre:

    Ist denn Emotionalität nicht ein schlechter Ratgeber bei Problemlösungen? Wann hilft denn Emotionalität bei Problemlösungen? Solange jemand nicht eiskalt, sondern anhand von Werten rational entscheidet, also nicht aus eiskaltem Egoismus heraus, sondern anhand von rationalen Werten (beispielsweise die Menschenrechte) und Naturgesetzen, ist doch die rationale Entscheidung besser als eine Emotionale, oder? Wir wollen doch nicht, dass vor Gericht die Emotionen entscheiden, oder? Wir wollen doch keine Berechnungen nach Gefühlen, sondern sinnvolle Werte und Regeln, an den wir uns festhalten können, gerade um eine Entscheidung so zu treffen, dass sie sinnvoll sind.

    Wenn vor Gericht ein Mörder steht, dann lassen wir ja nicht die Angehörigen des Opfers über den Täter entscheiden, auch nicht die aufgeputschten Leser der BILD. Wir wollen eine sinnvolle rationale Entscheidung anhand der Regeln, die wir uns gemeinsam gegeben haben.

    Ich bin sicher, wenn es darum geht, sich um das eigene Kind zu kümmern, ist Emotionalität wichtig, denn dabei geht es um den Erhalt des eigenen Nachwuchses, in den man vor 6000 Jahren noch viel mehr Kraft stecken musste, als heutzutage. Aber inwieweit ist diese Emotionalität bei der neutralen Bearbeitung von Sachverhalten, ein guter Ratgeber? Ist eine Welt, die diesbezüglich weniger androzentrisch wäre, wirklich eine gute Welt?

    Zudem verstehe ich deine Definition von Diskriminierung nicht: Du schreibst, “eine Diskriminierung, also eine strukturelle Benachteiligung” sei die Formulierung, Frauen würden bei gleicher Eignung bevorzugt, nicht. Zunächst einmal, es kann doch auch auf Individualebene Diskriminierung geben, es brauch keiner strukturellen Bevorzugung, um etwas als Diskriminierung zu qualifizieren. Wenn ein Arbeitgeber mich nicht einstellt mit dem Verweis, ich sei Schwarz, bei gleicher Eignung werden Weiße eingestellt, aber er ansonsten auch schwarze Arbeitnehmer eingestellt hat, dann ist die Ablehnung meiner Einstellung dennoch diskriminierend, nicht wahr? Man wird zwar nicht sagen können, dass der Arbeitgeber grundsätzlich Weiße Arbeitnehmer bevorzuge, ist es doch das nachrangigste Auswahlkriterium, diskriminierend wäre das für einen Schwarzen dennoch. Studien zeigen, dass Menschen mit einem arabischen oder türkischem Vornamen weniger oft zu einem Vorstellungsgespräch eingeladen werden, dies gilt insbesondere für Männer und insbesondere ist die Diskriminierung hier sogar noch stärker, als die von Frauen. Müsste man daher nicht bei gleicher Eignung insbesondere auch Männer mit entsprechendem arabischem oder türkischem Vornamen einstellen?

    Selbstverständlich geht es bei diesem Einstellungskriterium zugunsten von Frauen um Verringerung der tatsächlichen Diskriminierung, weil beispielsweise schon die Kriterien, nach denen ein Arbeitnehmer gesucht wird, androzentrisch sind. Erfüllt daher eine Frau diese Kriterien, obwohl sie eine Frau ist, dann sollte sie bevorzugt werden, weil sie somit etwas geschafft hat, was ihr weniger in die Wiege gelegt ist. Aber ist das tatsächlich ein sinnvolles Kriterium? Wäre es nicht sinnvoller, dass sich die Kriterien ändern, mit denen man Arbeitnehmer sucht? Verfestigen wir nicht sogar das androzentrische, wenn wir nur die Frauen in Führungspositionen hieven, die mit ihren männlichen Konkurrenten auf der Ebene männlicher Konkurrenz mithalten können? Sind es dann nicht genau diese Frauen, die dann hinterher anderen Frauen in den Rücken fallen und behaupten, die Welt sei so fair, wie sie ist? Sollten nicht gerade die Frauen aufsteigen, die gleichzeitig eher “weiblich” sind, sind sie es doch, die am ehesten die Welt zugunsten von Frauen ändern? Ist es anderseits nicht höchst gefährlich, das Bild zu vermitteln, Frauen die aufsteigen, waren nicht tatsächlich die besten, sondern haben es aufgrund von Quote oder Bevorzugung geschafft? Schmälert das nicht sogar das Ansehen einer jeden Frau, die es in der androzentrischen Welt schafft, aufzusteigen? Sorgt das nicht langfristig sogar eher für eine Umkehr des eingeschlagenen Pfades mit immer mehr Männern, die grundsätzlich davon ausgehen, dass die Frauen nicht die kompetentesten Mitarbeiter, Vorsitzenden etc. sind und daher diese noch weniger Beachtung schenken, ihnen weniger Rechte und Freiheiten zugestehen? Ich empfinde das Paper des Google-Mitarbeiters wäre tatsächlich eine Diskussion bei Google wert gewesen und ich finde es schade, dass man sich einer solchen wirklich wichtigen Diskussion dort nicht stellen wollte. Ich danke dir für deine Analyse, damit bist du schon weiter gegangen, als der große Google-Konzern, aber ich glaube, dass auch du, manches noch nicht in Frage gestellt hast, was hätte in Frage gestellt werden sollen.

    Mit freundlichen Grüßen

    • (Bitte um Entschuldigung, wenn ich wegen der Länge nicht auf jeden Punkt eingehe.)

      “Ist eine Welt, die diesbezüglich weniger androzentrisch wäre, wirklich eine gute Welt?”
      Das kann ich nicht sagen. Es geht hier überhaupt nicht darum, ob die Welt “besser” wäre, sondern nur darum, dass unsere Zivilisationsprämissen die 50:50-Verteilung des Geschlechterverhältnisses widerspiegeln sollten. Wenn die Hälfte der Menschen Männer sind und die Hälfte Frauen, dann kann es nicht sein, dass die Zivilisation nur nach den Männerwerten aufgebaut ist. Davon, dass die Welt mit mehr Frauenwerten automatisch das Paradies wird, hat niemand geredet.

      “Wäre es nicht sinnvoller, dass sich die Kriterien ändern, mit denen man Arbeitnehmer sucht? Verfestigen wir nicht sogar das androzentrische, wenn wir nur die Frauen in Führungspositionen hieven, die mit ihren männlichen Konkurrenten auf der Ebene männlicher Konkurrenz mithalten können?”
      Ja, das sehe ich auch so. Ein Feminismus, der Androzentrismus nicht in Frage stellt, sondern sich hauptsächlich darum sorgt, dass mehr Frauen in die männlichen Strukturen kommen, ist aus meiner Sicht wenig hilfreich. Strukturen zu verändern halte ich für besser. Allerdings ist der androzentrische Blick, den wir alle – Männer wie Frauen – auf die Zivilisation so stark verankert, dass eine Veränderung der Symptome für viele eher erreichbar erscheint als eine Veränderung der Ursachen. Aber ich habe ja auch geschrieben, dass es mir in dem Text nicht darum geht, Recht zu sprechen, was nun richtig und was falsch ist, und dass ich mir vorstellen kann, dass auch eine Mischung aus allem etwas bringen könnte.

      • Hinsichtlich des ersten Punktes kann ich nicht zustimmen. Für mich kann nicht oberstes Ziel sein, dass Frauen nach ihrer Verteilung in alle gesellschaftliche Bereiche vordringen, wenn das bedeutet, dass die Welt dadurch eine schlechtere wird. Für sich allein ist die tatsächliche Gleichberechtigung der Frau zu etablieren, ein gutes Ziel und eine Verbesserung des Zustandes der Welt, führt dies jedoch dazu, dass am Ende Emotionalität dort Einzug hält, wo sie nicht sinnvoll ist und Urteile statt rational, emotional gefällt werden, wir also wieder im Mittelalter versinken, dann kann ich das nicht gutheißen und dann würde ich eine androzentrische Welt vorziehen. Um es drastisch auszudrücken, dann wäre eine Welt, geleitet von Männern, wohl auch für Frauen, eine bessere Welt. Jetzt wirst du vermutlich anführen, dass Weiße, dass auch über andere Völker sagten, dass sie “die Wilden zivilisieren”, aber so ist es nicht gemeint. Du wirst mir zustimmen, dass Demokratie, so wie wir sie kennen, ein ganz gutes Konzept ist, jedenfalls fällt uns nichts besseres ein. Dieses Konzept ist jedoch eines, welches vor allem von weißen Männern stammt, das macht dieses Konzept nicht schlecht. Jedoch muss mit Argumenten unterfüttert werden, warum ein anderes Konzept vielleicht besser wäre. Dies gilt auch hinsichtlich des Unterschiedes zwischen rationalen und emotionalen Urteilen. Wenn Emotionen beispielsweise bei Gerichtsurteilen gut sein sollen, dann müsste das bewiesen werden, sonst sollte dieser Bereich besser androzentrisch bleiben (obwohl es immer mehr weibliche Richter, als männliche gibt), damit Urteile weiterhin nach dem besseren Konzept ergehen.

        Mit freundlichen Grüßen

        • “Um es drastisch auszudrücken, dann wäre eine Welt, geleitet von Männern, wohl auch für Frauen, eine bessere Welt.”
          Bis vor wenigen Jahrzehnten war die Welt hierzulande rein von Männern geleitet und in vielen Ländern der Erde ist sie das bis heute und ich darf Dir mit 100%iger Sicherheit versichern, dass diese Welt für Frauen nicht besser ist. Dieser von Männern geleiteten Welt entstammt, um nur ein Beispiel zu nennen, die vollkommene sexuelle Entrechtung der Frau, die hierzulande zum Glück auf dem Rückmarsch ist (aber auch hier ist Vergewaltigung [also ein Synonym für sexuelle Entrechtung] in der Ehe erst 1997 als Vergewaltigung ins Stgb aufgenommen worden, woher war es ein rein außereheliches Delikt), aber an anderen Orten in Form von Beschneidung, Verschleierung und systematischer Vergewlatigung durch den eigenen Ehemann an der Tagesordnung ist.

          Bezüglich der Demokratie stimme ich nicht zu. Sie ist das geringste Übel unter den Staatsformen, ja, aber tatsächlich glaube ich, dass eine Welt ohne Staaten (und also auch ohne die bisher bekannten Staatsformen) eine bessere wäre. Ich weiß, dass meine Ansichten radikal sind und dass es für viele nicht schaffbar ist, aus ihrer bisherigen Zivilisationsprämisse herauszukommen, aber naja, I never promised you a rose garden.

  4. Anmerkung zum Sonnenbeispiel “Die Mehrzahl der Menschen mag Sonnenschein“ als Aussage der Umfrage ist nicht korrekt und beschreibt einen der Kardinalfehler der Betrachtung, der auch.im weiteren Text auftaucht. Korrekt muss es heissen “die Mehrzahl _der befragten Menschen_ mag Sonnenschein”. Soviel Genauigkeit muss sein. Leider gilt dies für viel der Aussagen: “viele Studien haben nachgewiesen” ist einfach eine schwierige Aussage. Welche Studien, mit welcher global (!) Repräsentativität und Reproduzierbarkeit stützen die globalen, allgemeinen Aussagen über “die Männer” und “die Frauen”? Da wäre ich für nenn Tipp wirklich dankbar. Die meisten mir bekanntener sind rein USamerikanische oder europäische und haben nur mit viel Glücke eine Stichprobengrösse die ernsthaften Aussagen über die USA ermöglichen, wiederholte kenn ich noch noch weniger. Differenzieren die Studien sauber zwischen Korrelation und Kausalität? Ist klar, dass das Merkmal ” Frau” oder “Mann” das prägende Merkmal ist, oder dominieren eigentlich Bildungsniveau und finanzieller Hintergrund der Familie als signifikantes Merkmal, dass Machtunterschiede fixiert? All das fehlt mir bei der Betrachtung. So ist der Artikel leider nur ein weiteres Meinungsmanifest, schön geschrieben, sicher argumentiert und fein. Aber die o.a. Fragen bleiben offen. “It is known” ist einfach keine gute Grundlage in einem solch komplexen Feld.

    • „die Mehrzahl _der befragten Menschen_ mag Sonnenschein“
      Natürlich hast Du Recht. Und dass in einer Welt, in der Frauen seit Jahrtausenden aus gesellschaftlicher Verantwortung herausgehalten werden, mit den vermeintlichen Geschlechter- auch Gehalts- und/oder Bildungsunterschiede einhergehen, liegt auf der Hand. Das entspricht im Wesentlichen Untersuchungen zum gesellschaftlichen Status, bei denen automatisch oben mehr gut gebildete Eurasier stehen und unten mehr mindergebildete Migranten. Man kann die sozialen Einflüsse ja nicht herausisolieren aus solchen Untersuchungen. Man kann nur schauen, ob es physische Grundlagen gibt, als kleinsten gemeinsamen Nenner quasi.
      Und verzeih mir bitte, dass ich die physiologischen und neurologischen Studien nicht alle einzeln aufgeführt habe, aber ein bisschen Recherchearbeit können meine Leser auch übernehmen.

      • Mir hätte bei den Quellen nur eine schon gereicht, die tatsächlich global präzise und repräsentativ wäre, und das schreib ich nicht als Provokation, sondern weil ich tatsächlich händeringend auf der Suche nach solchen bin, um manchen right-wing Quatsch mal zu widerlegen. (für die Mitlesenden die neu in die Frage “repräsentativ” einsteigen mal eine ganz passender Einführung hier: https://www.inwt-statistics.de/blog-artikel-lesen/Repraesentativitaet_Teil1.html)

        Zu ein paar weiteren Punkten:
        Ich teile die Aufteilung von “gesellschaftlicher versus privater Verantwortung” nur bedingt vor allem weil ich die von dir Gleichsetzung mit “haben deswegen weniger Einfluss und Macht” nicht teile (so hab ich Dich zumindest verstanden, da bitte ich um Korrektur, falls ich das falsch interpretiert habe).

        Mir wäre wichtig deutlicher zu machen, dass Machtanalysen fast immer komplexer sind als deskriptive Ergebnisse a la “weniger Frauen sind Staatsoberhäupter, deswegen ist bewiesen dass Frauen global weniger Macht haben” oder ähnliche Pauschalitäten glauben machen.

        (Exkurs dazu: Es erschliesst sich mir nicht, um ein anderes Beispiel zu wählen, weswegen der Teil der Bevölkerung der den größten Teil der Menschheit in den neurologisch wie psychologischen ersten Lebensjahren prägt weniger machtvoll oder eiflussreich sein soll als der, dem dort Zugang verwehrt wird (egal ob durch die eigenen Geschlevhtsgenosen oder das andere Geschlecht). Anderes Beispiel wo wir vermutlich eher einer Meinung in der Analyse sind wäre Zugang zu Gerichten und rechtliche Gleichstellung)

        Und natürlich kann man mit guten multifaktoriellen Analysen auf Basis passender globaler Datenmengen rausrechnet, wie gross zumindest statistisch bestimmte Einflussfaktoren sind. (Für die Mitlesenden: Also zu differenzieren ob eine Frau v.a. wegen ihres Geschlechts oder v.a. wegen ihrer Ethnie, Ausdrucksfähigkeit, individuellen Merkmalen wie Geruch oder Gesichtsform, wegen ihrer Herkunft aus Chicago anstelle Boston oder Neukölln anstelle Zehlendorf oder den Erfahrungen des Gegenüber mit Männern anders behandelt wird.).

        Will mensch wissenschaftlich sauber (und damit für mich wissensbasierte und nicht auf Basis von bias und Höhrensagen) nah an der Realität argumentieren, braucht es diese differenzierte Klärung, wenn man das real existierende Diskriminierungsproblem lösen und keine Scheingefechte führen.

  5. ” Auf einem Sofa, auf dem der Mann zuvor ganz alleine herumlümmeln konnte, muss er nun zur Seite rücken, damit auch die Frau einen Lümmelplatz hat. Ja, der Mann verliert etwas dabei”

    Dieses Argument versagt leider völlig auf individueller Ebene. Wenn bei einem Job Frauen bei geringerer Leistung bevorzugt werden (wie z. B. in NRW bis vor kurzem geschehen: https://www.welt.de/regionales/nrw/article160739732/Wenn-aus-Frauenfoerderung-ein-Geschlechterkrieg-wird.html ), gibt es keine Hälfte des Sofas, auf die man sich beschränken kann. Entweder der besser qualifizierte Mann bekommt den Job, oder die Quotenfrau. Rahmenbedingungen so zu verändern, dass die Berufswelt Familien- und Frauenfreundlicher wird, macht Sinn. Frauenförderung beschränkt sich leider meistens auf Forderung nach umgekehrter Diskriminierung, wirkliche bestrebungen, die Arbeitswelt menschenfreundlicher zu machen, sind leider Fehlanzeige.

    • Das Bild mit dem Sofa ist auf die innere und die äußere Welt bezogen, nicht auf die individuelle Ebene. Außerdem sagte ich ja, dass das Zurseiterutschen des Mannes für ihn nicht nur auf der Populationsebene, sondern auch auf individueller Ebene spürbar ist. Nochmal: es geht in dem Text nicht darum, Recht zu sprechen, welcher Weg richtig ist, deshalb sollte es in den Kommentaren auch nicht darum gehen. Danke.

      • Ich störe mich vor allem an den Satz: “Tatsächlich aber ist Frauenförderung keine Diskriminierung und hier kommt der Grund dafür.” Der Grund dafür kommt eben nicht, bzw. nur auf abstrakt-kollektiver Ebene. Auf individueller Ebene ist eben häufig kein “zurseiterutschen” möglich, weil z. B. nur eine Stelle ausgeschrieben ist. Wenn in solchen Situationen individuelle Frauen bevorzugt werden, weil das Kollektiv “Frau” gesellschaftlich benachteiligt ist, macht das keinen Sinn und ist Diskriminierung par excellence. Gerade diese Praxis, individuelle Ungerechtigkeiten mit kollektiver realer oder gefühlter Diskriminierung zu rechtfertigen, trägt (imho teilweise zurecht) zu einer Abwehrhaltung gegenüber jeglicher Frauenförderung bei. Daher sollte das auch Kommentiert werden dürfen.

        • achso, da ich gerade den Kommentar unter mir gelesen habe und bevor es vor lauter Detailkritik komplett untergeht: Trotz meiner Kritik insgesamt ein sehr schöner und lesenswerter Text, vielen Dank dafür.

        • Ich kann mich hier Theo voll anschließen. Die Diskriminierung des Mannes im Fall der Bevorzugung der Frau bei gleicher Eignung wird eben nicht widerlegt, sondern sie wird mit der strukturellen Diskriminierung der Frau in der androzentrischen Gesellschaft gerechtfertig. Das führt am Ende aber zu mehr Diskriminierung, auch wenn das Geschlechterverhältnis in einer Firma dadurch ausgeglichener wird, wobei man sich streiten kann, ob das ein Wert an sich ist. Im Allgemeinen ja, das heißt dass die Frau gleichberechtigt am gesellschaftlichen Leben teilnimmt (so verstehe ich das mit dem Platz auf dem Sofa), ist richtig. Dass die Frau nun in allen Berufsgruppen zu mindestens 50% vertreten sein muss, kann ich daraus aber nicht herleiten, zumindest nicht, wenn man davon ausgeht, dass das Interesse und die Eignung für alle Berufe unter Männern und Frauen exakt gleich ausgeprägt sind.

          PS: Dem Kompliment mit dem schönen und lesenswerten Text schließe ich mich auch an.

          PPS: Schicksalen nicht Schicksälern ;-)

  6. Von mir keine Detailkritik, sondern einfach ein Dankeschön. In diesem Text steckt unheimlich viel drin, was mir selbst im Kopf dazu herumgegangen ist.

