Die verlorene Ehre der schreibenden Zunft

Wie viele andere hat mich der Absturz der Passagiermaschine 4U9525 von Germanwings und der Tod aller ihrer Insassen am Dienstag sehr getroffen und wie viele andere mäanderte ich durch das Netz, auf der Suche nach Informationen, die das Unbegreifliche erklären, nach einer Kausalkette, an deren Ende der Absturz eine unausweichliche Konsequenz ist. Fahrlässigkeit, menschliches Versagen, Materialermüdung, technische Fehler, scheißegal. Hauptsache, irgendetwas erklärt mir, warum Menschen sterben mussten, so viele Menschen. Doch was ich in den Medien fand, waren nicht Informationen und Fakten, sondern Spekulationen, Sensationsgier und eine abgrundtiefe Menschenverachtung.

Zunächst einmal: wir wissen nicht, was sich in dem Flugzeug abgespielt hat. Es gibt auf dem gefundenen Stimmenrekorder Hinweise, die plausibel darauf hindeuten, dass der junge Co-Pilot das Flugzeug in einem Akt, den “erweiterten Selbstmord” zu nennen ich mich scheue, absichtlich zum Absturz brachte, doch sicher ist das nicht. Wir wissen nicht sicher, ob der Pilot den Notfallcode zum Öffnen der Cockpittür eingegeben hat und der Co-Pilot die Tür absichtlich verriegelt hielt, wir nehmen es an. Wir wissen nicht, ob der gleichmäßige Atemrhythmus auf Handlungsfähigkeit oder Ohnmacht hindeutet. Wir wissen absolut nichts über die möglichen Beweggründe des Co-Piloten, die ihn zum Sinkflug veranlassten. Sicher scheint nur, dass der Sinkflug absichtlich eingeleitet wurde, aber unter welchen Umständen das geschah, kann zum jetzigen Zeitpunkt niemand sagen.

Die Leichenfledderer

Und dennoch erhob sich nach der Katastrophe ein Medienspektakel, das an Ehrlosigkeit kaum zu überbieten ist. Bereits am Dienstag, nur Minuten nach dem Bekanntwerden des Absturzes, wurden überall Bilder der trauernden Angehörigen gezeigt, unverpixelt und gut erkennbar, die sich nach und nach am Düsseldorfer Flughafen einfanden. Die BILD-Zeitung war sich selbstverständlich nicht zu blöd, auch Namen und Fotos der getöteten Passagiere zu veröffentlichen. Der nah an der Unzurechnungsfähigkeit agierende FJ Wagner erbrach respektloses Gestammel über die letzten Minuten der Flugzeuginsassen. Dazu: nichts als Spekulationen. Das viele Fliegen per Autopilot sei Schuld, die Sicherheit bei Lufthansa fraglich, der Airbus zu alt. Das allein hätte schon genügt, um der Mehrheit deutscher Medienredaktionen den Untergang zu wünschen.

Doch das war nichts im Vergleich zu dem Medienecho, das der Bekanntgabe der Auswertung des Stimmenrekorders folgte. Innerhalb kürzester Zeit schwirrte der vollständige Name des Co-Piloten durch das Netz, Wohnort und Haus wurden von Reportern belagert, das Facebook-Profilfoto des jungen Mannes wurde geklaut und unverpixelt auf allen Kanälen gezeigt. Kaum jemand schien Hemmungen zu haben, selbst FAZ.net zeigt das Foto seit gestern Abend groß auf der Startseite. Es ist von einer Scheinheiligkeit sondergleichen, dass sie dort den Namen anonymisiert haben. Der Kölner Stadtanzeiger nennt den Mann den “größten Massenmörder nach 1945”, die BILD bringt ein weiteres Foto und den ganzseitigen Titel “Der Amok-Pilot”.

Das alles, wohlgemerkt, bevor gesichert ist, ob es sich tatsächlich um einen Selbst-/Massenmord handelt. Bis jetzt gibt es ausschließlich die Aussagen des Marseiller Staatsanwaltes, die sämtlich Interpretationen der Tonaufnahmen aus dem Cockpit sind.

Ein Journalist des Tagesspiegels fragt seine Facebook-Kontakte, ob man den Namen ganz ausschreiben solle oder nicht, man sei sich in der Redaktion nicht einig. Auf den berechtigten Einwurf, dass die Nennung Auftakt zu einer Hetzjagd sein könnte, verstieg er sich zu der Gegenfrage, ob sich eine Redaktion nach Hetzern in Internetforen richten solle. Auf die immer lauter werdende Kritik der Internetnutzer an der Zurschaustellung des Co-Piloten hin winselte der Chefredakteursimitator der BILD, er halte sich an journalistische Standards, und belegte das mit Screenshots internationaler Medien, die das Facebookfoto des jungen Mannes ebenfalls hemmungslos verbreiteten. “Die anderen machen das aber auch” und “Wir können doch nichts dafür, wenn jemand unsere detaillierten Infos missbraucht, um den Angehörigen einen Besuch abzustatten”? Einen moralischen Eigenanspruch sucht man hier vergebens.