    (Auch) ich habe die Reaktion in meiner eigenen (überwiegend linksliberal-gutmenschlichen) Filterbubble als viel zu undifferenziert, ideologisch blind und vor allem nicht wirksam wahrgenommen.

    Der Brief hat sich für mich wie ein Angebot zum Einstieg in einen Dialog angehört. Das existierende Feedback, auch bei Google selbst, ist für mich ein Zeichen dafür, dass dieser Dialog hilfreich gewesen wäre. Diese Chance hat Google vertan. Der tiefe Graben durch die amerikanische Gesellschaft ist dadurch nur noch etwas tiefer geworden.

    Schade.

    Viele Grüße,
    Falk

    • Einen Kommentar einfach mal zufrieden wegzusnacken, tut auch mal ganz gut. Vielen Dank.

        • ich habe mir angewoehnt, “Gutmensch” ebenso zu betrachten wie “Judenfreund” – es sagt mehr ueber diejenigen, diees benutzten, als ueber die, an diees adressiert ist.

  7. Das Beiseite-Rutschen wird aber hauptsächlich in Führungspositionen und relativ angenehmen Bürojobs gefordert, weniger bei der Müllabfuhr oder der Kanalreinigung.
    Auch die Tatsache, dass Frauen über ihr höhere Lebenserwartung mehr Sozialleistungen beziehen, wird regelmäßig ausgeblendet.
    Wir steuern auf Grund der gesellschaftlichen Fehlentwicklungen durch Versorgungssuchende auf einen sehr geschlossenen Arbeitsmarkt zu, wo aus immer weniger Steuerzahlern immer mehr Steuern gezogen werden. Das geht nur mit höherer Effektivität, was wiederum zu schlechteren Arbeitsbedingungen führt.
    Die Männer werden wie bisher die schlechteren Bedingungen schlucken, weil ein Mann ohne Arbeit nichts ist.

    Für deine differenzierte Betrachtung herzlichen Dank, man traut sich ja mittlerweile kaum noch, die MSM-Headlines zu lesen. Absurd das Ganze.

    • Hier ein gutes Argument gegen die angeblichen Vorurteile gegen Frauen in Technikberufen: Wenn es diese Vorurteile wirklich gibt, warum gibt es die nicht gleichermaßen in anderen vormals „männlichen“ Berufen. An einem besonderen Status oder besserem Einkommen kann es jedenfalls nicht liegen, dass Männer gerade an dieser Branche „festhalten“.

      In the year 1850, women were locked out of almost every major field, with a few exceptions like nursing and teaching. The average man of the day would have been equally confident that women were unfit for law, unfit for medicine, unfit for mathematics, unfit for linguistics, unfit for engineering, unfit for journalism, unfit for psychology, and unfit for biology. He would have had various sexist justifications – women shouldn’t be in law because it’s too competitive and high-pressure; women shouldn’t be in medicine because they’re fragile and will faint at the sight of blood; et cetera.

      As the feminist movement gradually took hold, women conquered one of these fields after another. 51% of law students are now female. So are 49.8% of medical students, 45% of math majors, 60% of linguistics majors, 60% of journalism majors, 75% of psychology majors, and 60% of biology postdocs. Yet for some reason, engineering remains only about 20% female.

      And everyone says “Aha! I bet it’s because of negative stereotypes!”

      This makes no sense. There were negative stereotypes about everything! Somebody has to explain why the equal and greater negative stereotypes against women in law, medicine, etc were completely powerless, yet for some reason the negative stereotypes in engineering were the ones that took hold and prevented women from succeeding there.

      And if your answer is just going to be that apparently the negative stereotypes in engineering were stronger than the negative stereotypes about everything else, why would that be? Put yourself in the shoes of our Victorian sexist, trying to maintain his male privilege. He thinks to himself “Well, I suppose I could tolerate women doctors saving my life. And if I had to, I would accept women going into law and determining who goes free and who goes to jail. I’m even sort of okay with women going into journalism and crafting the narratives that shape our world. But women building bridges? NO MERE FEMALE COULD EVER DO SUCH A THING!” Really? This is the best explanation the world can come up with? Doesn’t anyone have at least a little bit of curiousity about this?

      (and I don’t think it’s just coincidence – ie I don’t think it’s just that a bunch of head engineers happened to be really sexist, and a bunch of head doctors happened to be really non-sexist. The same patterns apply through pretty much every First World country, and if it were just a matter of personalities you would expect them to differ from place to place.)

      Whenever I ask this question, I get something like “engineering and computer science are two of the highest-paying, highest-status jobs, so of course men would try to keep women out of them, in order to maintain their supremacy”. But I notice that doctors and lawyers are also pretty high-paying, high-status jobs, and that nothing of the sort happened there. And that when people aren’t using engineering/programming’s high status to justify their beliefs about gender stereotypes in it, they’re ruthlessly making fun of engineers and programmers, whether it’s watching Big Bang Theory or reading Dilbert or just going on about “pocket protectors”.

      Meanwhile, men make up only 10% of nurses, only 20% of new veterinarians, only 25% of new psychologists, about 25% of new paediatricians, about 26% of forensic scientists, about 28% of medical managers, and 42% of new biologists.

      Note that many of these imbalances are even more lopsided than the imbalance favoring men in technology, and that many of these jobs earn much more than the average programmer. For example, the average computer programmer only makes about $80,000; the average veterinarian makes about $88,000, and the average pediatrician makes a whopping $170,000.

      As long as you’re comparing some poor woman janitor to a male programmer making $80,000, you can talk about how it’s clearly sexism against women getting the good jobs. But once you take off the blinders and try to look at an even slightly bigger picture, you start wondering why veterinarians, who make even more money than that, are even more lopsidedly female than programmers are male. And then you start thinking that maybe you need some framework more sophisticated than the simple sexism theory in order to predict who’s doing all of these different jobs. And once you have that framework, maybe the sexism theory isn’t necessary any longer, and you can throw it out, and use the same theory to predict why women dominate veterinary medicine and psychology, why men dominate engineering and computer science, and why none of this has any relation at all to what fields that some sexist in the 1850s wanted to keep women out of.

      http://slatestarcodex.com/2017/08/07/contra-grant-on-exaggerated-differences/

      Man muss sich auch Mal fragen warum Feministinnen, die sich schon sehr lange über den niedrigen Frauenanteil in der IT beschweren, keinerlei Problem sehen, wenn der Frauenanteil in Berufen, die noch besser bezahlt werden, noch höher ist wie der Männeranteil in der IT.

      Behaupten Feministinnen nicht immer das Feminismus auch gut für Männer ist und es daher niemand anderes braucht der sich um die Probleme von Männern kümmert?

      Wieso ist dann ein Männeranteil >50% in gut bezahlten schlecht und ein Frauenanteil >50% in gut bezahlten gut. Das sieht doch sehr danach aus als ob Feminismus mittlerweile ein female supremacist Bewegung ist, die aktiv Diskriminierungen gegen Männer herbeiführen will.

  8. Ich habe mehrere Dutzend Texte mit Sichtweisen zu dem Fall gelesen. Der hier ist meines Erachtens nach der allerbeste.

    Einerseits beschreibst du sehr treffend, was alles falsch lief bei der Interpretation des und Reaktion auf das Memo. Die gewählten Worte sind meines Erachtens nach mehr als angemessen. Die Art und Weise, wie der Impuls, Partei zu ergreifen, bei manchen das aktive Nachdenken ausschaltete, hat bei mir nachhaltig etwas kaputtgemacht; Vertrauen in viele Branchenmedien, aber auch Respekt für bestimmte Meinungsführer und Personen, mit denen ich eigentlich viele Grundwerte teile. Erstmals habe ich gesehen, wie bereitwillig selbst gebildete Menschen abseits populistischer Extremströmungen bereit sind, den wissenschaftlichen Stand der Dinge komplett zu ignorieren und als uniformer Mob den Kopf einer Person zu fordern, solange sie ihren Standpunkt für moralisch richtig halten.

    (vor ein paar Tagen habe ich mir diesen Vortrag von Jonathan Haidt zum an US-Unis stattfindenden Konflikt “Truth vs Social Justice” angeschaut. Er bot eine ganze Reihe sehr relevanter Erkenntnisse, die dabei helfen, die Dynamiken zu verstehen, die sich im Bezug auf das Google Memo abspielten: https://www.youtube.com/watch?v=Gatn5ameRr8&t=1s)

    Andererseits hilft dein Text mir aber auch, besser zu verstehen, was genau mir an dem Memo missfällt. Bislang konnte ich nur konstatieren, dass mich etwas an ihm störte – allerdings war ich nicht in der Lage, dies für mich genauer auf den Punkt zu bringen. Der Begriff “Androzentrismus” ist für mich neu, aber die Darlegung ergibt viel Sinn (und passt z.B. wie die Faust aufs Auge auf das, was bei Uber alles falsch lief und läuft), und ird vermutlich meine Sicht nachhaltig beeinflussen.

    Insofern ein großes Dankeschön.

  9. Klar ist eine Frauenquote eine “strukturelle” Diskriminierung. Diese neue Struktur ist aber nicht aus der “alten” Arbeitsteilung “gewachsen” sondern wird durch social engineering geschaffen.

    Aus individueller Ebene ist für einen jungen Mann, der einen Job nicht bekommt, weil er einen Penis hat, eine Quotenregelung immer genau Diskriminierung; also exakt das, was die Frau vorher durch traditionell gewachsene Strukturen erlebt und zu Recht als Unrecht empfunden hat. Weder der junge Mann noch die junge Frau haben dabei wesentlich zu diesen Strukturen beigetragen; sie wurden viel mehr in dieses System hineingeboren. Ob man altes Unrecht durch neues beseitigt, ist eine sehr alte Frage, aber hier relevant. Der abgelehnte Mann hat aber jedes Recht, sich diskriminiert zu fühlen.
    Das Sofa hat nämlich nicht unendlich Plätze. Man darf nicht vergessen, daß die (absolut gerechtfertigte) Frauenbewegung eine Verdoppelung verfügbarer Arbeitskraft für die äussere Welt geschaffen hat, und damit eine Entwertung von (Erwerbs)arbeit. Deswegen stehen Marktlibertäre und Neoliberale auch so auf feministische Bewegungen, es gibt schlicht mehr Menschen, die man ausbeuten kann.

    Eine gerechtere Verteilungsstrategie scheint mir zu sein, Bewerbungen möglichst vollständig zu verblinden. Leider haben bisher erfolgte Versuche eher dazu geführt, daß stereotypengemäss rekrutiert wurde. Hier kann man offensichtlich noch viel verbessern.

    Das bringt mich zu der nächsten Frage. Diversitätsdisparitäten in bestimmten Arbeitsfeldern können, so sagt es John Damore (der viel besser schreibt, als er spricht; seine Interviews sind grauenhaft), multivariat entstehen. Also durch soziale Stereotypisierungen und biologische Einflüsse und deren Interaktion (hier zB Verstärkung).
    Der wesentliche Denkfehler ist, daß das komplette Ausschalten der einen Variable (Sexismus) stets zu einer homogenen Verteilung in einem Feld führen wird. Das ist auch der zentrale Punkt in Damore’s Memo.
    Wir erleben in einer immer offeneren Gesellschaft, in der Frauen (und Männer) alles tun können, was sie wollen. Es gibt keine Strukturen (mehr), die Frauen davon abhalten, Kernphysik zu studieren.
    Irgendwie tun sie das aber nicht. Stattdessen erleben wir einen absoluten Boom von Frauen in den Heilberufen. In 10 Jahren werden über 70% der Mediziner*innen weiblich sein. Mit übrigens fast lustig stereotyp wirkenden Auswirkungen in der Medizinindustrie. Die Jungmediziner*innen lassen sich sich nämlich nicht mehr so ohne weiteres zu 50+ Stunden/Woche antreiben, um vllt. in 20 Jahren mal Oberarzt tz werden. Das stösst alteingesessenen Chefärzten ziemlich auf.
    Ein Aufschrei ob der massiven geschlechtsabhängigen Verschiebung in der Medizin ist bisher übrigens ausgeblieben.

    Sinngemäss: Es gab schon mal viel, viel mehr Frauen in der Informatik. In den USA mal bis zu 37% in den 80ger Jahren, als Informatik anscheinend für Frauen ein attraktiver Beruf war. Nun sind wir wieder run bei 20%.
    Ob man die 17% nun verschwunden sind, weil der Sexismus in den USA sich in den letzten 30 Jahren nun verstärkt hat, oder ob die 37% in den 80gern entstanden sind, weil man Frauen gegen ihre Neigungen in dieses Feld gedrängt hat: Ich weiss es nicht. Offensichtlich ist hier aber nicht nur Sexismus am Werk.

    Die Lösung kann offensichtlich nicht sein, daß wir in allen Feldern eine Frauenquote von mind. 50% erreichen müssen; das ist schon demographisch nicht möglich. Was wir aber tun können, ist Sexismus (nurture) möglichst grossflächig ausschliessen, und dann Präferenz (nature) ihren Job machen lassen.
    Wenn dann 80% aller Psychologinnen weiblich sind, aber 80% aller Programmierer männlich: Who the fuck cares?
    Nicht jede Disparität ist ungerecht.

    Minor point:
    Die meisten Männer sind im aktuellen System Verlierer, und waren sie schon immer. Genau wie Frauen auch. Vor 100 Jahren bestand die aufregende äussere Welt aus 12-Stundenschichten im Bergwerk oder Verrecken in Verdun, wahlweise Dauerschwangerschaften bis man nicht mehr konnte.
    Deswegen ist der zitierte Tweet auch rotzübler sexistischer Dreck. Passt null zum Niveau des restlichen Artikels.

    • Die 80% aller Psychologinnen und 80% aller Programmierer stehen nicht an einem Fließband und schrauben Räder an Autos oder machen sonst eine im Grunde stumpfsinnige mechanische Tätigkeit, die auch ein Roboter (besser) tun könnte, sondern sie gestalten aktiv die Lebensverhältnisse und -umstände einzelner oder unzähliger anderer Menschen. Und da kommt es selbstverständlich sehr auf die jeweilige Persönlichkeit an und es ist überhaupt nicht egal, wer da nun sitzt. 80% aller Programmierer können im schlechtesten Fall für 100% aller Computerprogramme verantwortlich sein, und wenn die alle nur aus männlicher Perspektive geschaffen werden wird kulturelle Ungleichheit zementiert. Who the fuck cares? Everybody should!

      • Du bist also der Meinung, daß die “jeweilige Persönlichkeit” stark vom biologischen Geschlecht abhängt?
        Das wäre ein interessanter Aspekt. In den Kieler Nachrichten erschien jüngst ein Artikel, daß es Frauen in der Informatik leichter hätten, aufgrund ihrer erhöhten Empathiefähigkeiten.
        Interessanterweise also eine Bestätigung dessen, was Damore aussagt.

        Wenn es keine biologischen Unterschiede gäbe in der Art und Weise, wie Frauen und Männer coden, dann ist es egal, wer den Code produziert. Er muss lediglich seinen Zweck erfüllen, dH wir brauchen den bestmöglichen Code für eine Problemstellung.

        Wenn es biologische Unterschiede gäbe in der Art und Weise, wie Frauen und Männer coden (oder besser: Im Interesse, überhaupt zu coden), dann muss man Disparitäten akzeptieren.

        Hast Du den Eindruck, daß von Männern geschriebene Programme Frauen benachteiligen? Worin bestünden denn kulturelle Unterschiede zwischen Männern und Frauen? Sind die biologisch induziert oder eher sozial konstruiert?

        Hast Du den Eindruck, daß Männer durch weibliche Psychologinnen nicht ausreichend behandelt werden könnten?
        Bist Du dafür, daß es 50% Männer in den Heilberufen geben sollte? Wie würdest Du das erreichen?

        • Ich bin der Meinung, dass es Auswirkungen auf kreative Prozesse hat, wenn die kreativen Personen in einer vereinfacht gesagt kulturell binären Umwelt aufwachsen und sich überproportional aus einer der beiden Gruppen rekrutieren.

          Gender Mainstreaming in der Produktentwicklung ist ein wachsendes Forschungsfeld und behandelt – im Unterschied zu anderen Bereichen der Genderforschung – sehr materielle Phänomene. Recht bekannte Beispiele dürften die Entwicklung des Sicherheitsgurtes im Auto sein, der mit standardisierten Dummys getestet wurde aber halt auf der Basis eines Standards der den männlichen Durchschnitt abbildet:

          http://www.zeit.de/mobilitaet/2016-03/verkehrssicherheit-autounfall-frau/komplettansicht

          Ein anderes Beispiel ist die Entwicklung von Spracherkennungssoftware, die immer wieder von den (männlichen) Entwicklern unter sich getestet wurde und bei der sich erst viel später plötzlich herausstellte, dass sie Schwierigkeiten mit der Erkennung hoher Stimmlagen hatte.

          Kultureller Hintergrund bringt einen perception bias mit sich, und der ist bei der Erzeugung von etwas neuem (wie etwa einem Computerprogramm) nicht egal. Für psychologische Behandlung wird vergleichbares sicherlich auch zutreffen, aber da kenne ich mich nicht so aus (schließlich bin ich ein Mann ;) ).

  10. Du hast hier ein paar sachen exzellent aufgedröselt, aber ich finde du tust dem Autor trotzdem ein wenig unrecht.

    Natürlich ist dessen Arbeitsumgebung (und google insgesamt) androzentrisch. Werte und Normen die du hier als Männlich bschreibst SIND der geltende Maßstab in diesen Jobs.Und selbstverständlich SIND Frauen (auf der Populationsebene) schlechter für diese Jobs geeignet.
    Ich sehe da nirgens das er das explizit Rechtfertigt, er zählt es einfach nur auf.
    Im Prinzip argumentiert er auch völlig korrekt: Solange Google dieses Umfeld nicht ändert wird sich nix ändern.

    Mit aller Gewalt zu Versuchen mehr Frauen in dieses Jobumfeld zu bringen ist weder Gut für die Männer(und die paar Frauen) die dort schon arbeiten noch für die Frauen die dann da hinein kommen.

    Zwei Sachen die mich am googleMemo gestört haben die du nicht ausgeführt hast sind, dass häufig der wissenschaftliche Fakt und die realen Differenzen nicht in der gleichen Größenordnung spielen, häufig belegt der Fakt daher nur scheinbar das Argument.
    Und außerdem sollte man generell bei (Evo.) Psychologie vorsichtig sein, dieses Feld ist in der kompletten Replikationshölle.

    Die negativen Reaktionen die die generellen Äußerungen über Frauen auf sich persönlich bezogen haben sind vor allem eines: Emotional. und da bestätigen die Reaktion auf seinen: Emotionen sind oft ein schlechter Ratgeber und verhindern klares Denken.

  11. Vielen Dank für den Artikel. Besonders das Konzept vom Androzentrismus war mir Fremd , danke für die Aufklärung.
    Was ich persönlich zu diesem Thema auch spannend finde ist die Entwicklung des Frauenanteils des Tech Bereiches seit den 50ern. In den 80ern war der Frauenanteil bei Informatikstudenten bei über 35% (in Amerika) danach leider fallend auf jetzt um die 17%. Ich kenne in meinem Umfeld einige Frauen die früher einmal Cobol für große Firmen programmiert haben (ende 1980er). Leider schlug dort der Androzentrismus zu und sie haben ihre Karriere wegen den Kindern aufgegeben. Ich habe vor einer Weile diesen Artikel gelesen: http://www.npr.org/sections/money/2014/10/21/357629765/when-women-stopped-coding und fand besonders die Statistik spannend.
    Irgendwann in den 1980ern haben wir rein statistisch gesehen wohl ein paar gesellschaftliche Fehlentscheidungen gemacht…
    Persönlich würde ich mich über mehr weibliche Kolleginnen freuen. In Tech-Teams mit (hohem) Frauenanteil habe ich bisweilen die besten Erfahrungen gemacht.

  12. Eines habe ich nich ganz verstanen: Ihre Erkläung des Andozentrismus soll eine Erklärung für die Diskriminierung sein. Aber warum ignorieren Sie die ökonmische Perspektive so vollkommen? Viele der Eigenschaften unserer Arbeitswelt sind für den kolossalen wirtschaftlichen Aufschwung verantworlich, dem wir unseren unglaublichen Wohlstand verdanken. Sicherlich hat es Vorteile, die Konkurrenz und den Kampf zurückzufahren, aber ich denke, die Ökonomie war der Hauptgund, das unsere Wirtschaft so organisiert ist wie sie ist.

    • Sie haben vollkommen Recht, Ökonomie oder besser Besitz ist das (dunkle) Herz unserer Gesellschaft. Denn viele Ungleichgewichte sind erst durch den Besitz entstanden. Das Streben nach Besitz zur Grundlage einer Zivilisation zu machen bedeutet einen egoistischen Impuls zur Grundlage der Zivilisation zu machen. Das Streben nach Besitz schließt Gerechtigkeit bis zu einem gewissen Grad aus, denn wenn jeder versucht, möglichst viel zu bekommen, dann ist nur logisch, dass sich dabei nur der Stärkste und Rücksichtsloseste durchsetzt. Es ist ja kein Zufall, dass die Häufigkeit von narzisstischen und psychopathischen Persönlichkeiten unter Top-Managern 3-4 mal so hoch ist wie unter Menschen mit normalem oder geringem Status.
      Ja, die männliche Zivilisation hat ungeheuren Wohlstand für einige hervorgebracht. Aber sie hat einen grimmigen Preis dafür von anderen eingefordert. Und deshalb kann man meines Erachtens nicht Wohlstand als Wert für sich betrachten. Wir (westliche Welt) sind reich, weil der Rest der Welt arm ist. Das ist kein gutes System.

      Ich empfehle hierzu gerne auch mal Friedrich Engels kurze Schrift “Der Ursprung der Familie, des Privateigenthums und des Staats” zu lesen oder etwas ausführlicher und aktueller “Neben uns die Sintflut” von Stephan Lessenich. Beide dröseln die enge Verquickung von Besitz/Wohlstand/Wachstum und Entrechtung/Ausbeutung anderer sehr gut auf.

  13. @Benedikt Rausch: In ihren Anfängen war IT ein ehe schlechter Job, den im sexistischen Zeitgeist Frauen bekamen. Gleichzitig entwickelten sich andere Branchen ungeheuer dynamisch. Ein Mann, dessen Selbstbild von ihm velangte, in die Techbranche zu gehen, hat eher Luft- und Raumfahrtechnik studiert. Sie dagegen setzen die Techbranche reflexartig mit IT gleich, da diese heute als Einzige kosntant große Sprünge liefert.

  14. Unsere Zivilisation ist deshalb “androzentrisch”, weil sie erst daraus entsteht, eine wilde und gefährliche Welt “zivilisiert” zu machen. Dem entsprechend sind die “androzentrischen Hierarchien” und entsprechenden Statusgewinne daran orientiert, welche Eigenschaften und Fähigkeiten gut dazu geeignet sind, die wilde und gefährliche Welt zu beherrschen. Wenn man ein Dach über dem Kopf will, muss man Balken hochheben etc., darum war einer der klassischen männlichen Status-Eigenschaften die Kraft.

    Daran hat sich in den letzten 100 Jahren auch nur geändert, dass inzwischen sehr viel getan und erreicht wurde, um das Wilde und Gefährliche aus dem Alltag der meisten Menschen fast völlig zu tilgen. Das ändert aber nicht daran, dass Du nur im Warmen und Trockenen sitzt, weil jemand stark genug war um Balken zu stemmen. Und wo die Körperkraft nicht mehr reicht, wurden eben Maschinen erfunden und die Fähigkeit Maschinen zu erfinden wurde eine neue Status-Eigenschaft.

    Heute ist das alles so gut ausgebaut, dass man diese Dinge sehr leicht vergessen kann. Aber das bedeutet nicht, dass unsere Gesellschaft androzentrisch wäre. Ganz im Gegenteil. Erst durch diese männlichen Statuswettbewerbe und die weitgehend von Männern gemachte Arbeit ist diese Welt überhaupt so geworden, dass Frauen nicht mehr ängstlich am Herd sitzen müssen, sondern ihre Fähigkeiten “draussen” einbringen können. Im Grunde haben die Männer das “draussen” zu einem “drinnen” gemacht, damit auch Frauen vor die Türe gehen können. Eine solche Gesellschaft und Zivilisation ist aber natürlich nicht androzentrisch, sondern ganz im Gegenteil zu tiefst gynozentrisch. Sie ist buchstäblich für die Frauen gemacht.

    • Sie haben insofern Recht, als die Evolution natürlich dazu führt, dass Männer und Frauen möglichst gut an ihre Umwelt angepasst sind. Dazu gehört auch die körperliche Ausstattung, zum Beispiel mehr Muskeln bei Männern (zur Leistung von Arbeit) und mehr Fett bei Frauen (als Energie- und Wärmespeicher beim Austragen eines Babys). Ich habe im Text ja auch geschrieben, dass die Gesellschaft, die sich mit der Sesshaftwerdung herausschälte, die evolutionären Unterschiede beider Geschlechter widerspiegelte. Die männliche Zivilisation hat den Fortschritt hervorgebracht, der Frauen ermöglichte, das Haus zu verlassen, auch das ist richtig.
      Doch das allein reicht noch nicht aus, um eine Welt gynozentrisch zu machen.

  15. > Ängste zu haben, (Mit-)Gefühl zu zeigen oder allgemeine Schwächen sind hier Nachteile.

    Bei dem Satz war ich kurz davor wegzuclicken, wie kann man das denn nur anzweifeln? Aber dann kam ich wohl in eine kurzzeitige Testosteronarmut und hab’s doch noch eingesehen. Schwer zu akzeptieren, obwohl das rein logisch und genauso trivial evolutionär als Vorteil erklärbar ist.

    > Ein Mitarbeitergespräch über die hier ausgeführten Kritikpunkte hätte meines Erachtens ausgereicht

    Ausgereicht wofür? Hier ging es ja hauptsächlich darum öffentlichkeitswirksam ein Statement zu geben, und ein (individuelles?) Mitarbeitergespräch besänftigt auch keine Twitter-Meute. Die erste Reaktion war hier deutlich gemäßigter, es musste aber in Panik nochmal nachgelegt werden.

  16. Danke für diesen klugen und differenzierenden Text. Besonders Deine methodische Argumentation beeindruckt mich, auch der Verzicht auf die sonst übliche schwarz/weiß- bzw. richtig/falsch Betrachtung.
    Grüße! Uli

  17. Ich würde ja gerne etwas interessantes beitragen, aber fällt nichts ein.

    Was für ein großartiger Text, der mit Sicherheit deutlich wirksamer darin ist, die Argumente des Memo-Verfassers zu entkräften, als Kündigung oder gesellschaftliche Ächtung

  18. Hi. Die Interviews von Damore mit Peterson (übrigens kein Rechter) und Molyneux waren schon einen Tag vor Häuslers Kommentar vom 9.8.2017 veröffentlicht worden, nicht “voilà – zwei Tage später”.

    Noch etwas… Ihnen (/Dir) ist klar, dass der “Link 2” in Ihrem Text auf einen Artikel geht, dessen Autorin behauptet: “the argument in the document is, overall, despicable trash”? Dieser Quora-Artikel geht in eine ganz entgegengesetzte Richtung zu denen der Quillette-Beiträge und wirkt geradezu lächerlich.

    Zwei Beispiele: 1. “This is textbook fascism”. Bitte mal im Kontext lesen… Im Ernst? Lol. 2. Vom “stereotype threat”, dessen Existenz äußerst umstritten ist, wird behauptet: “We KNOW that negative stereotypes damage people’s performance”. Das betonte “know” ist mit einer Wikipedia-Verlinkung unterlegt. – Schwer, das nach stichprobenartiger Lektüre ernstzunehmen.

    Ich hätte diverse andere kritische Anmerkungen in der Sache zu machen, auch angesichts Ihrer weit ausholenden Thesen zum Androzentrismus, aber das führt jetzt zu weit. Schönen Abend noch.

  19. Danke für diesen Artikel.

    Ich bin so froh, zwischen all den Extremdarstellungen des Textes eine sachliche Auseinandersetzung mit der Thematik zu lesen.

  20. Einerseits finde ich den Text interessant, insofern überhaupt einmal jemand das “Memo” durchgelesen und nicht nur überflogen hat.

    Andererseits habe ich den selben Eindruck wie bei allen diesen Texten: sei bitte weniger ein Mann oder männlich, werde bitte mehr eine Frau, denn Männer und Männlichkeit hat zu einer seit tausenden Jahren ungerechten Gesellschaft geführt und selbst als Unterschichtenmann hast du davon einen Vorteil und deswegen eine Verantwortung für die Taten deiner Großväter (population) . Produktivität ist nicht erstrebenswert. Sie führt zu nichts oder zu schlimmerem, zuletzt hat sie gar das Internet hervorgebracht. Produktivität ist männlich, weil Frauen können das nicht (woher diese Annahme, der Drang nach Produktivität sei männlich und die Ausrichtung danach androzentrisch?)

    Als männlicher Nachkomme des Menschheitsgeschlechts obliegt mir ob meines so geborenseins jedenfalls irgend ein Schuld-Verantwortungskomplex, den ich selbst als Unterschichtenkind gegenüber einer Friede Springer bitte als zu behebenden Misstand zu begreifen habe. Auch wenn natürlich nicht alle Männer es leicht haben, aber alle Männer haben es im Vergleich zu allen Frauen schon leichter, deswegen sollte Mann auch nicht jammern, wohl aber “gefühlvolller” oder “alternativer” werden.

    Erkläre mir man, wie das gehen soll. Entweder muss man sich die Klagen der gefühlvolleren Männer ohne Spott anhören (“jammern”) , oder man halte bitte einfach den Rand in diesen Dingen. Beides gleichzeitig geht nicht. Männer klagen vielleicht anders als Frauen? Wenn eine männliche Klage als jammern durchgeht, dann ist es keine Empathie, die da lacht, sondern deren Gegenteil. Und dann kann ich auch männlich bleiben, das ist immerhin weniger demütigend, und zwar in der Masse.

  21. Vielen Dank fuer Deinen Text. Und ohne jedes Aber.
    Vor allem
    “[…] kein Mann kann für sich die Individualebene einfordern, wenn er gleichzeitig von Frauen die Populationebene verlangt. Entweder wir reden über Populationsgrößen oder nicht, aber nicht mal so und mal so” saehe ich gern in diesen Postkartenstaendern aller einschlaegigen Berliner Hipstercafes.

    Nur zwei Anmerkungen (von jemandem, der seine ganze Schulzeit lang auch im Marxismus geschult wurde):
    a) In Deiner (BTW sehr schoenen) Erkaerung, was eigentlich Androzentrismus ist, schreibst Du am Anfang:
    “Es geht zum einen um die Zeugung und Versorgung von Kindern und zum anderen um das Erwirtschaften und die Mehrung von Besitz durch produktive Lohnarbeit, weil Besitz Status bedeutet.”
    Bei Marx ist das Reproduktion vs. Produktion (erweiterte Reproduktion, also die Idee, mehr zu haben als nur das, was fuer die Reprouktion des Einzelnen fuer diesen tag noetig ist – der Spatz frisst so viel, wie er heute braucht und muss morgen wieder fressen, das Eichhoernchen kann durch Fleiss Vorraete anhaeufen und dann im Winter freimachen).
    Das Begriffspaar Produktion Reproduktion hat (IMHO) den Charme, dass instant klar ist, dass beide notwendig sind (natuerlich nicht notwendigerweise fuer das Individuum, aber eben fuer die Population).

    b) Du schreibst am Ende Deines Textes:
    “Man könnte doch mal aufstehen und sich fragen, wie wir diesen ganzen Menschenhaufen anders denken können. Welche Werte außer Produktionsarbeit noch das Herzstück der Zivilisation bilden können. Woran wir den Wert eines Menschen noch messen können außer an seiner Produktionsfähigkeit. So und nur so kann eine Welt entstehen, in der Frauen und Männer unterschiedlich sein können, ohne dass ein Geschlecht dabei dem anderen untergeordnet wird.”
    Vollstaendig d’accord. Die Konsequenz daraus ist – oder waere – aber eben das Infragestellen der gesamten kapitalistischen Veerwertungslogik. Und gerade vor der schrecken viele der “Reformisten” zurueck, sie moechten innerhalb eines Systems, dessen Grundprinzip die gnadenlose Konkurrenz und der Sozialdarwinisimus ist, kleine Aenderungen vornehmen – eine neue Schreibweise hier, drei vorstandsposten dort – aber sie druecken sich davor, die Systemfrage zu stellen.

    • “Die Konsequenz daraus ist – oder waere – aber eben das Infragestellen der gesamten kapitalistischen Veerwertungslogik.”
      Vollkommen richtig. Der Kapitalismus, also das systemgewordene Streben nach immer mehr Besitz, führt nach meiner Ansicht automatisch zu den ausbeuterischen, ungerechten und gnadenlosen Strukturen. Ich glaube nicht, dass man innerhalb des Kapitalismus, in dem vor allem der Stärkere und Rücksichtslose gewinnt, wirkliche Gerechtigkeit herstellen kann. Genauso wie man Zwangsarbeit oder Sklaverei nicht gerecht gestalten kann, weil der Grundaufbau des Systems schon ein falscher ist.

    • Dass “die Systemfrage” zu wenig gestellt wird, ist m.E. nicht Folge mangelnden Muts, sondern es fehlt an einer vorstellbaren Alternative, die das leistet, was die meisten doch am “System” schätzen:

      -> prompte Versorgung mit immer wieder neuen Produkten
      (sofern man sie bezahlen kann)

      -> Freiheit zur ökonomischen Eigeninitiative
      (Eintritt in den Markt mit eigenen Produkten oder Dienstleistungen,
      Bewegungsfreiheit bei der Arbeitssuche)

      -> den Markt an sich – wer würde schon Planwirtschaft wollen?

      • Sorry, aber “die meisten” ist eine Einschaetzung, die so wohl nur fuer den westeuropaeisch/nordamerikanischen Raum gilt.
        “Die meisten” haben weder die Bewegungsfreiheit noch die Moeglichkeiten, all diese neuen Produkte zu kaufen – von all dem, was “uns” so selbstverstaendlich ist, dass Du es nicht mal erwaehnst – Krankenversicherung, sauberes Trinkwasser, relativer Frieden – mal ganz abgesehen.
        “Wir” hier sind lediglich die Profiteure, unsere Rechnung wird vom Rest der Welt bezahlt.
        YMMV

        • Ich denke, Claudia meint eher, dass die meisten immer noch an die große Kapitalismuslüge glaube, irgendwann Wohlstand erreichen zu können. Die Hoffnung ist ja bisweilen etwas Wunderbares, führt an anderen Stellen aber auch dazu, dass Menschen an unerträglichen Zuständen festhalten. Gerade die Abgehängten, die Frustrierten, die von der Globalisierung Zurückgelassenen hängen sich ja auch deshalb an populistische Führer, weil sie glauben, das wirtschaftliche Elysium, das ihnen die Werbung täglich verspricht, doch noch erreichen zu können.
          Und wer so an das kapitalistische Grundversprechen glaubt, der bastelt nicht an einem alternativen Gesellschaftskonzept.

        • Mein “die meisten” bezog sich tatsächlich auf uns Menschen im “westeuropaeisch/nordamerikanischen Raum”. Zumindest alle, die sich politisch links verorten sind doch seit jeher jene, von denen man alternative Konzepte erwartet. Sehr Ihr da irgendwo etwas?

          Meike hat m.E. recht mit dem Prinzip Hoffnung, das vermutlich viele weltweit inspiriert. Es ist allerdings stark mit dem systemimmanenten Wachstumszwang verbunden, denn nur wo Wachstum prinzipiell möglich ist, gibt es Hoffnung für die Armen und Marginalisierten, irgendwann doch am Reichtum teilzuhaben (und in manchen ehemals extrem armen Staaten tritt das sogar ein, in China und Indien gibt es jetzt eine Mittelschicht…).

          Dass der Kapitalismus viel Elend und Ungerechtigkeit produziert, bestreitet wohl niemand. Aber eine wirkliche Systemalternative, die über “Reformismus” hinaus ginge – wer eine sieht, die auch umsetzbar ist, möge doch bitte darüber bloggen!

          • Ich glaube nicht daran, dass sich dieses Wachstumversprechen tatsaechlich einhalten laesst -jedenfalls nicht auf dem westeuropaeischen Standard.
            Im Gegenteil: ich bin davon ueberzeugt, dass das eine Art Mantra ist, eine Selbstbeschwichtigung, mit der “wir” rechtfertign, dass “wir” unseren Lebensstil einfach weiterleben(und ich nehme mich da nicht aus, auch ich geniesse die Vorteile, die ich darasu ziehe, dass ich auf dieser Seite der globalen Reichtumsschere bin).
            Drei Millarden Autos – siemeb Millarden Menschen mit dem ressourcenhunger, den Westeuropa an den Tag legt? Das halte ich fuer einfach nicht machbar. Und unter den kapitalistischen Spielregeln der Gewinnmaximierung und Kapitalakkumulation kann das auch gar nicht funktionieren – jedenfalls nicht fuer alle.

            Das Problem mit Systemalternativen sehe ich eher darin, dass bereits die Idde, es koenne Alternativen geben, im politischen Diskurs als toxisch gilt. Der Vorwurf, Sozialismus und/oder Planwirtschaft zu predigen, ist in diesem Land immer noch toedlich – obwohl mehr als die Haelfte der Bevoelkerung davon profitieren wuerde (naemlich mindestens die besitzlose Haelfte).
            Dabei halte ich dieses Thema noch gar nicht fuer abgeschlossen.

          • Ja, mich schmerzt es auch immer wieder zu sehen, dass den Leuten als Gegenentwurf zu Kapitalismus immer nur Kommunismus (also Verstaatlichung des Besitzes) einfällt. Dabei sollte die Geschichte doch deutlich gezeigt haben, dass Kommunismus einfach nicht funktioniert, weil Geld alle korrumpiert, auch die Sozialisten. Kommunistische Länder sind fast alle bei einer reichen, gut versorgten Regierungselite und einer bettelarmen Landbevölkerung gelandet. Solange es Geld gibt, solange es Staatsstrukturen gibt, in denen wenige über viele herrschen (und das sind unabhängig von der Staatsform alle), solange wird es auch rücksichtslose Bereicherung einiger und gnadenlose Ausbeutung anderer geben.

            Ich habe selbst keine konkrete Idee, wir kennen halt nur diese eine Zivilisation und es ist wirklich schwer, die Welt ganz neu zu denken. Diffus kreisen meine Gedanken um eine Welt ohne Geld, in denen Waren und Dienstleistungen wieder direkt gegeneinander getauscht werden werden, ohne dass sie durch Geld einen künstlichen Wert erhalten. Aber genau greifen kann ich das bis jetzt noch nicht. Ich wünsche mir im Moment aber auch noch keine fix und fertigen Lösungen, sondern erstmal, dass eine Debatte beginnt, dass die Menschen gemeinsam darüber nachdenken, wie die Zivilisation von morgen aussehen könnte.

          • Interessanter Weise schwindet die Bedeutung des westeuropäischen und nordamerikanischen Raums immer mehr.
            Indien und China haben nicht nur schon eine Mittelschicht, sondern die Mittelschicht der Entwicklungsländer ist bereits größer als die von Europa und Nordamerika zusammen genommen. Im allgemeinen sieht man überall auf der Welt wie das globale Wachstum praktisch wöchentlich hunderttausende Menschen aus der Armut holt.
            Haben im Jahre 1900 noch zwei Drittel aller Menschen auf der Welt in extremer Armut gelebt, so waren es 1990 nur noch ein Drittel, aktuell reden wir von nur noch um die 10% !
            Und das passiert eben nicht nur in Indien und China sondern weltweit.
            Afrika ist aktuell der Kontinent mit dem größten Wirtschaftswachstum (vergleichbar mit China und Indien in den 1980ern) in 20 Jahren wird es dort mehr reiche Menschen geben als in der EU.
            (siehe -> https://ourworldindata.org/extreme-poverty/ )

            Aber eigentlich ist das ein ganz anderes Thema.

  22. Ich habe gerade 30 Minuten an einem Kommentar geschrieben, der im digitalen Nirvana verschwunden ist, weil Windows ohne Vorwarnung neu starten wollte.Vielleicht komme ich nochmal dazu, ihn erneut zu schreiben. Wenn nicht, danke für den durchdachten Beitrag. Was wäre das Internet doch, wenn alles so wären.

  23. Erstmal der erste unaufgeregte Artikel den ich bisher zum Thema gelesen habe. Ich hatte mich auch über den Unterschied von medialer Rezeption und dem tatsächlichen Inhalt gewundert.

    Vielleicht noch zwei Hinweise:
    Was vielleicht nicht ganz in der Besprechung gewürdigt wurde, ist dass das Ziel des Google Memos auch das Aufzeigen des Widerspruchs von Frauenförderungsmaßnahmen und dem Unternehmensziel ein möglichst effektives und effizientes (gewinnbringendes) Unternehmen zu betreiben. Das hat erstmal nichts mit “Androzentrismus” zu tun, sondern lediglich mit der Frage, wie überlebt das Unternehmen auch langfristig und welchen Beitrag kann höhere Diversität leisten und welche Gefahren bringen “fehlgeleitete” Maßnahmen diese höhere Diversität zu erzwingen. Ein Großteil des Memos erschließt sich ausschließlich vor diesem Hintergrund.

    Ein zweiter Punkt ist, dass falls wir tatsächlich davon ausgehen müssen, dass es zwei Bevölkerungsgruppen gibt, die sich in den Eigenschaften Statusgetrieben und auf Ausgleich bedacht unterscheiden, dann gibt es kein einziges nicht auf Zwang basiertes Geselslchaftssystem welches verhindern kann, dass alles was einen gesellschaftlichen hohen Status hat, von der einen Gruppe mehrheitlich angestrebt wird und alles bei dem der Status eher sekundär ist von der zweiten Gruppe angestrebt wird.
    Die Gruppe die auf Ausgleich aber nicht auf Status bedacht ist, wird es im heraus gezoomten Bild immer als unfair empfinden, dass die Verteilung der Jobs nach Status unausgeglichen ist, aber auf individueller Ebene eben den Jobstatus als unbedeutend empfinden. Während die Gruppe die individuell dem Status hinterher jagt, auf der Makro-Ebene Ungleichheiten eher als normal ansieht.

    Dass diese Verteilungen und der Status keine festen historischen Größen sind, kann man sehr gut an den Berufen Lehrer und Arzt sehen, die als sie hohen gesellschaftlichen Status hatten typische Männerberufe waren und die als sie den Status verloren haben, zu Frauenberufen wurden.
    So ist übrigens auch ein Teil des Rückgang der Frauen im IT Bereich erklärbar. Die IT Berufe haben in den vergangenen Jahrzehnten an Bedeutung und Status gewonnen und entsprechend ist der Frauenanteil gesunken.

    Wenn wir also wollen, dass sich die beiden Gruppen in ihre Häufigkeit in Berufen mit Macht, Reichtum und Ansehen angleichen, dann muss sich zu allererst der Antrieb diese Werte als Maßstab für die Berufsauswahl zu nutzen angeglichen werden.

    • Persönlich glaube ich gar nicht, dass die Welt erst dann gerecht ist, wenn alle Branchen und alle Gewerke genau gleich auf beide Geschlechter aufgeteilt sind. Ich kann noch nicht genau den Finger drauflegen, aber in meiner Empfindung bestätigt dieses Streben aller nach den “männlichen” Berufen wieder die Prämisse, dass männliche Arbeit geiler ist als weibliche. Ich hoffe, es wird klar, wie ich das meine.
      Mir schwebt eben eine Welt vor, in der Frauen (und alle, die darin Erfüllung finden) traditionelle Frauenarbeiten machen können, ohne dass das zugleich einem Absinken des Respekts führt. Warum bekommt ein Mensch, der sich der Kindererziehung oder der Pflege von Menschen widmet, denn weniger gesellschaftliches Ansehen als einer, der “Geld verdient”? Da stimmt doch was nicht!
      Es geht mir also nicht vorrangig darum, ob Frauen in Vorstandsjobs sitzen, sondern um eine allgemeine Aufwertung klassisch weiblicher Arbeit.

      • “Es geht mir also nicht vorrangig darum, ob Frauen in Vorstandsjobs sitzen, sondern um eine allgemeine Aufwertung klassisch weiblicher Arbeit.”

        Ich wollte darauf hinweisen, dass höchstwahrscheinlich hier Ursache und Wírkung vertauscht sind.

        Es werden nicht “Frauenberufe” abgewertet, sondern umgekehrt, werden von Männern die nach Status streben, eben die Berufe “gekapert”, die am meisten Respekt und Wertigkeit in der Gesellschaft besitzen. In dem Moment in dem Kindererziehung einen gesellschaftlichen hohen Wert bekommt, wird es ein typischer Männerberuf werden und in dem Moment in dem ein Konzernvorstand im wesentlichen kaum Macht oder Respekt bekommt und zu einem reinen gesichtslosen Verwaltungsjob wird, wird der Frauenanteil steigen.

        Ein schönes Beispiel hierfür ist auch das Kochen.
        Zwar ist “Frau am Herd” ein typisches Klischee, aber nicht dort wo man Anerkennung und Ansehen gewinnt. Praktisch alle berühmten Sterneköche sind Männer und Chefkoch ist ein typischer Männerberuf, obwohl wohl 90% aller Menschen die täglich kochen Frauen sind.

        Also nicht die Tätigkeit an sich ist “typisch Frau” oder “typisch Mann” sondern die Frage ob diese Tätigkeit Ansehen genießt oder nicht.

        Und deshalb gerät man in einen diabolischen Zirkel, denn Ansehen und Status für einen traditionellen Frauenberuf zu fordern bedeutet in der Umsetzung, dass bald kaum eine Frau diesen Beruf mehr ausüben wird. Diesen Widerspruch gilt es aufzulösen.

        • Hm, Männer haben sich ja vor 6000 Jahren nicht deshalb nicht an der Kinderversorgung beteiligt, weil es da keinen Blumentopf zu gewinnen gab, sondern weil die Frau, wie die Weibchen aller SÄUGEtiere, schlicht unersetzlich war. Man darf sich das nicht wie heute vorstellen, wo viele Aspekte der Kinderversorgung sich geändert haben. Früher (und in manchen Naturvölkern auch heute noch) haben Frauen die Kinder über Jahre gestillt, nicht nur einige Monate oder sogar nur Wochen wie das viele Frauen heute tun. Ein Kind auszutragen, zu gebären und anschließend durch die kritische Phase zu bringen, konnte nur die Mutter tun.
          Die Arbeitsteilung zwischen Mann und Frau entstand also an den natürlichen Anforderungen entlang und nicht, weil das irgendjemand bewusst so entschieden hat. Die Suche nach dem Beginn von allem endet ziemlich schnell in einer Welt, in der Frauen die Kinder stillen müssen, in der es keine Tagesmütter, keine Ersatzmilch, kein Hipp und Alete gibt, keine Option, die Kinderversrogung abzugeben – also bei den physischen Limitierungen. Die Abwertung von Frauen, die ja “nur” die Kindererziehung/-versorgung machen, während der Mann “richtiger” Arbeit nachgeht, dürfte eher die Folge gewesen sein.

          • Ich denke es gibt zwei unterschiedliche Fälle die man getrennt betrachten muss.
            Zum einen die physischen Zwänge und zum anderen die psychischen Präferenzen.

            Wenn wir von Gebären und Stillen reden sind wir bei den physischen Zwängen. Das ist die Kausalität hinter bestimmten “Traditionen” die einer Frau zumindest das erste Jahr in die Kindererziehung “zwingt”(obwohl historisch gesehen die Mutter hier die alleinige Last erst seit den 1950ern trägt). So wie bei den ganzen gefährlichen und körperlichen Jobs die reine physische Statur die Männer diese Jobs übernehmen ließe.

            Das ist vielleicht die Geschichte hinter der Verteilung vieler Jobs.
            Aber bei 90% aller heutigen Jobs gibt es inzwischen diese physischen Zwänge nicht mehr. Man kann sogar sagen, dass bei über 99% aller Jobs keinerlei mit Frühzeitlichen oder Naturvölkern vergleichbaren Bedingungen mehr vorliegen.

            Die Theorie der Urzeitlich für immer festgelegten Arbeitsteilung zwischen Mann und Frau kann nicht erklären warum z.B. bei Arzt, Lehrer und Programmierer (inzwischen auch Mathematiker) sich die männliche und weibliche Präferenz jeweils dem aktuellen Statusempfinden folgend komplett umgedreht haben.

            Und das ist doch eigentlich eine gute Nachricht! Fast jeder Beruf könnte sich innerhalb von einer Generation von einem Männerberuf zu einem Frauenberuf entwickeln und umgekehrt. Nichts ist festgelegt.

          • Ein Zitat aus: MICHAEL GRONEBERG «Bullenmänner»
            Zur Biologisierung männlichen Begehrens*

            “Es braucht keine Conquistadoren mehr, die aussegeln oder Cowboy-
            Helden, die nach Westen reiten, auf der Suche nach neuen Schätzen oder einer besseren Welt. Der Pazifik war Endstation für des westlichen Menschen Sehnsucht und Expansionsdrang und er baute sich Hollywood genau an diesem Ort. Er hat den Grenzgang im Western fort gesponnen, dann den Blick nach oben gerichtet, auf den Mond und geschafft, auch darauf einen Fuss zu setzen. Letztlich blieb ihm von extraterrestrischen Welten nur der Traum, während der sehnsüchtig-begehrliche Blick, der nur lebbare Welten mag, zurück sich bog auf den Planeten und diesen als seine Welt erfasste – und die Eroberungen zwangsläufig hier fortzusetzen sucht. Die Menschheit
            hat insofern auf sich reflektiert, doch real, nicht nur im Geiste. Sie ist auf sich zurückgeworfen durch die Grenzen der Erde, ohne Ventil. Es gibt kein erreichbares Draussen mehr. Gesellschaften funktionieren womöglich nie mehr wie bisher, weil es keine Ausflucht mehr gibt. Die Limitation und Erschlossenheit der Welt in Realität und Geist sowie die Säkularisierung des Geistes wirkt auf die Geschlechtertopologie zurück.

            Ohne Transzendenz, ohne ein Draussen, in das das phallische Alphatier erobernd vorstossen könnte, ist alles zum Drinnen geworden, zu ihrem Reich: Die Erde ist nicht mehr zu unterwerfen, sie ist unsere Behausung und als solche Domäne des häuslichen Beta. Die Verteilung der Aufgaben, die dem Mann die schizoide Rolle zudachte, der kontrollierte Raging Bull zu sein, wurde obsolet. Immanenz des Geistes und Geschlossenheit der Welt erklären nicht nur die wachsende Macht der Frauen, sondern auch das Ende
            der vektoriellen Männlichkeit. Der Mann wird sich langfristig in eine
            Existenz einfinden müssen, die nicht mehr auf der Trennung des Drinnen und des Draussen beruht, wo Gewalt und Aggression von ihm erwartet werden, die er manchmal austoben darf, aber im Prinzip beherrschen können muss, vor allem zu Hause. Das Kastrationsparadigma wirkt zwar noch fort, auch aufgrund der positiven Besetzung der Wildheit, doch erweist es sich wie das topologische Geschlechtermodell als Kulturprodukt, das unzeitgemäss und daher besser der Erinnerung zu übergeben ist.”

            Das Problem entsteht hier vor allem wenn eine vor allem ökonomische Betrachtung das Sexuelle ausblendet, ganz egal, wie die gegenseitige Beeinflussung von Biologie und Soziologie konkret funktioniert. Eben weil weibliches Begehren männliches Verhalten beeinflusst, und umgekehrt.

            Was die Frage des Respekts angeht, wird nicht selten immer noch als dem Weiblichen tendenziell inhärent angesehen, während das Männliche eben performativ ist. Und *da* wird eine Öffnung der Rollen eben schwierig, wenn eben die Performance, der gesellschaftliche Status, nur für *eine Gruppe* als wesentliches Kriterium für den persönlichen Wert auf auf dem reproduktiven “Markt” angesehen wird.

            Das ist natürlich nichts, was ewig so bleiben muß, und vermutlich hat sich da auch eine Menge verändert in den letzten 100 Jahren. Aber es stimmt wohl immer noch, daß Menschen nachts im Bett Dinge tun, gegen die sie tagsüber demonstrieren, wie Esther Perel es mal formulierte.

            Und diese Ebene wird allzu oft bei der Analyse ausgeblendet, auch kürzlich bei Julian Dörr in der SZ, vermutlich, weil die Angst besteht, hier könnten manche Gründe dafür finden, warum “Frauen besser doch zuhause bleiben sollten.”

            Das ist vielleicht verständlich. Nur war eine Verleugnung fundamentaler Einflußgrößen für das Verständnis eines Untersuchungsgegenstands noch nie von Vorteil.

            Auch hier nicht.

  24. Wundervoller Text. Ich habe etwas gelernt, wovor ich früher rat- (weil begriffslos) stand: “Alles um uns her ist zum Großteil immer noch die von Männern für Männer gemachte Zivilisation und wir betrachten alles durch diesen androzentrischen Filter. “

  25. Diese differenzierte Herangehensweise ist viel besser als so ziemlich alles, was ich bis dato dazu gelesen habe.
    Das einzige, was ich etwas anders sehe, ist der Punkt Empathie/Emotionalität. Erstens: gibt es einen allgemein anerkannten Empathietest? Wenn ja, gibt es Untersuchungen, ob Frauen dabei besser abschneiden als Männer? Wenn nicht, ist das nämlich reines Klischee und Vorurteil, Empathie als “weiblich” zu leveln.
    Weiterhin, und da hat er wieder Recht, Empathie hilft sehr in der Politik, im Verkauf oder wenn man viel mit unterschiedlichen Menschen zu tun hat, aber beim Programmieren wohl eher nicht.
    Und außerdem sind weder empathische noch emotionale Menschen notwendigerweise die besseren Menschen. Emotionale Menschen sind auch zorniger und rachsüchtiger, und empathische wissen besser, wo man anderen weh tun kann.

    • Dem Punkt, dass Empathie nicht beim Programmieren hilft, möchte ich entschieden widersprechen.

      Das genaue Gegenteil ist der Fall: Empathie hilft bessere Software zu schreiben.

      Einerseits, weil Doftware für andere Menschen entwickelt wird, der im Zweifelsfall nicht dasselbe Bündel an Erfahrungen, Wissen, Bedürfnissen und Verhaltensweisen hat wie ich – kann ich mich gut in Menschen einfühlen, kann ich die Software besser daran ausrichten.

      Andererseits weil auch der Code ein Mittel der Verständigung ist: so viele Personen werden ihn später lesen. Teamkollegen, Auditoren … auch hier hilft Empathie die Intension klarer zu kommunizieren.

      Zusätzlich (!) hilft mir die Rationalität die Grenzen dieses Ansatzes zu erkennen – und deshalb meine Annahmen zu prüfen, indem ich das Feedback anderer Personen suche.

      • So gesehen hilft Empathie bei allem, aber bei manchen Berufen eben mehr und bei anderen weniger.
        Und bei einem Programm mit viel Interaktion, dass von vielen Menschen, vor allem von vielen Nicht-Programmierern verwendet werden soll, ist es sicher hilfreicher, sich in die Zielgruppe einzufühlen, als bei einem Programm, dass möglichst selbstständig laufen soll und nur von anderen Programmieren benutzt wird, die mal etwas umschreiben müssen. (Ok, bei Google hilft sie sicher mehr.)
        Das bitte im Kontrast sehen mit Berufen, wo Menschen mit anderen Menschen zu tun haben, die keine Berufskollegen sind.
        Empathie und Emotionalität sind unterschiedliche Sachen. Unter anderem scheint mir “Emotionalität” ein reines Schlagwort zu sein. Soll es z.B. heißen, dass jemand “mehr” oder “stärkere” Gefühle als andere Menschen hat, wie immer man das testen will, oder bloß, dass jemand seine Gefühle nicht so gut verstecken kann oder will? Im letzteren Fall könnte “mehr Emotionalität” bei Frauen einfach heißen, dass Emotionen bei Männern stärker verpönt sind, und dann ist das Klischee einfach eine selbsterfüllende Prophezeiung.

        @ Cero: ich bezog mich auf den Satz “emotional unbeteiligt sein hilft…”. Prinzipiell würde ich dem zustimmen, aber warum sollten Männer weniger emotional beteiligt sein als andere Menschen? Beleg erforderlich.
        Danke für den Link, aber Empathie ist auch nicht dasselbe wie Hilfsbereitschaft, deshalb kann ein Mehr an Hilfsbereitschaft kein mehr an Empathie belegen. Man braucht z.B. nicht viel Empathie, um zu erkennen, dass Menschen, die an Hunger oder Krankheit leiden, leiden. Umgekehrt kann es noch andere Faktoren geben, die die Hilfsbereitschaft eines Menschen negativ beeinflussen. Z.B. negative Vorbilder, Geschlechterstereotypen (selbsterfüllende Prophezeiung), schlechte Erfahrungen, usw. …

        Auf die Google-Diskussion übertragen: Wäre die größere Hilfsbereitschaft von Frauen ein Vorteil für die Firma, weil sie das Betriebsklima und den Teamgeist verbessert, oder ein Nachteil, weil Google keine Gemeinnützige Organisation ist?

        • @Mycroft:

          “aber warum sollten Männer weniger emotional beteiligt sein als andere Menschen?”

          Hat doch nie jemand behauptet, oder? Es ging um Empathie. Und dort ist die Studienlage eben ganz gut.

          “Empathie ist auch nicht dasselbe wie Hilfsbereitschaft, deshalb kann ein Mehr an Hilfsbereitschaft kein mehr an Empathie belegen”

          Hat auch nie jemand behauptet. In dem Artikel geht es darum, dass ein mehr an Empathie auch ein mehr an Hilfsbereitschaft zur Folge hat, nicht andersrum.

          “Wäre die größere Hilfsbereitschaft von Frauen ein Vorteil für die Firma, weil sie das Betriebsklima und den Teamgeist verbessert, oder ein Nachteil, weil Google keine Gemeinnützige Organisation ist?”

          Darum ging es nirgends in dem Google-Memo. Der Autor hat nie behauptet, dass Empathie irgendeinen Einfluss darauf hat, wie geeignet man für Google ist.

    • Und noch eine Anmerkung: Empathie und Emotionalität sind keine Synonyme.

      Wenn ich emotional bin, werde ich *vielleicht* eher wütend, aber Empathie heisst viel mehr, dass ich mich besser in Andere versetzen, also u.a deren Emotionen bzw. Reaktionen besser einschätzen kann.

    • Die Studienlage zu Geschlechtsunterschieden bei Empathie scheint wohl ganz gut zu sein. http://socialpsychonline.com/2016/04/gender-and-empathy-charity-psychology/

      Natürlich sind das, wie immer, nur statistische Unterschiede auf Populationsebene.

      Allerdings glaube ich nicht, dass der Autor irgendwo implizieren wollte, dass Frauen weniger mitdiskutieren sollten, weil sie empathischer sind (das wäre auch wieder ein unzulässiger Schluss von Populations- auf Individualebene).

      Der Teil über Emotionalität in Debatten war, wie ich ihn verstanden habe, vollkommen genderunabhängig.

  26. Ganz kurz: Das ist das Beste, was ich seit Ewigkeiten gelesen habe. Könnte man in Thesen an Kirchentüren nageln. Bin einfach nur platt und überlege mal, ob ich das ein bisschen verbreiten kann über die SteadyNews. Danke ❤️

  27. Zunächst danke für Einführung und Begründung des Begriffs „androzentriert“ – er hat tatsächlich meinen Horizont erweitert. Kein alltägliches Erlebnis.

    Das heißt aber nicht volle Zustimmung. An einigen Stellen regt sich mein Widerspruchsgeist. Aber erst mal muss ich das Neue sacken lassen.

    Vielleicht später mehr.

  28. Zum Thema Androzentrismus: Sesshaftigkeit → Arbeitsteilung: Innenwelt, Frau – Außenwelt, Mann → 6000 Jahre → Geburtenkontrolle → Frau erobert die Außenwelt. (Ergänzung von mir: Erfindung des Privateigentums zeitlich um die Sesshaftigkeit herum).

    Nun also die Außenwelt sei, sagst du, auf die Männer zugeschnitten. In einer Hinsicht ist die Gestaltungsfreiheit der Männer stark begrenzt: nämlich sie müssen essen. Es gibt in der Welt dort draußen äußere, also objektive, Bedingungen mit Naturcharakter. Was die Männer gestalten konnten, beschränkt sich auf die Strategie. Nicht auf das Ziel (das „Durchkommen“, Überleben)!

    Angenomme, die Damen hätten – bei gleicher körperlicher Ausstattung und Hormonlage – 6000 Jahre Zeit gehabt, die harte Außenwelt zu meistern: sie hätten sich den selben Notwendigkeiten beugen müssen. Wäre ihre Strategie „weiblicher“ ausgefallen? Gute Frage.

    Der Ansatz des Androzentrismus ist zu interessant, als dass er nur geglaubt werden dürfte: er muss weiter entwickelt werden. Hier wird es von meiner Seite leider schwammig. Die Außenwelt ist nämlich durch Forschung und Technik auch einfacher, leichter, weniger hart geworden. Beispielsweise sind Hungerrevolten heute undenkbar – wie sie zu Zeiten Gutenbergs in Mainz noch stattfanden!

    Hat die Frau mit Betreten der Außenwelt diese nicht bereits verändert? In einer Hinsicht sind Männer und Frauen unschlagbar gut: sie ergänzen sich perfekt. Durch 6000 Jahre Arbeitsteilung. Keine triviale Leistung! Was spricht dagegen, diese Arbeitsteilung in der Außenwelt zu perfektionieren?

    Eine solche Arbeitsteilung sehen wir in geschlechtsdominierten Branchen (Dachdecker: Männer, Pflegebereich: Frauen). Dass die Frauen dabei den kürzeren ziehen, liegt doch ausschließlich an den Branchentarifen – sie leiden doch nicht an ihrer Arbeit, sondern haben Lust am Umgang mit Menschen. Und ihre gesellschaftliche Bedeutung fällt in dem Moment auf, wenn sie fehlen. – Mein Vorschlag, gewerkschaftskonform: Tarife neu aushandeln!

    War das jetzt reaktionär von mir?

  29. Es ist wirklich sehr vielsagend, dass viele Männer den oberen Teil des Textes bejahen (Populationssicht ist toll, wenn man Ende naturgegebene Geschlechtsunterschiede dabei herauskommen) und den unteren als ideologisch ablehnen (Populationssicht ist nicht toll, wo aus den Unterschieden gesellschaftliche Muster resultieren, von denen der Mann stärker profitiert als die Frau).
    Nochmal: entweder man betrachtet Menschengruppen im Populationsmaßstab oder man tut es nicht, aber auch Männer können nicht immer dann von der Populationssicht abweichen, wo es ihnen in den Kram passt.

    • Ich versuche, das „Vielsagende“ auf meinen Kommentar anzuwenden, schaffe es aber irgendwie nicht. (Natürlich könnte ich einem verlockenden Denkmuster auf den Leim gehen. Aber an welcher Stelle habe ich die Populationssicht verlassen?)

      • Gar nicht, nur ein Missverständnis. Mein Kommentar war gar keine Antwort auf Ihren Kommentar, sondern eher eine allgemeine Anmerkung, weil ich immer wieder gesehen habe, dass überwiegend Männer ihn im unteren Teil “ideologisch gefärbt” fanden.

    • Mir ist nicht klar, was diese Bemerkung zur Populationsperspektive und Individualperspektive aussagen soll.
      Ich sehe auch keinen diesbezüglichen Widerspruch in Damores Text, er argumentiert vielmehr konsequent aus einer individuellen Perspektive: Jeder Einzelne, jedes Individuum soll nach den eigenen Interessen und Fähigkeiten beispielsweise einen technischen Beruf ergreifen können. Dann ist es bloße Statistik, dass bei durchschnittlichen Unterschieden dieser Eigenschaften zwischen Männern und Frauen eine ungleiche Verteilung auf verschiedene Berufsfelder resultiert.

      Da liegt auch mein Problem mit dem häufig verwendeten Begriff der strukturellen Diskriminierung: Angenommen, die Arbeitswelt (im Allgemeinen oder in einem speziellen Unternehmen) ist so strukturiert, dass zum Beispiel die bei Männern durchschnittlich stärker ausgeprägte Durchsetzungsfähigkeit – ohne hinreichenden Sachgrund – belohnt wird. Dadurch haben wohl viele Frauen Nachteile, aber nicht alle Frauen und zudem auch die wenig durchsetzungsfähigen Männer.
      Einem einzelnen Mann nützt es dabei nichts, wenn die meisten Männer gut mit den Bedingungen zurechtkommen. Warum ein Mann, der die von der Struktur so begünstigten Eigenschaften nicht aufweist, angeblich keine strukturelle Diskriminierung erfährt, leuchtet mir nicht ein.

      Und dazu möchte ich nicht die Erklärung hören, dass der Mann ja nicht “als Mann” diskriminiert werde: Wenn die Benachteiligung nicht an eine bestimmte Gruppenzugehörigkeit selbst anknüpft (Paradebeispiel dafür ist gerade eine Geschlechterquote), wird niemand als Mitglied dieser Gruppe benachteiligt, sondern in meinem Beispiel etwa nur als Mitglied der Gruppe der Durchsetzungsschwachen.

      Die Darstellung einer strukturellen Diskriminierung bestimmter Gruppen (darunter eigentlich niemals die Männer) als angeblich besonders schlimmes Problem scheint mir auf einer (asymmetrischen) Vorstellung von Kollektivgerechtigkeit zu gründen. Dieses Konzept lehne ich grundsätzlich ab und es ist mein Hauptproblem mit der politischen Haltung linker Parteien heute.


      Zum Thema Produktion/Reproduktion noch eine Anmerkung: Nicht nur ist ein gewisses Maß an Produktion unerlässlich für die Fortpflanzung und das Überleben der Nachkommen; auch der Status – sei es aufgrund von Besitz, Fähigkeiten, Macht und Einfluss oder anderen Quellen gesellschaftlichen Ansehens – ist nicht unabhängig von der Reproduktion zu betrachten, denn er hängt für Männer eng mit der Chance auf und Anzahl von Nachkommen zusammen.
      Ob es in anders, etwa matriarchalisch strukturierten Gesellschaften auch statusferne Partnerwahlkriterien von Frauen gibt, würde mich durchaus interessieren.

    • Die Frage ist nicht, ob Populationssicht “toll” ist oder nicht, sondern wie und wann man sie anwendet. Statistische Unterschiede (nichts anderes ist imho das, was Du “Populationssicht” nennst) sind erst einmal eine Tatsache, die man hinnehmen muss, ob man sie toll findet oder nicht. Die Frage ist, ob diese statistischen Unterschiede individuelle Ungerechtigkeiten rechtfertigt, und das ist imho definitv nicht der Fall.

      Wenn z. B. Frauen strukturell benachteiligt sind, weil sie z. B. häufiger Karriereunterbrechungen wegen Kinderbetreuung in Kauf nehmen, rechtfertig das eine Förderung von Menschen mit Karriereunterbrechungen, aber niemals eine Förderung von Frauen. Durch eine undifferenzierte Frauenquote leiden nicht nur Männer mit ähnlichen Karriereunterbrechungen, sondern im Endeffekt auch gerade diejenigen Frauen, die die eigentliche Benachteiligung erfahren. Den Job bekommt nämlich natürlich nicht die Teilzeitarbeiterin mit 2 Kindern, sondern eine – wahrscheinlich von Headhuntern abgeworbene – Expertin, die genau denselben Lebenslauf hat wie ihre männlichen Kollegen (außer, dass sie dank Frauenquote mit geringerer Qualifikation denselben Job bekommt). Menschen, die nicht 100% ins kapitalistische Schema passen – egal ob männlich oder weiblich -, dürfen sich dann anschließend anhören, wie toll frauenfördernd das Auswahlverfahren doch war. Wenn dagegen gezielt z. B. eine Teilzeitquote für Vorstände gefordert würde, um der kapitalistischen 24/7-im-Job-Mentalität entgegenzuwirken, würden wahrscheinlich automatisch größtenteils Frauen davon profitieren und vielleicht sogar gleichzeitig ein echter Mentalitätswandel stattfinden.

      • Persönlich halte ich strukturelle Veränderungen, die das bisherige “Leistung bis zum Umfallen”-Prinzip ändern, auch für besser. Ich schrieb ja auch im Text, dass nicht nur Frauen durch das männliche Leistungsideal abgehängt werden, sondern auch alle anderen (z.B. Alte, Menschen mit Behinderungen oder psychischen Erkrankungen usw.). Das System schließt alle aus, deren Leistungsfähigkeit durch welche Gründe auch immer eingeschränkt ist.
        Ich habe immer gesagt, dass ein Feminismus, der alles daran setzt, Frauen in männliche Strukturen zu bringen, und wenig daran, dass männliche Strukturen abgeschafft werden, irgendwie gut gemeint, aber leicht am Thema vorbei ist. Es ging mir auch nicht darum zu sagen, dass die Quote toll ist, es ging mir nur darum zu sagen, warum sie nicht Diskriminierung ist. Solange die Strukturen eher auf Männer zugeschnitten sind, und das sind sie, wird keine systematische und strukturelle Benachteiligung aufgrund ihres Geschlechtes aus einer Stellenanzeige, in der eine Frau bevorzugt eingestellt wird. Und damit schließe ich das Gehakel um den Abschnitt auch wieder.

        • Mit dem Universalbegriff „Struktur“ habe ich das Problem, dass es einfach nicht konkret genug ist. Denn Strukturen gibt es tausenderlei auf der Welt. – Aber dieser Satz ist bietet Ansatzpunkte:

          Das System schließt alle aus, deren Leistungsfähigkeit durch welche Gründe auch immer eingeschränkt ist.

          Das liegt daran, dass im Kapitalismus der Mensch seine Arbeitskraft verkaufen muss, um zu essen. Er muss sich das Lebensrecht erarbeiten.

          Hubs. Jetzt hab ich das K-Wort gebracht.

        • An dieser Stelle gab es noch weitere Wortmeldungen, aber weil ich den Eindruck hatte, dass es den Autoren nicht um einen empathischen Austausch von Perspektiven oder um den Gewinn von Erkenntnissen ging, sondern nur um trotzige Rechthaberei bezüglich der feministischen Weltverschwörung gegen den Mann, habe ich sie nicht freigeschaltet.
          Ich bitte um Verständnis.

  30. Unterschiede zwischen den Geschlechtern, selbst wenn sie “universal” verbreitet sind, müssen nicht notwendigerweise “naturgegeben” sein.
    Die “klassische” Arbeitsteilung – Frauen sterben im Kindbett, Männer auf dem Schlachtfeld – ist nur zur Hälfte biologisch begründbar. Wenn eine Gesellschaft irgendwann zwischen Steinzeit und Industriezeitalter Frauen “erlaubt”, zusammen mit den Männern in den Krieg zu ziehen, hätte das die jeweilige Truppenstärke zwar locker verdoppelt, aber auch die Verluste an Frauenleben erhöht. Und populationsdynamisch gesehen erholt sich eine Population von Menschen viel schneller von Verlusten an Männerleben als an Frauenleben. Anscheinend ist der Nachteil, sich nach Konflikten sich nicht so schnell erholen zu können, größer gewesen, als der Vorteil, mehr Truppen zu haben (und weniger Leute, die sich um die Kinder kümmerten). Sonst hätte es mehr solche Gesellschaften gegeben. Das ist das eine. Das andere ist, dass es unfair gegenüber Frauen wäre, wenn sie sowohl den Tod auf dem Schlachtfeld als auch den im Kindbett riskieren müssten. Das ist also vielleicht androzentrisch, aber nicht notwendigerweise frauenfeindlich.

    Und damit mag es zu tun haben, dass Risikobereitschaft bei Männern viel eher als Tugend gilt als bei Frauen, und umgekehrt Konfliktvermeidungsstrategien bei Frauen viel seltener kritisiert werden als bei Männern. Nur: dass es unterschiedliche gesellschaftlichen Druck bei Männern und Frauen gibt, ist eigentlich auch ein Indiz, dass das genau _nicht_ naturgegeben, also angeboren, ist. Sowohl Männer als auch Frauen hätten ein Interesse daran, ihre Risikobereitschaft kontextabhängig zu machen. Nur die Population als ganze profitiert von dieser Einteilung, nicht das Individuum, und auch nicht unbedingt die Verwandtschaft des Individuums, insofern muss das ebenfalls nicht genetisch fixiert sein.

    Genderforschung an sich ist ja nicht schlecht. Und nur, weil sich etwas in der Steinzeit bewährt hat, muss man das nicht beibehalten. Aber ich habe leider den Eindruck, dass die ihr Ergebnis zumindest teilweise vorweggenommen hat: die Männer sind schuld.

    • Weniger Risikobereit? Typisch männliche Sichtweise ;-)
      “Wenn Männer Kinder kriegen müssten, dann gäbe es kaum welche” sagte meine 6fach Mutter, komplett des Radikalfeminismus unverdächtigt!

      • Ok: alle Risiken, die nichts mit Schwangerschaften zu tun haben, werden an Männer vergeben. ;-)
        Und die Risiken einer Schwangerschaft sind in unserer Industriegesellschaft deutlich geringer als in der Steinzeit.
        Und die allermeisten Frauen, die es sich aussuchen können, kriegen auch deutlich weniger als sechs Kinder, so richtig risikofreudig kommt mir das, ehrlich gesagt, nicht vor.

        Aber ansonsten haben Sie bestimmt recht.

        • Auch hier eine kurze biologische Ergänzung: es ist tatsächlich richtig, dass für Frauen bei der Fortpflanzung _grundsätzlich_ mehr auf dem Spiel steht als für den Mann. Dadurch, dass Nachwuchs bis auf wenige Ausnahmen immer in ihrem Körper heranreift, ist Fortpflanzung für sie mit viel höheren Risiken verbunden als für ihn. Was viele bei der Bewertung biologischer Grundprinzipien vergessen: wir können die meisten erst seit ganz kurzer Zeit, meist erst seit wenigen Jahrzehnten, überwinden und beeinflussen. Die Müttersterblichkeit, also der Tod von Frauen während oder kurz nach der Geburt, hat sich zwar in den letzten 30 Jahren fast halbiert, aber vorher (und heute in sehr armen Gegenden immer noch) war das Risiko, an einer Schwangerschaftskomplikation oder bei der Geburt zu sterben, für Frauen sehr hoch.
          Durch unser Ehesystem hat der Mann heute natürlich auch Verpflichtungen und muss viel arbeiten, um seinen Teil an der Kinderversorgung zu leisten, aber rein körperlich ist Fortpflanzung für Frauen das teurere Geschäft und damit auch das höhere Risiko. Und dass dieses Risiko trotz der besseren medizinischen Versorgung auch bei uns bis ins Heute hineinreicht, sieht man an der katastrophalen Lage von Alleinerziehenden, die in 9 von 10 Fällen Frauen sind. Der Vater kann gehen, er kann sich um die finanzielle Versorgung seiner Kinder drücken (nur die Hälfte der Alleinerziehenden erhält regelmäßig Unterhalt vom Kindsvater) und sich irgendwo ein neues Leben aufbauen – die alleinerziehende Mutter dagegen gerät in eine Daumenschraube aus Arbeit, Armut und Kindswohl, aus der es für sie mangels gesellschaftlicher und politischer Unterstützung keinen Ausweg gibt.

          • Ich hätte gesagt: Frauen können schwanger werden und Geschlechtskrankheiten kriegen, Männer nur Geschlechtskrankheiten. Selbst, wenn moderne Methoden beide Risiken reduzieren, sind zwei Risiken mehr als eines.

            Eine gesellschaftliche Institution, die a) den Mann dazu bringt, ein Teil des Risikos der Frau mitzutragen und b) die Übertragung von Geschlechtskrankheiten deutlich reduziert, wäre demnach auch für die Frau ein Vorteil, oder?

          • Siehe mein Kommentar weiter oben.
            Es gibt: 1. Vorteile für alle, 2. Nachteile für alle, 3. Vorteile für den einen bei gleichzeitigen Nachteilen für die andere. Natürlich soll nichts verändert werden, wovon alle profitieren. Strukturen, von denen aber nur einzelne profitieren oder die sogar auf den Nachteilen anderer beruhen, sowie Strukturen, die allen schaden, sind das, was ich zur Disposition stellen möchte. Die große Aufgabe wird sein, diese drei Bereiche voneinander abzugrenzen.

          • Ihren Kommentar habe ich gelesen, an anderer Stelle bei Ihnen klang es aber so, als ob die Ehe generell zum Nachteil von Frauen gedacht sei. Das mag irgendwo so sein, in unserer Gesellschaft ist es aber nicht so, da es einerseits Vorteile für die Frau gibt und andererseits auch keine Frau gezwungen ist, zu heiraten, wenn sie diese Vorteile nicht nicht will oder der Ansicht ist, dass ihre Vorteile ihre Nachteile im konkreten Fall nicht aufwiegen.

            In Bezug auf die Partnersuche ist die hiesige Gesellschaft bei der Frauenwahl angekommen. In anderen Bereichen mögen Frauen im Nachteil sein, aber das sind dann tatsächlich andere Bereiche.

            Ansonsten wird es immer so sein, dass “Vorteile für alle” durch Kompromisse erzeugt werden.

  31. Also 1000 Punkte!!
    Ein Stein fiel von meinem Herzen als ich deine Aufdröselung las…
    ‘wir haben ein Gehirn mit rechter und linker Hälfte, damit oben auf der Brücke differenziert, gestritten, ausgelotet werden kann’ habe ich meinem Sohn mal gesagt als er klein war…
    Und genau hier gilt: weiblich/männlich, Leib/Seele! etc
    Auf der Brücke muss Streit-Kultur geübt werden!!

  32. 1. Männer kommen aus der Täter-Sozialisation!
    Frauen aus der Opfer-Sozialisation!
    Als Frauen aus dem Opfer-sein raus wollten, weg vom bestrafenden Sklaventum, haben Männer nicht ‘flache Hand gegen den Schädel und stimmt, au mist!’ gesagt, sondern mit dem Busch’schen ‘wer nicht für mich ist gegen mich’! ‘Es darf nur einen Gott geben’ (unsere christl. abendländische Kultur;) reagiert,
    gleichzeitig saßen sie ‘auf ihren dicken Sack’ (meine Aussage: wenn wir uns bewegen, müsst ihr euch auch bewegen!) und warteten -teils hämisch grinsend ab! (Wir sind so toll, das schaffen die nie! Herrenmenschig, halt!)
    Und ‘klateradatsch’ haben Frauen doch einiges von ‘nur Männer können das!’ auch erlernt!
    Auch jetzt könnten Männer mit ‘flache Hand gegen den Schädel und stimmt, au mist!’ reagieren, aber m.E. reagieren Viele mit der Umkehrung (Geschichtsrevisionismus) : Wir sind Opfer, ihr seid Täterinnen!
    (Und schon wieder schaffen es Männer, Energie abzusaugen! Sie müssen nun getröstet werden! )
    Männer bauten für Frauen Fallen, in die sie dann selber stolpern und es dann den Frauen zum Vorwurf machen!

    2.Wie du schon sagst: ich erhöhe nur noch:
    Männer haben ab Seßhaftigkeit (Frauenunterdrückung als Bestrafung dafür?;)) ihre körperl. Überlegenheit genutzt, um Frauen und Kinder zu versklaven!

    Männer haben eine Welt ‘für Männer von Männern’ gebaut, für Männer zwischen 25 und 55, voll fit, voll mobil, ohne Familie, mit Auto!
    Also 1000% für eine MinderheitenWelt.
    Alles wird und wurde MännerbeHERRscht! Sprache, Wissenschaft, Geschichte, Geldverteilen, Ressourcenverteilen, etc pp
    Und das setzt sich immer noch fort!

    3.Da wo Männer sind ist Geld, Macht, Einfluss, SuperBoni, Wertschätzung, Auszeichnungen, selbst beim Ehrenamt bekommen Männer teilweise ganze Familieneinkommen! (Bach!)
    Da wo Frauen sind ist kaum Macht, kaum Geld, kaum Einfluss, evtl warmer Händedruck!
    Immer mehr FrauenGedöns (Schröder) wird ins Ehrenamt gedrängt ergo versklavt! während Männer immer erfinderischer werden, Mammutgelder in bullshitjobs, in ‘kreativen Berufsfeldern’ abzugreifen!
    Im FrauenGedönsbereich wird a la Patriach auf Heller und Pfennig nach- und vorgerechnet, während der Männerbereich sein Geld vom Himmel und lieben Gott bekommt! (hier Kindergärten, Sozialstationen, Tafeln dort BER, Banksterrettung, Kriegsmaschinerie)
    Überall wo das Männliche dominiert wird gewertet, Mutter Natur und Mutter/Kind hat keinen Preis am Zeh, ist also nix!
    ‘nur ne tote Mutter ist ne gute Mutter!’ denn dann taucht die ErsatzLeistung im BIP auf!

    4.noch immer gilt:
    Hinter einem starken Mann steht eine starke Frau! aber
    Hinter einer starken Frau steht niemand! Evtl neben ihr!
    Das vergessen Männer oft, wenn sie ihre Erfolge feiern, auch in den Geschichtsbüchern!
    Als Frauen aus dem Sklaventum raus wollten hätten Männer selbstbewusst sagen müssen: ich bin so stark deswegen kann ich starke Frauen!
    Stattdessen haben Männer Comics gemalt wo starke Frau wie ne Matrone aussieht und ihr Mann wie ein kleines Hutzelmännchen! (SelbstFalle!)

    5. Die männlichen Selbstparadigmen sind im letzten Jahrhundert an ihre Grenzen gestossen (weswegen evtl Frauenbewegung Luft bekam?)
    Die uralten männlichen Werte: Erobern Wegnehmen, Überfallen, Klauen, Dominieren, Versklaven, Unterwerfen (wunderbar bei den weißen USAnern abzulesen!) sind in einer Welt, die verteilt ist, die Ressourcen eher nach schwäbischer Hausfrauenmanier behandeln muss, die kooperativ statt konfrontativ agieren muss am Ende!!
    Zig Jahrtausend konnten Männer ihr mehr, größER, stärkER, weitER ‘erobern’ indem sie die Welt erstürmten!
    Dat ist vorbei! Oder geht als Weltuntergang!

    6.Typische männlich, uns alle beHERRschende Annahmen:
    – Gewinne werden privatisiert, Verluste sozialisiert!
    – Suvival the fittest!
    – human oekonomikus!
    Wenn Frauen und Mütter danach leben würden, gäbe es keine Kinder (lohnt nicht!), würden alle Schwachen a la Kuckuck aus dem Nest geschmissen, und es gäbe nix zu essen, denn Haushaltgeld ginge für Schönheitsfarms drauf!

    Jetzt kommt das große Flattern!
    Erstens haben Männer keinen (weder Frau, Kind noch Hund) zuhause mehr, den sie vertrimmen, prügeln und maßregeln können. Wo sie noch Mann sein können!
    ‘Beim Chef muss ich buckeln aber zuhause zeige ich wer Mann im Haus ist!’
    Zweitens sind uralte eingeübte männliche Attribute heute eher auf Komplettzerstörung ausgerichtet!

    Denn: die Erde ist verteilt, die Waffen auch!
    Entweder lernen Männer anders, oder sie können nur noch nach innen zerstören!

    Leider scheinen sie Letzteres anzustreben!

    • Ähm.

      Ich kann vieles aus diesem Kommentar nachvollziehen. In der langen Geschichte des Menschseins haben meine Geschlechtsgenossen viel verbockt und ich bin mir sicher, dass ich meinen Teil dazu beigetragen habe.

      Aber ganz ehrlich, wenn ich Parolen wie “Hinter einem starken Mann steht eine starke Frau! aber Hinter einer starken Frau steht niemand! Evtl neben ihr!” lese, habe ich den Eindruck, dass es nicht um Problemlösung sondern um Konfrontation um jeden Preis geht.

      Das ist schade, weil wir Männer es vielleicht verbockt haben und uns jetzt als Opfer zu sehen der Sache sicher nicht gerecht wird, diese Herangehensweise aber eher zu einer Verhärtung der Fronten führt.

      • Zur Parole: ich finde und fand eher Männer verhärtet:
        Es gab einen langatmigen Ansatz der Frauen, die Demokratiesierung der Frauen war und ist lang!,
        Im “mehr Demokratie wagen” Jahrzehnt entstand plötzlich die Chance für die Mehrheit endlich aus der Versklavung auszubrechen!
        A.Schwarzer hat mal in einem Interview gesagt: die Männer hätten einfach Frauen ausgegrenzt, deswegen habe sich DIE Frauenbewegung aufgestellt!
        Tucholsky: man muss Unmögliches fordern, um mögliches zu erreichen!

        In den 80ern, dachte ich “Gnade der Spätgeborenen”, jetzt käme es zur Entspannung und wirklichen Auseinandersetzung… und noch viel wichtiger: das 21.Jahrhundert stand vor der Tür! Wir mussten entscheiden wie wir, Kinder, Enkel die nächsten Jahrhunderte leben wollten! Mit der Kompetenz von Frau, Hexe, Mutter, Kind, alte Frau oder weiter nur den ‘nur die harten kommen in den Garten” Stil der Männer?
        Doch ich traf und treffe viele Männer die sich angegriffen fühlten!
        Wenn wir uns bewegen, dann müsste ihr euch auch bewegen, mein verzweifelter “Ruf”, doch Viele antworteten: zeigt ihr erst mal, dass ihr es besser als ein Mann könnt!

        Schade!

        Und wenn du, wie ich über lange Zeit die hate Internet- Kommentare verfolgst, dann kann Frau schon Angst und Bange werden!

  33. DER Fehler der Frauenbewegung war:
    1. Sie hätten sich nicht mit der Frauenbeauftragten abspeisen lassen sollen! (hat mich immer geärgert!)
    2. Ich wollte immer eine/n Männerbeauftragte! Denn diese Gruppe muss(te) sich -begleitend- neu strukturieren!
    3. Frauen hätten deutlich machen müssen, dass es darum geht, von 1000prozent auf 50%zu quotieren! (Quote ist eine Einschränkung! Ergo: nicht weibliches muß schon vorauseilend eingeschränkt werden sondern männliches!)
    4. Es wäre wichtig gewesen und ist es immer noch, die über Jahrtausende erworbenen Kompetenzen als gleichwertig neben den männlichen einzufordern!
    Gleichstellung und Gleichwertigkeit oberstes Ziel!
    Die Frauenbeauftragten haben Kurse en masse organisiert, damit Frauen wie Männer ‘Ellbogen einsetzen lernen’, Macht-ergreifen erlernen, Sprache erlernen, wie Männer sein erlernen!
    Noch heute ‘lernen’ Frauen wie Beruf und Familie geht!
    5. Frauen hätten deutlich machen müssen, dass ihre Forderungen keine Gedöns- Luxusartikel, kein Wohlfahrtsstaat, kein charity! sind, sondern arterhaltend und lebenswichtig!
    Und das hätten die sogenannten ‘neuen Männer’ unterstützen müssen!
    6. Frauen hätten einfordern müssen, dass hinter ‘Frau stehen’ nicht schwach ist, sondern stark! und dass dieses nicht eine goodwashing Haltung ist, sondern lebenserhaltend!
    Denn es geht um ein Wechselspiel: manchmal muss Kompetenz A dominieren, temporär Kompetenz B, manchmal beides zusammen!
    7. Frauen haben aufgehört ihre weibliche Sicht der Geschichte zu schreiben und zu fordern, dass sie Platz im Unterricht hat! (Bis heute lernen Kinder von Cäsar, Karl der Große, Napoleon etc… von Männern für Männer, halt)
    8. Auch die ‘großen’ Religionen sind männlich dominiert und definitiv weiblich einschränkend, verquer und gefährlich! Wie sagte mal jmd: die griechischen ‘Religionen’ seien menschlicher und weibl/männlich ausgeglichener!
    9. Frauen hätten einfordern müssen, dass Familie, Gesellschaft, Gemeinschaft KEIN selbstbedienender Konsumentenladen ist, der je nach Bedarf, Zeit und Lust gebraucht/verbraucht/genutzt werden kann!
    10. Frauen hätten weiterhin für ihre Rechte kämpfen müssen, statt sich vermännlichen zu lassen!
    Heute kriegen Frauen quasi wie Männer Kinder! 9 Monate tun sie so als ob nix wäre, dann wird Geburt im ‘Mannerhaus’ durchgeführt, und direkt nach der Geburt werden Kinder ins Heim abgegeben!

    Für die Betreuer von Kindern gibt es wenig bis gar nix,
    für die Betreuer von Aktien werden Millionen aufgebracht!

    Für die Pfleger von Menschen gibt es gar nicht bis wenig
    für die Pfleger von Fondsgesellschaften sind Millionen gerade gut genug!

    Garten-und Landschaftspfleger, Bauern werden abgefunden
    Investoren, Industrielle, global player gehätschelt!

    Als das Betreuungsgeld diskutiert wurde, kam immer der Vergleich, dann gibt es weniger Kitaplätze! Nie habe ich gehört: wenn VW Müller Millionen kriegt, dann muss Wolfsburg die Schulsanierungen verschieben!

    Mein Eindruck: auf jede Frau, die in der Männerdomäne am Katzentisch sitzen darf, erobert das männliche Prinzip zig weibliche Areale und domestiziert sie!
    Schaut mal in Kinder-krieg Szenarien! (Da wird gemessen, gewogen, für gut befunden und aussortiert wie selten!) Altenpflege, Gesundheit, Bildung, Erziehung, etc pp

    Und: Männer müssten wieder Verantwortung für ihr Tun übernehmen!
    Gestern kämpften Männer vorne, vor ihren Soldaten, in erster Reihe, und bekamen dann wenn sie erfolgreich waren ne Plakettean die Brust!
    Heute sitzen Männer im Büro, greifen zum joystick, spielen Krieg,aber wenn sie dann Wind entgegen bekommen sind sie beleidigt!
    Dieses manisch-depressiv macht man euch selber fertig! Heute Helden, morgen Jammerlappen! Puh!
    Diese institutionelle Verantwortungslosigkeit macht bes Männer klein und schwach! Und dann kommt ihre Verdrägungs- und Projektionsfähigkeit zum Tragen!
    Die Anderen waren es!

    Ich glaube, dass unsere ururururAhnen viel weiter waren!
    Die Mammutjäger und -jägerinnen wussten, dass sie sich darauf verlassen können, wenn sie nix gefangen haben, wenn sie verletzt waren, werden sie in der Höhle ‘aufgefangen! Die HöhlenbleiberInnen, die Kinder pflegten, die Beeren und Kräuter sammelten wussten sie kriegen was ab wenn die Mammutjäger erfolgreich waren!
    Ich behaupte: sie wussten, dass das Überleben von allen abhing! Von Müttern und Kindern von starken Verteidigern!
    Und sie wussten, dass sie Mutter Natur brauchen!
    (Weswegen Frauen per Auslese auch Muskelmänner gewählt haben….wurde ihnen dann ab Seßhaftigkeit zum Verhängnis ;)
    Und Männer haben sich zu HERRenmenschen, die alles können, alles dominieren, alles allein machen entwickelt, deswegen mißachten sie Mutter Natur! Mit den Robotern schaffen sie ja quasi auch Kinder kriegen!)

    • Daran, dass die Urahnen wesentlich weiter waren, habe ich erhebliche Zweifel.

      Die glaubten nämlich auch, dass es legitim sei, eine Partnerschaft zwischen Mann und Frau mit der Keule zu begründen.

      Auch lese ich in deinen Aussagen viel “hätte”, so als ob schon alles verloren ist. Wir sprechen aber darüber und das ist doch erstmal gut. Wir sollten damit auch weiter machen, aber ebenso handeln. Nun kann ich (als ein Vertreter der Spezies Mann) nicht das Verhalten der anderen Männer beeinflussen, wohl aber mein Eigenes.

      Was könnte ein einzelner Mann also tun, um zu einem besseren Umfeld beizutragen? Oder anders gefragt: wenn die Welt schon so wäre, wie gewünscht, woran würde Frau und Mann das erkennen?

      Ich gebe dir auf jeden Fall Recht, dass die von dir genannten Tätigkeiten nicht schlechter entlohnt werden sollten als andere Tätigkeiten und dass jeder Beitrag zu einer funktionierenden Gesellschaft Anerkennung verdient – auch und gerade die Familien- und Haushaltbezogenen Tätigkeiten.

      • “Weiter” und “besser” sind schwierige Begriffe in diesem Zusammenhang. Doch freier waren die Frauen/Weibchen damals sicherlich. Es ist ein Mythos, dass die Höhlenmänner den Frauen die Keule übergezogen und sie verschleppt haben. Frauenraub hat es zwar in der Geschichte der Menschen (und ihrer Mythologie) immer wieder gegeben, siehe z.B. den Raub der Sabinerinnen bei der Gründung Roms, aber biologisch wahrscheinlicher ist, dass unsere Vorfahren in einem “female choice”-System gelebt haben, wie es bis auf eine Handvoll Ausnahmen alle sich sexuell fortpflanzenden Arten tun. Female choice bedeutet, dass das Weibchen die Paarungsentscheidung trifft. Erst mit der Sesshaftwerdung (und der daraus resultierenden Entstehung des Privatbesitz) wurden Frauen durch Männer “umverteilt”. Danach trafen nicht mehr die Frauen die Entscheidung, mit wem sie sich zusammentun, sondern hauptsächlich ihre Väter bzw. Eltern. Auch Zweierpartnerschaften dürfte es so bei unseren Urahnen noch nicht gegeben haben. Das nur als Ergänzung.

        • Oh, dass es sich dabei um einen Mythos handelt war mir nicht bewusst.

          Klingt für einen Biologie-Laien wie mich mit deiner Erklärung aber plausibel. Zumal, wenn man es aus der Perspektive betrachtet, dass sich das Merkmal der “female choice” ja vergleichsweise konsistent gehalten hat, also offenbar ein dominantes Merkmal ist (trotz immer mal wieder stattfindendem Frauenraub). Oder würdest du sagen, dass die Entscheidung heute immer noch hauptsächlich durch die Väter bzw. Eltern getroffen wird?

          Was die Freiheit unserer Vorfahren angeht: Ich weiß nicht genau, wie ich mir das Leben der damaligen Frauen vorzustellen habe, weil ich eben nicht dabei war und mich mit eventuellen neueren wissenschaftlichen Erkenntnissen seit Schulzeiten auch nicht mehr nennenswert beschäftigt habe. Aber dürfte das Leben der Frau nicht nah an dem gelegen haben, was zumindest ein Teil der Frauenbewegung heute nicht mehr wollen? Also für die Nachkommen sorgen, während der Mann jagte?

          Wenn man zudem bedenkt, dass das Lebensumfeld etwas feindlicher als heute und die Lebenserwartung deutlich kürzer war, dürfte das Mehr an Freiheit zumindest zeitlich stark begrenzt gewesen sein.

          • Female choice ist tatsächlich evolutionär erfolgreich (erkennbar an der sehr weiten Verbreitung im Tier-/(und eingeschränkt sogar Pflanzen-)reich. Es würde hier zu weit führen, alle Charakterisitika von fc-Systemen aufzuführen, aber ein sehr wichtiges ist, dass in ihnen locker 3/4 aller Männer/chen leer ausgehen, sich also nicht paaren/fortpflanzen können. Die Konkurrenz unter den Männchen (ich verfalle der Einfachheit mal in den biologischen Terminus) ist unfassbar hoch, der Lebensinhalt der Männchen besteht im Grunde nur aus Selbsterhalt und dem Finden einer Partnerin zwecks Fortpflanzung. Ggf. schließt sich im Erfolgsfall noch eine Aufzucht von Jungen an, an der sich das Männchen beteiligt, aber das ist eher selten der Fall. Paarbindung ist ebenfalls selten in fc-Systemen (nur ca. 5% der Säugetiere leben in Einehe), häufiger sind promiske/bindungslose Gruppen, reine Weibchengruppen mit solitär lebenden Männchen, sowie Harems mit einem dominanten Männchen. Gemessen an diesen gängigen Features lebt der Mensch heute nicht in fc. Mit der Entrechtung der Frau bei der Partnerwahl wurde fc sowieso hinfällig, weil die Entscheidung zur Paarung/Verpartnerung nicht mehr bei der Frau lag. In fc-Systemen schafft es nur ein kleiner Prozentsatz der Männchen, sich fortzupflanzen (gleichzeitig aber nahezu alle Weibchen), beim Menschen aber unterscheiden sich die Fortpflanzungsraten von Männern und Frauen nur marginal.
            Das heißt aber nicht, dass fc uns nicht “in den Genen” liegt. Männer sind eben genau wegen der evolutionären fc-Reste in ihren Zellen durchschnittlich konkurrenzorientierter als Frauen.

            “Frei” war unglücklich gewählt, stimmt. Aber wenn man sich anschaut, wie viel Elend und Gewalt Frauen heute in dem Konstrukt Ehe/Kernfamilie erleiden, durch Väter, Brüder, Partner und Ex-Partner, dann scheint mir eine Welt mit female choice, in der Frauen sich nur dann mit einem Mann zusammentun, wenn sie selbst spüren, dass ihr Körper bereit dazu ist, diesbezüglich freier. Und nochmal: nur weil wir die entrechtenden Muster seit kurzer Zeit durchbrechen, ändert das nichts daran, dass die Monogynie (Ehe mit nur einer Frau) eben keine evolutionär gewachsene Strategie, sondern eine durch Männer vorangetriebene Umverteilung der Frauen war. Die Freiheit betrifft auch fast ausschließlich westliche Gesellschaften – in vielen Ländern der Erde wird die Ehe und ihre Anbahnung inklusive der Entrechtung heute genauso praktiziert wie vor 4000 Jahren in den ersten Gesetzestexten beschrieben (s. hierzu auch Codex Hammurabi). Es muss darum gehen, das Grundprinzip zu verändern, nicht Einzelschicksale.

          • @Meike Lobo

            in vielen Ländern der Erde wird die Ehe und ihre Anbahnung inklusive der Entrechtung heute genauso praktiziert wie vor 4000 Jahren in den ersten Gesetzestexten beschrieben (s. hierzu auch Codex Hammurabi). Es muss darum gehen, das Grundprinzip zu verändern, nicht Einzelschicksale.

            Ok, ein geopolitisches Ziel. Verstanden. Steht aber in Widerspruch zu westlichen Staatsfeminismen, etwa in US (Hochschulen) oder D (Quoten), die ihre quasi-feministischen Ziele innenpolitisch anstreben.

            Quasi-feministisch deswegen, weil sie die realen Interessen der realen Frauen im realen Deutschland eher mit Füßen treten zugunsten Symbolpolitik.

            Dass uns Männern dabei das Messer in der Tasche aufklappt, qualifiziert uns nicht zu Bösewichtern.

          • Ich habe nie einen Hehl daraus gemacht, dass ich die bisherigen Forderungen und Schritte der Frauenbewegung für mindestens unglücklich erachte. Da wurden durch Nebenkriegsschauplätze und Stellvertreterkriege viel Sympathien verschenkt im Kampf gegen eine System, das auch Männer auspresst wie eine Zitrone (s. hierzu meinen Text bei ZeitOnline “Die feministische Selbstdemontage”). Einer der häufigsten Kommentare zu dem Artikel über das Google-Memo war “Das Konzept Androzentrismus war mir neu, höre ich zum ersten Mal” und natürlich stimmt etwas nicht, wenn die Frauenbewegung es in 100 Jahren nicht geschafft hat, der breiten Masse dieses Konzept zu vermitteln.
            Ich schrieb ja im Artikel mehrmals, dass man darüber diskutieren kann, welche Ansätze geeignet sind, eine grundsätzliche Gerechtigkeit herzustellen und welche nicht. Ich habe auch andere Prioritäten als der klassische Feminismus, aber das ändert nichts daran, dass ich nicht bereit bin, das männlich dominierte System den Männern zu überlassen.
            Und glauben Sie mir: wo Menschen etwas weggenommen, erst recht etwas Vertrautes, aus dem sie Vorteile gezogen haben, werden sie sich immer wehren. Ohne männliche Gegenwehr wird der Umbau des Systems nicht vonstatten gehen, egal welchen Ansatz die Gerechtigkeitsbewegung wählt.

          • Okay, danke für deine Erläuterungen.

            Mir ist jetzt auch klarer, was du in deiner Äußerung mit frei meinst, und diese Sicht kann ich nachvollziehen.

            Auf der anderen Seite dürfte aber auch keinen verwundern, dass die Männer mit einem System, in dem sie potenziell ohne Partnerin ausgehen, nicht besonders glücklich wären. Das rechtfertigt keine Entrechtung der Frau, klar, und dass es in vielen Teilen der Erde noch so ist, ist ziemlich bitter.

            Ich seh auch ein, dass es um die Änderung des Grundprinzips gehen muss und finde das auch erstrebenswert, nur bezweifele ich, dass sich das Pferd von dieser Seite aufzäumen lässt. Also ich glaube einfach nicht, dass man eine Prinzipienumkehr in der Gesamtbevölkerung erreicht ohne Verhaltensänderung auf Individualebene.

            Deshalb stellte ich die Frage nach konkretem Verhaltensweisen.

          • Ich glaube, dieses Einerseits/Andererseits ist die größte Herausforderung bei der Umgestaltung von Gesellschaften. Es kann ja niemand anzweifeln, dass die männlich vorangetriebene Zivilisation Vorteile hat, auch für Frauen. Nicht zuletzt hat ja gerade erst der von Männern erreichte medizinische und technologische Fortschritt dazu geführt, dass Frauen überhaupt eine Alternative zum Kinderkriegen haben. Die Frage, welche Teile der “männlichen” Zivilisation nur durch die Entrechtung der Frau erreicht werden konnten, inwieweit also diese Entrechtung die Voraussetzung für Zivilisation ist, ist eine der größten und schwersten, vor denen wir als Gesellschaft je standen.

            Bei meinen Recherchen habe ich vor allem gelernt, dass Entwicklungen auf Populationsebene unglaublich lange brauchen, um an einem Ergebnis zu landen. Ideen, die sich innerhalb von Jahrhunderten durchgesetzt haben, gehören zu den blitzschnellen, viel häufiger war die Verbreitung über Jahrtausende. Nur mal als Beispiel: Ackerbau und Viehzucht erstmals um 11.000 vor Christus rund um das Mittelmeer gelungen. Bis alles um 4500 v. Chr. in Mitteleuropa ankam, dauerte es fast 7000 Jahre. Das liegt natürlich unter anderem an der eingeschränkten Fortbewegungsmöglichkeit in einer Zeit, in der das Rad noch nicht erfunden war. Aber selbst nach der Erfindung des Rades braucht eine gute Idee noch Jahrhunderte. Nimm nur mal die Religion: über Jahrtausende waren weltliche und religiöse Macht eng miteinander verknüpft. Machthaber legitimieren ihren Führungsanspruch schon immer mit einer besonderen Gottesnähe. Wir beginnen gerade erst damit, diese Idee in Frage zu stellen, dabei liegt das Zeitalter der Aufklärung schon über 200 Jahre zurück. Trotzdem sind Staat und Kirche in vielen Ländern (hier auch) noch stark ineinander verwoben.
            Ideen brauchen Zeit, keiner von uns wird die großen Populationsveränderungen noch selbst erleben. Deshalb scheinen mir aufklärerische Texte und Informationen wichtiger als die Veränderung individuellen Handelns. Aufklärung erzeugt Erkenntnis erzeugt Veränderung.

          • Naja, dass Änderungen auf Populationsebene so lange dauern, erscheint schon aufgrund der Größe der Population naheliegend, besonders wenn sie so tiefschürfend sind.

            Wenn wir andererseits Richtung Technologie gucken, können wir durchaus Entwicklungen finden, die sich deutlich schneller verbreitet haben als die Viehzucht (und natürlich trotzdem noch nicht überall angekommen sind, was letztlich vermutlich auch damit zusammen hängt, dass es dabei eben nicht nur um die Verbreitung einer Idee geht).

            In deiner Einschätzung “Aufklärung erzeugt Erkenntnis erzeugt Veränderung” bin ich allerdings nur zu Teilen bei dir.

            Aufgrund meiner Recherchen zu Change-Management (was der Bereich ist, mit dem ich mich wegen meines Blogs mehr beschäftige) ist mein Verständnis so: Erkenntnis entsteht nicht durch Aufklärung sondern allgemein durch Lernprozesse, zu denen verschiedene Faktoren beitragen.

            So setzt sich beispielsweise in der Psychologie die Erkenntnis durch, dass wir unser Denken mit unserem Handeln genauso beeinflussen können wie umgekehrt. Einige durchaus erfolgreiche Therapiemodelle basieren darauf.

            Also Aufklärung ist ziemlich sicher ein Faktor, ja.

            Nur führen eben auch noch andere Faktoren zur Erkenntnis – und wieder andere Faktoren tragen dazu bei, ob aus einer aufgenommenen Information überhaupt eine Erkenntnis wird. Zum Beispiel soll unsere Stimmung Einfluss darauf haben, ob wir etwas verinnerlichen oder nicht.

            Das spricht meines Erachtens dafür, diesen Aspekt nicht zu vernachlässigen, wenn man durch Worte überzeugen möchte. Also primär sollte man wohl sicherstellen, dass man der anderen Seite nicht ans Bein pinkelt, selbst wenn man sie kritisiert. Konkrete Handlungsvorschläge anzubieten (was natürlich auch nicht immer geht – klar) kann wahrscheinlich auch helfen.

            Übrigens nochmal Chapeau dafür, dass Mann (!) bei deinen Beiträgen genau dieses Gefühl des ans Bein gepinkelt nicht haben muss. Und das obwohl da vielleicht Erkenntnisse möglich sind, die für einen Mann erstmal schwer zu schlucken sind.

          • Ja, die “Der Appetit kommt beim Essen”-Schule kenne ich natürlich. Auch wenn ich den möglichen Erfolg solcher verhaltenstherapeutischer Ansätze nicht bestreiten will, bin ich kein großer Freund davon. Ich glaube, Menschen sind viel leichter zu Verhaltensänderungen zu bewegen, wenn man sie aufklärt. Ich glaube z.B. nicht an den Erfolg von Quoten oder Verboten. Ich halte Menschen nicht für blöd und auch nicht für von Natur aus ungerecht, deshalb lohnt es sich immer, vernünftig mit ihnen zu reden. Es bleibt uns ja als sich sexuell fortpflanzende Spezies auch nichts anderes übrig, als die Geschlechter in eine Art friedliche Ko-Existenz zu bringen, alles andere würde früher oder später die gesamte Art bedrohen. Deshalb mag ich mich an den aggressiven Männeranklagen auch nicht beteiligen, es geht mir nicht darum, Wut zu schüren oder Frauen aufzuhetzen gegen die bösen Männer. Es geht mir darum, ganz sachlich die Strukturen unserer Zivilisation zu analysieren und ihre Folgen für beide Geschlechter transparent zu machen. Mit solchen nichtverurteilenden Ansätzen kämen m.E. alle Gesellschaftsdebatten (nicht nur feministische) viel weiter. Verurteilung führt fast immer nur zu Abschottung und Trotz und letztlich trägt ja kein Mann heute die Verantwortung oder Schuld daran, dass die Strukturen so sind wie sie sind.
            Deshalb versuche ich einen Ansatz, bei dem alle einander die Hände schütteln und sagen “Okay, schauen wir mal, wie wir das besser und weniger ausbeuterisch hinbekommen”. Ohne Anklagen, ohne Gekreisch, ohne wüste Schuldzuweisungen (etwas, das Maskulisten genauso beherrschen wie Feministen).

        • Ich denke, dass Aufklärung und Veränderung durch Verhalten ganz gut zusammen geht.

          Wenn wir mir ein Therapeut zum Beispiel ein Experiment wie das Folgende vorschlägt “Schreiben Sie doch mal die nächsten 30 Tage drei Dinge auf, die sie positiv fanden” und dies damit begründet, dass derlei Experimente manchmal dazu führen, dass man eine andere Sicht auf seine Realität erlangt, ist das ja sowohl aufklärerisch als auch eine Intervention auf Verhaltensebene.

          Wenn das dann dazu führt, dass es mir besser geht (oder den Menschen in meiner Umgebung, weil ich nach ein paar Tagen weniger griesgrämig durchs Leben gehe) ist das doch prima, oder?

          Andererseits ist es zusätzlich hilfreich, wenn man immer und immer wieder in genau dieser Sachlichkeit über gewisse Sachverhalte aufgeklärt wird.

          Denn, das, wie du sagst, “besser und weniger ausbeuterisch” hinzubekommen fänd ich für uns alle ein erstrebenswertes und auch nur gemeinsam erreichbares Ziel.

          • Was für ein formidables Schlusswort. :) Danke für den anregenden Austausch.

  34. Hallo Frau Lobo
    erstmal danke für den guten Text (wie so oft).
    Aus Zeitgründen nur kurz & knapp an meine “diskriminierten” Geschlechtsgenossen:
    Solange (und hier ganz bewusst aus Individualperspektive) es in meinem Beruf mehr Männer als Frauen gibt (oder die gläserne Decke oder PayGaps existieren etc.), ist jede “Bevorzugung” einer Frau bei gleicher Qualifikation keine Diskriminierung meiner Person sondern eine unverzichtbare Beseitigung bestehender Ungleichbehandlung.
    Ist das erledigt hör ich mir auch gerne mal an, wenn ein Mann sich über Diskriminierung beklagt.
    Bis dahin bin ich auf diesem Ohr taub.
    Gruß Axel Lauer

  35. @Meike Lobo 23.08.17 um 12:46

    Zum Thema Androzentrismus – habe ich (spontan, siehe oben!) begriffen; im Unterschied zum Patriarchat fehlt dort das „archos“ wie „Herrschaft“. Das Patriarchat betrachte ich als sinnleeren Kampfbegriff. Ich ändere meinen Standpunkt in der Sekunde, in der mir das Element „Herrschaft“ dargelegt wird. Mit der Einschränkung, es müsste schon schlüssig sein. Bitte keine Statistiken, sonst komme ich mit Statistiken von Störchen und Babies.

    welche Ansätze geeignet sind, eine grundsätzliche Gerechtigkeit herzustellen und welche nicht

    Für Gerechtigkeit war ich schon immer, auch wenn diese nicht mir, sondern meinem Gegenüber gilt. Um dieselbe aber herzustellen, müsste mir dargelegt werden, inwiefern diese verletzt sei. (Weiter oben sprachst du von Weltweit – verstanden, aber hier nicht gemeint, sondern in EU). Ist nicht geschehen.

    wo Menschen etwas weggenommen, erst recht etwas Vertrautes, aus dem sie Vorteile gezogen haben, werden sie sich immer wehren

    Was sollte mir weggenommen werden (außer dem letzten Nerv)? Bitte spezifzieren.

    Eine Frage bleibt unbeantwortet, und zwar: was um Himmelswillen will der Feminismus von der Welt? Grundehrliche Frage. Dass Patronage nicht der Grund sein kann – wie mit der Quote praktiziert –, hat Frau Meike weiter oben ausgeführt.

    PS aus Gründen der Zeilenbreite ist diese Antwort nicht im Antwort-Strang, sondern als eigenständiger neuer Kommentar angelegt.

    • Der Androzentrismus schließt das Patriarchat mit ein und ist kein alternatives Konzept. Patriarchat ist die Folge einer androzentrischen Welt und bedeutet nichts weiter, als dass der gesamte Haushalt dem Mann gehört, inklusive der in ihm befindlichen Kinder und Frau/en. Der Familienvater herrscht über die Familie, die Familie wird mit dem Namen des Mannes angesprochen, sie besteht durch die Zugehörigkeit zu ihm. Die Frau hat keine individuellen Rechte als eigenständige Person, sondern wird nur definiert als die Mutter der Kinder eines Mannes. Daraus resultiert Patrilinearität, die männliche Vererbungslinie. Androzentrismus ist das der gesamten Zivilisation übergeordnete Prinzip, das Patriarchat und die Patrilinearität sind nur zwei konkrete Ausprägungen, die daraus resultieren. Reste von Patriarchat sieht man hierzulande noch darin, dass die Frau bei einer Hochzeit in der Regel den Nachnamen des Mannes annimmt, oder dass in Familienunternehmen häufig der Sohn das Geschäft des Vaters fortführt, oder dass Mütter, die aus welchen Gründen auch immer ohne den Kindsvater leben, meist in einer menschenunwürdigen Tretmühle aus Arbeit, Armut und Kindswohl landen.

      Worin die Ungerechtigkeit in der Weltenverteilung liegt, habe ich in dem sehr langen Artikel detailliert dargelegt. Wenn das nicht ausreicht, damit Sie verstehen, werden weitere Worte es wahrscheinlich ebenfalls nicht tun. Wie gesagt, ich spreche von zeitlich und geografisch übergeordneten Grundprinzipien, Sie dagegen versuchen immer wieder, das auf das Jetzt, auf das Individuum herunterzubrechen, scheint mir. Mit dieser Spitzfindigkeit kann man natürlich darauf beharren, dass doch alles supi ist und dass es Frauen supi geht. (Kleine Ergänzung: der überwältigende Teil von Gewalt gegen Frauen wird ihn innerhalb der Familie angetan, dieses Konstruktes, das wir wohlweislich als Privatsache aus gesellschaftlichen Diskussionen weitgehend heraushalten).

      • Patriarchat ist die Folge einer androzentrischen Welt und bedeutet nichts weiter, als dass der gesamte Haushalt dem Mann gehört, inklusive der in ihm befindlichen Kinder und Frau/en.

        Danke für Begriffsklärung. Beschreibt Gesellschaft seit spätestens Hellas.

        Aber spätestens seit Wegfall der diversen Allmenden (entwurzelte Bauern, Tagelöhner, Lohnarbeit statt landwirtschaftliche Selbstversorgung, stellenweise Arbeitspflicht(!)) und ganz besonders seit Kapitalismus (Manchester) kann von Eigentum des Vaters als Vorstand der Familie nicht mehr gesprochen werden, sondern er ist nur Arbeitstier wie alle anderen auch. Androzentrismus immer noch? Ha!

        Worin die Ungerechtigkeit in der Weltenverteilung liegt, habe ich in dem sehr langen Artikel detailliert dargelegt.

        Ok, ich werde es ein weiteres Mal durchschauen. (Es kann ja wohl nur an mir liegen.)

        Sie dagegen versuchen immer wieder, das auf das Jetzt, auf das Individuum herunterzubrechen, scheint mir.

        Auf das Jetzt: ja. Ich habe großes Verständnis für politische Ambition, weil selbst mit dieser Plage geschlagen. Auf das Individuum: auch ja. Du nicht?

        Mit dieser Spitzfindigkeit kann man natürlich darauf beharren, dass doch alles supi ist und dass es Frauen supi geht.

        Nach meinem bescheidenen Verständnis ja. Im Jetzt und Hier. Und zwischen den Zeilen lese ich bei dir raus, dass du das im Jetzt und Hier auch so siehst.

        • Nach meinem bescheidenen Verständnis ja. Im Jetzt und Hier. Und zwischen den Zeilen lese ich bei dir raus, dass du das im Jetzt und Hier auch so siehst.

          Sie lesen falsch. Ich habe zig Beispiele genannt, weshalb Frauen hinter Männer zurückgesetzt werden. Und noch einmal: ich rede nicht vom Idealfall der hochgebildeten Akademikerin mit sicherem Posten, sondern von der Durchschnittsfrau, der Alleinerziehenden, der Frau, die von ihrem Partner geschlagen wird und sich nicht aus der Beziehung lösen kann, weil sie mehr Angst vor materiellen Unsicherheit hat als vor ihrer Verletzung. Ich rede vom Grundprinzip, das auf die Inderin genauso anzuwenden ist wie auf die Spanieren (lesen Sie hierzu gerne auch mal die WHO-Berichte über weltweite Gewalt gegen Frauen: die Zahlen zwischen dem “zivilisierten” Westen und der “rückständigen” Dritten Welt unterscheiden sich nicht groß.) Herrje, Feminismus befasst sich doch nicht nur mit Vorstandsquoten, sondern vor allem damit, dass in einer androzentrischen Welt unzählige Frauen von Wohlstand, Bildung und körperlicher Sicherheit VOR IHREM PARTNER ausgeschlossen werden. Wenn Sie das alles nicht überzeugt, fein, Ihr Recht. Aber für Realitätsleugnung ist mein Blog vielleicht die falsche Plattform.

      • Gleichberechtigung heißt für mich erstmal genau das: Gleiche Rechte, also konkret, gleiche Gesetze.
        Die letzte Änderung eines Gesetzes, das Frauen, oder jedenfalls verheiratete Frauen, benachteiligte, war die, wonach Vergewaltigung in der Ehe als Vergewaltigung und nicht als Nötigung/Körperverletzung zu betrachten sei. Das ist von 1997, also zwanzig Jahre her.
        Populationsdynamisch wird es jetzt wohl noch dauern, bis Vergewaltigung in der Ehe auch regelmäßig zur Anzeige kommt, aber auf der Individualebene stellt sich mir die Frage, inwiefern das meiner Verantwortung unterliegen sollte? Ich kann nichts dafür, wenn ein Mann seine Frau vergewaltigt, und ich kann nichts dafür, dass die das nicht zur Anzeige bringt. Ich hätte was dafür gekonnt, wenn diese Gesetzesänderung nicht durchgekommen wäre, weil ich da schon wahlberechtigt war, aber sonst?

        • Gesetztestexte sind geduldiges Papier. Viel entscheidender ist doch, wie konsequent und streng die Gesetze angewendet werden. Dieser Schritt bestimmt den gelebten Alltag in der Gesellschaft, nicht die Buchstaben im Gesetzbuch.
          Die Situation z.B. von Alleinerziehenden (in 9 von 10 Fällen eine Frau) mag auf dem Papier ausreichend sein. Aber im konkreten Alltagsleben sieht es bei Scheidungsfamilien dunkelschwarz aus. Rund die Hälfte muss Hartz IV beziehen, weil die Kindsväter keinen, zu wenig oder unregelmäßig Unterhalt bezahlen. Männer haben viel zu viele Möglichkeiten, Kinder in die Welt zu setzen und unbehelligt von allen weiter ein freies Singleleben zu führen. Das Leben der alleinerziehenden Mutter mit z.T. mehreren Jobs wird zu einer endlosen Tretmühle ohne Aussicht auf Besserung. Die Frau wird also im Grunde dafür bestraft, dass sie keinen Mann hat – und zwar völlig unabhängig davon, wer wen verlassen hat und was die Gründe für die Trennung waren.

          Natürlich ist niemand verantwortlich dafür, wenn ein Mann seine Frau prügelt/vergewaltigt, sie sich daraufhin von ihm trennt und in der Folge vom Staat fallengelassen wird wie eine heiße Kartoffel. Aber wir können uns ihre Probleme bewusst machen und bei Wahlen usw. darauf achten, welche Parteien nur von Investitionen und Vollbeschäftigung sülzen und welche auch diese strukturelle Benachteiligung im Auge haben.

          • Also meines Wissens bleiben Väter, die sich ihrer Unterhaltspflicht entziehen, nicht “unbehelligt”. Soweit wegen der Verweigerung oder Zahlungsunfähigkeit staatl. Unterhaltsvorschuss gezahlt wird, versucht der Staat auch, das Geld einzutreiben (und wie ich las, geht das sogar bis hin zur Pfändung von Teilen des eigentlich als Existenzminimum gedachten Hartz4-Satzes).

            Beim Unterhaltsvorschuss hat sich seit Juli 2017 wesentliches geändert: geht jetzt bin zum 18.Lebensjahr und ist zeitlich unbeschränkt!

            https://www.anwalt.de/rechtstipps/unterhaltsvorschuss-vom-staat-besser-ab-juli_101258.html

          • Ja, die Veränderung bzgl. Unterhatlsvorschuss war dringend nötig und ist jetzt da, aber wie Du richtig sagst, erst seit letztem Jahr.

            Und natürlich bleiben Kindsväter nicht unbehelligt. Natürlich wird schon versucht, etwas zu holen. Aber es ist eben zu leicht, sich mit Hilfe eines gewieften Anwalts armzurechnen, um trotzdem ohne Verpflichtung auszugehen. Ich empfehle, mal bei http://www.mama-arbeitet.de von Christine Finke reinzuschauen. Ich muss sagen, ich hatte keine Ahnung, wie krass Alleinerziehende behandelt werden, bis ich ihr Blog und ihr Buch “Allein, alleiner, alleinerziehend” gelesen habe. Auch die Zahlen der Bertelsmann-Stiftung zur Armut von Alleinerziehenden spotten Deiner Beschreibung der theoretischen Lage. Deshalb sage ich, die Gesetze allein bedeuten noch nicht viel – wie sie in der Praxis angewendet werden, ist das Entscheidende.

          • Ja, Papier ist geduldig. Und ja, es gibt genug Möglichkeiten, sich nicht nur arm zu rechnen, sondern arm zu sein.

            Aber erstens sind Sie hier eindeutig auf der individuellen Ebene, nicht auf der Populationsebene.
            Zweitens ist die Durchsetzung von Gesetzen nur indirekt die Aufgabe von Politik und Gesellschaft, sondern von Strafverfolgung und Rechtsprechung.
            Drittens, dass Menschen versuchen, sich nicht an die Regeln ihrer Gesellschaft zu halten und das evt. auch schaffen, ist eigentlich unvermeidbar.

            Und auf der Meta-Ebene: wenn Frauen gezielt darauf achten, einen eigenen, auskömmlichen Vollzeitjob zu ergreifen, mit dem sie ggfs. ihre Kinder alleine miternähren können und nötigenfalls noch ihren Mann, falls der mal arbeitslos wird, dann wird sich nicht nur die Anzahl der Frauen reduzieren, die im Scheidungsfall auf Unterhaltszahlungen angewiesen sind, sondern evt. werden die Kinder nach Scheidungen öfter mal dem Vater zugesprochen. Weil Kinder meist zu dem Elternteil kommen, das vor der Scheidung mehr Umgang mit ihnen hatte.

            Wenn nur noch die Hälfte aller Alleinerziehenden Frauen sind, ist das Problem zwar nicht gelöst, aber es wäre kein frauenfeindliches Problem mehr.

          • 1. Frauenwahl ist biologisch eng definiert. Nur weil Frauen hierzulande überwiegend freiwillig heiraten, wird die Gesellschaft nicht zu einem female choice System. Bitte hierzu nochmal nachzulesen.
            2. Die Scheidungsraten nehmen seit Jahrzehnten zu, weshalb Scheidung/Alleinerziehung kein individuelles Thema ist, sondern ein gesellschaftliches. Ich gebe Ihnen Recht, als dass Alleinerziehung nicht zwingend ein “Frauenproblem” sein muss, die Kinder könnten nach der Scheidung ebenso beim Vater leben. Doch von Frauen zu erwarten, dass sie Kinder vollkommen allein finanziell versorgen UND den ggf. arbeitsunfähigen Kindsvater auch noch mit, ist ein Schlag ins Gesicht jeder Mutter. Das verlagert das Problem ausbleibender Unterhaltszahlung von säumigen Kindsvater zur Mutter, die – da sie nun mit der Versorgung der Kinder im Allatg alleine ist – ohnehin schon genug zu tun hat.
            Auch hier der dringende Hinweis, sich mal mit der alltäglichen Situation alleinerziehender Mütter zu befassen, um deren ungeheure Leistung (und die ungeheure Missachtung dieser Leistung durch Staat und Gesellschaft [zu der auch die Rechtssprechung gehört]) erfassen zu können. Sie vermischen hier alles mögliche, weshalb ich die Diskussion an der Stelle gerne beenden möchte.

          • Ich möchte zu bedenken geben, dass ein biologischer Begriff (hier: female choice), wenn er auf einen soziologischen Sachverhalt angewandt wird (Partnersuche beim Menschen), offenbar schon nicht mehr in der ursprünglichen engen Definition verwendet wird.

            Und wenn von Männern erwartet wird, dass sie ihre Kinder und deren ggfs. arbeitsunfähigen Mütter alleine versorgen, dann bedeutet Gleichberechtigung, dass unter umgekehrten Vorzeichen dasselbe gilt.
            Dass der umgekehrte Fall in der Praxis seltener vorkommt, ist mir klar, da Frauen im Durchschnitt weniger verdienen als Männer, und da zwotens Frauen sich eher Männer suchen, die mindestens so viel verdienen wie sie selbst. Auf der Populationsebene, wohlgemerkt.

          • Nochmal: da das Austragen und Stillen eines Kindes für die Mutter körperlich strapaziöser und darüber hinaus mit Risiken verbunden ist, kann Schwangerschaft/Geburt nicht damit gleichgesetzt werden, dass ein Mann Vater wird. Ein Kind zu bekommen, bedeutet für den Mann und die Frau etwas fundamental Unterschiedliches.

            Frauen waren immer auf Unterstützung durch andere angewiesen, weil Menschen im Vergleich zu anderen Säugetiere sehr viel unreifere Babies zur Welt bringen (der Grund dafür liegt in der Breite des Geburtskanals, die wegen des aufrechten Gangs und dem damit verbundenen schmaleren Becken kleiner ist als bei anderen Arten, weshalb eben nur Babies mit kleineren Köpfen durch den Geburtskanal passen). Eine Frau braucht Unterstützung. Nicht zwingend vom Kindsvater, noch nicht einmal zwingend vom Mann, aber alleine ein Kind zu gebären/stillen UND die finanzielle Versorgung zu übernehmen, kann nicht funktionieren ist für eine Frau eine höhere Belastung (da sie das Kind ausgetragen hat) als für einen Mann.

            Und nun haben Sie bitte Verständnis dafür, dass ich weitere realitätsverdrehende Kommentare hier nicht freischalten werden.

  36. Zur deiner These:

    Androzentrismus ist, vereinfacht gesagt, eine Gesellschaft, in der das alltägliche Leben entlang männlicher Bedürfnisse, Fähigkeiten, Werte, Prioritäten und Eigenschaften organisiert ist.

    Du leitest sie so her:

    Der Mann hingegen war für die körperliche Versorgung des Säuglings entbehrlich und konnte sich deshalb in der nicht-häuslichen Gesellschaft austoben.

    Ich habe deinen Denkfehler lokalisiert. Er liegt im Wort konnte (Hervorhebung von mir). Richtig ist: er musste. Bei Strafe des Untergangs.

    Denn keineswegs ist die Gesellschaft an den Mann angepasst. Sondern umgekehrt: der Mann hat sich an die harte Umwelt angepasst. (Zur Erinnerung, nicht du oder ich persönlich, sondern statistisch auf die Population bezogen.)

    Auf einem Sofa, auf dem der Mann zuvor ganz alleine herumlümmeln konnte, muss er nun zur Seite rücken

    Herumlümmeln also. Mit dem Sinnbild des Sofas hat Frau Meike die Populationssicht verlassen.

    Ich habe lange gebraucht für die abschließende Antwort.

    • Der Mensch gestaltet seit Jahrtausenden selber seine Lebensbedingungen – nicht immer, nicht überall, nicht jedes Individuum, aber als Menschheit. Dieses aktive Gestalten, das über naturgegebene Verhältnisse hinausgeht, ist etwas mehr als überlebensnotwendige Anpassung.
      Auch der postulierte Untergang stimmt so nicht – vorher haben die Menschen auch schon gelebt, stabil gelebt, ohne dass sie ausgestorben wären. Ich bleibe dabei: der Mann hat die sesshafte Gesellschaft aktiv gestaltet, weshalb sie in erster Linie seine Bedürfnissen und Prioritäten widerspiegelt.
      Dass die Rollenverteilung dabei den biologischen Limitierungen beider Geschlechter folgte, steht dazu nicht im Widerspruch und ich habe es mittlerweile mehrfach erwähnt.

      Das letzte Wort kann ich Ihnen hier leider nicht lassen, weil Ihre Ausführungen zum Teil am Thema vorbeigehen (Macht der Frau über das Familienauto, WTF) und zum Teil schlicht nicht korrekt sind.

  37. “Es geht hier um übergeordnete Muster und Strukturen. Nirgendwo steht, dass ein Mann nicht auch im Individualfall benachteiligt werden kann, aber solange die Strukturen eher männerfreundlich sind, ist eine individuelle Benachteiligung eben keine strukturelle Diskriminierung.”

    Was Frau Seith neulich im Spiegel beschrieb, was sind das, wenn nicht übergeordnete Muster und Strukturen? Das meine ich nicht rhetorisch, mir wäre an einer Antwort tatsächlich sehr gelegen.

    http://www.spiegel.de/spiegel/maenner-und-gleichstellung-wie-vaeter-diskriminiert-werden-a-1165817.html

  38. Vielen Dank für diesen Artikel. Er steht weit über dem meisten was man in vielen anderen Medien zu diesem Thema gelesen hat. Was mir am meisten auffällt ist eben gerade die Rationalität mit dem Sie an das Thema herangehen und – weitestgehend – auch durchziehen.

    Am Ende musste ich trotzdem etwas schmunzeln als Sie ausgerechnet für die Emotionalität das Wort ergreifen, obwohl dies gerade im Zusammenhang dessen was mit dem Autor des Memos passiert ist etwas ironisch wirkt und so sehr im Kontrast zum Rest des Artikels steht.

    So ist es ja gerade die Emotionalität mit der so viele Leute an das Memo herangegangen sind ein wichtiger Grund warum es überhaupt so hohe Wellen schlug. Und ihre eigene Analyse ist ja gerade nicht emotional, sondern sehr rational.

    Deshalb konnte ich gerade nicht sehen, warum eine emotionalere Sicht auf das Memo von Damore von Ihnen gewünscht wird. Oder interpretiere ich ihre Aussagen hier falsch? Wo ist ihrer Meinung nach bei der Rezeption des Memos der beste Platz für Emotionalität?

    • Es geht mir um eine generelle Wertung bzw. Abwertung von Emotionalität, nicht um konkrete Fälle. Emotionalität hat ihren Wert für sich, genauso wie Rationalität. Wann und in welcher Situation welches von beiden das geeignetere Mittel ist, ist abzuwägen, aber Rationalität pauschal höher zu werten, als leeren Wert für sich, scheint mir unsinnig.

  39. Nachdem ich von Herrn Lobo aus dem Reddit Ama auf diesen Text aufmerksam gemacht wurde, stelle ich hier noch einmal meine Frage, leicht umformuliert.

    Wenn man sich die Population Männer / Frauen unter 25 in Deutschland betrachtet, und dabei feststellt, dass

    – mehr Frauen als Männer Abitur machen
    – mehr Frauen als Männer studieren
    – Mädchen besser lesen können als Jungen
    – mehr Jungen zwischen 16 und 25 arbeitslos/ausbildungslos sind
    – mehr Jungen ohne Abschluss die Schule verlassen

    dass also auf dem Sofa Frauen mehr Platz einnehmen als Männer… und zwar nicht individuell, sondern als Population.

    Wann ist der Zeitpunkt gekommen, nicht mehr dafür zu sorgen, dass Frauen mehr vom Sofa abbekommen?

    Und bevor jetzt der einfache Weg genommen wird, und gesagt wird “Früher waren das eben 100% Männer, jetzt sind die Frauen dran”… Ab wann sind denn die Frauen nicht mehr “dran”? Ab wann ist denn der Zeitpunkt, dass gesagt wird: Das Ziel ist erreicht, jetzt kümmern wir uns… keine Ahnung… um Migrantenkinder (noch schlechter als den Jungen geht es den Migratenjungen als Population). Oder Kinder, die eindeutig benachteiligt sind, weil sie auf über 1000m Normalnull leben und barfuss 50km zur Schule laufen müssen. Whatever…

    Ab wann ist das Ziel erreicht? Ab welchem Dominanzgrad in üblichen Bildungsstatistiken sollen denn weibliche Kinder/Jugendliche/Frauen nicht mehr überproportional gefördert werden, wo sie doch bereits jetzt in den üblichen Bildungstatistiken aus der Populationsperspektive – zumindest in Deutschland – eindeutig die Gewinner sind?

    • Zunächst einmal freue ich mich ganz unironisch, dass Sie auf den Unterschied zwischen Individual- und Populationssicht geachtet haben, das fällt den meisten Diskutierenden leider immer noch sehr schwer.
      Sie haben den Eindruck, dass Frauen zu viel oder doch zumindest genug gefördert werden und un auch mal Jungen und Männer dran sein sollen. Die Bildungsstatistiken scheinen das ja auch auf eindrucksvolle Weise zu belegen.

      Dazu zwei Dinge:
      1. Erzählt die Statistik nur die Hälfte der Geschichte. Die andere Hälfte kommt danach: nach der guten Schulbildung, nach den ambitionierten Abschlüssen der jungen Frauen. Dann nämlich landen sie mit großer Wahrscheinlichkeit in einer Arbeitswelt, in der Frauen selten bis nie auf Sesseln mit Macht landen.
      Allein in den letzten 20 Jahren hat es im deutschen Innenministerium kaum eine Frau über den Posten der Abteilungsleiterin geschafft, ab Staatssekretärebene ist das ein reiner Männerclub. Und das, obwohl in den unteren Hierarchieebenen zahlreiche Frauen sitzen https://www.zeit.de/politik/deutschland/2018-09/gleichberechtigung-frauen-diskriminierung-fuehrungspositionen-ministerien/komplettansicht. In der Unternehmenswelt sieht es ähnlich aus: Hierarchien vermännlichen geradezu nach oben hin, selbst in Betrieben, die fast nur weibliche Angestellte haben. Das mag im individuellen Fall auch mal etwas mit der Inkompetenz einer weiblichen Mitarbeiterin zu tun haben, aber in so flächendeckender Form wird daraus eine strukturelle Diskriminierung auf Populationsebene. Porsche versucht einen anderen Weg, um dieser “Vermännlichung” entgegenzuwirken: bei jeder Beförderungsstufe muss exakt der Anteil Frauen befördert werden, der auch im Betrieb arbeitet. Bei 20% weiblichen Arbeitskräften müssen also auch 20% Frauen befördert werden (Quelle: https://www.manager-magazin.de/unternehmen/autoindustrie/bild-1128754-1092826.html). Solche Ansätze sind aber immer noch die Ausnahme.
      Obwohl also junge Frauen heute im Schnitt besser ausgebildet sind, erreichen sie kaum Entscheidungsgewalt in Wirtschaft und Politik.

      2. Sich nur einen Bereich herauszunehmen, in dem die Statsitik Ihr Bauchgefühl bestätigt, ist natürlich nicht ganz redlich, aber das wissen Sie wahrscheinlich selbst, Sie sprechen ja wie ein gebildeter Mensch. Bildung in Deutschland ist nur ein Anliegen der Frauenbewegung. In nahezu allen anderen Bereichen haben Frauen das Nachsehen. Die ganze Welt ist für Männer designt, was im Bereich Gesundheit und Sicherheit dazu führen kann, dass Frauen ein höheres Risiko haben, verletzt oder getötet zu werden, als Männer (Quelle: https://www.theguardian.com/lifeandstyle/2019/feb/23/truth-world-built-for-men-car-crashes). Jede 3. Frau (in einigen Ländern sogar fast jede 2.) über 15 hat schon einmal körperliche oder sexuelle Gewalt durch einen Mann erfahren (Quelle: https://fra.europa.eu/de/publication/2014/gewalt-gegen-frauen-eine-eu-weite-erhebung-ergebnisse-auf-einen-blick). Wenn Sie Angestellter sind und über ein soziales Umfeld durchschnittlicher Größe verfügen, ist die Wahrscheinlichkeit sehr hoch, dass Sie nicht nur ein oder mehrere Opfer kennen, sondern auch einen oder mehrere Täter. Die Zahlen liegen national, europaweit und weltweit immer in ähnlichen Größenordnungen. Frauen werden strukturell finanziell diskriminiert, müssen aber umgekehrt dank Gender-Pricing oder auch als alleinerziehende Mütter nur aufgrund ihres Geschlechts oder weil der Kindsvater zahlungsunfähig/-willig ist, deutlich höhere Kosten. Die Alleinverdienerehe (Alleinverdiener ist so gut wie immer der Mann) wird mit Steuergeschenken belohnt, die alleinerziehende Mutter dagegen besteuert wie ein kinderloser Single und damit bestraft.

      Ich könnte die Liste noch eine Weile weiterführen, aber ich gehe davon aus, dass Sie wissen, worauf ich hinaus will. Denken Sie die Frauenbewegung größer, umfassender. Die Frauenbewegung ist nach meinem Verständnis eine Weltbewegung, es geht nicht um einzelne Statistiken in einzelnen Ländern. Ich weiß nicht, wie andere Feministinnen das sehen, aber wenn ich Bildungsförderung für Mädchen befürworte, dann beschränkt sich meine Solidarität nicht auf weiße Wohlstandskinder, sondern gilt auch afghanischen Mädchen, indischen, chinesischen, türkischen, senegalesischen. Ich will nicht, dass Frauen mehr verdienen oder per Quote in einen DAX-Vorstand kommen – ich will, dass Frauen nicht aufgrund ihres Geschlechts eingeschränkter oder unsicherer leben müssen. Und dazu gehört nach meinem Verständnis die vollständige Dekonstruktion männlicher Strukturen wie Lohnarbeit, Ehe, Staatshierarchien, unbeschränkter Privatbesitz. Und danach Aufbau ganz neuer, nicht nach den durchschnittlichen Eigenschaften eines durchschnittlichen Mannes mit Besitz geformter Strukturen. Eine neue Zivilisation, die die Bedürfnisse BEIDER Geschlechter berücksichtigt (und dann natürlich auch Jungen ohne Schulabschluss auffängt).

      Diesem radikalen Ansatz müssen Sie selbstverständlich nicht zustimmen. Sie können das doof, extremistisch und unrealistisch finden. Nur eines können Sie nicht: behaupten, dass Frauen in der androzentrischen Gesellschaft der Welt mehr Platz auf dem Sofa einnehmen.
      Ich hoffe, ich habe Ihre Frage damit beantwortet.

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