Von Respekt für die gestorbenen Menschen keine Spur. Rücksicht auf die Familie des Co-Piloten, Eltern, die auch einen Sohn verloren haben, Fehlanzeige. Pietät, Sachlichkeit, Anstand, alles aus, kommt auch nicht wieder rein. OH MEIN GOTT, ES WAR MASSENMORD MIT 150 TOTEN, SCHLEIFT IHN DURCHS DORF! Ausgewogene Berichterstattung, die die Suizidthese näher beleuchtet, und kritische Anmerkungen gehen in der Masse der Leichenfledderer unter. Die trauernden Menschen sind gerade bereit, in ihrer Verzweiflung jeden Link zu klicken, sie sind wie reife Pfirsiche, die Medien müssen nur zugreifen. Klickhuren. Sie nutzen die Emotionen der Menschen eiskalt aus und verursachen mir Ekel und Scham.

Große Worte, kleine Geister

Moral, Anstand, Ehre – geht’s nicht eine Nummer kleiner, mag man sich fragen. Ich finde, nein.

Medien haben eine Verantwortung, sie sind zu möglichst objektiver Information verpflichtet. Es geht dabei nicht um eine Berichterstattung, die immer freundlich oder angenehm ist, der journalistische Anspruch hat ebenso eine gewisse Spreizbreite wie der anderer Berufszweige. Aber es gibt eine rote Linie des Anstands, die ernstzunehmende Journalisten von Abschaum trennt, und in den letzten drei Tagen wurde diese Linie wieder und wieder übertreten. Als Chefredakteuer eines großen Mediums stehe ich jeden Tag vor der Entscheidung, ob ich meine Reichweite und Macht missbrauche oder eben nicht. Und Leute wie Kai Diekmann treffen diese Entscheidung immer wieder für den Missbrauch. Sie sind keine Journalisten, sondern eklige Opportunisten und unfassbar armselige Würstchen, abhängig von Aufmerksamkeit, skrupellos in der Ausbeutung von menschlichen Gefühlen. Wer das eigene Medium statt zum Verbreiten von Wissen und Erkenntnis dazu verwendet, Menschen zu manipulieren, Aggressionen und Angst zu erzeugen und den IQ der gesamten Republik zu senken, ist ein schlechter Mensch.

Und deshalb ist es keine Frage des persönlichen Geschmacks, ob man die BILD liest oder nicht, sondern eine Frage der Integrität.

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68 Kommentare

  1. Danke! Danke! Danke! Hab leider gerade nur für die Kurzform Zeit. Aber das musste sein. Nochmal: Danke!!!

  2. […] Der Flugzeug-Absturz in Südfrankreich beschäftigt viele Blogger: Absturz des Journalismus Netzreaktionen nach Flugzeugunglück: Die verlogene Wut beim Posten Empathie “Die Zeit”: Absturz eines Mythos Germanwings-Absturz in den sozialen Medien: Boulevard und Nebensächlichkeiten dominieren bei Facebook, harte News bei Twitter Die verlorene Ehre der schreibenden Zunft […]

  3. Sehr geehrte Frau Maike,
    das ist wohl so ziemlich das Beste, was man dazu sagen kann. Vielen Dank !

    Ich glaube die Diskussion über Bild und ähnliche Boulevard-Medien können wir uns leider schenken. Da werden eh nur niedere Instinkte bedient und nichts weiter. Oder hätten wir von diesen Medien was anderes erwartet ?

    Aber was mich wirklich ohnmächtig wütend macht: öffentlich-rechtliche Sender und sonstige (selbsternannte) Qualitätsmedien heben sich hier nicht deutlich ab. Die öffentlich (zwangs-) finanzierten belagern genauso die Trauernden in Haltern und Montabaur als den Ort den mutmaßlichen Schuldigen.

    Der Aufklärungs- und Bildungsauftrag wird mit aller Gewalt in die Tonne getreten. Menschen in Extremsituationen wird nicht geholfen, im Gegenteil, ihnen wird das Leben noch schwerer gemacht, als es eh schon ist. Wertvolle Sendezeit geht drauf, ohne wichtige Inhalte zu transportieren. Andere Themen fallen hinten `runter: Boko Haram entführt massenhaft Leute in Nigeria und Saudi-Arabien beginnt mit US-Unterstützung einen neuen Krieg, alles von der deutschen Öffentlichkeit kaum wahrgenommen. Und was war eigentlich noch mal mit der Maut und der Frauenquote ?

    Mir scheint, dass gerade die öffentlich-rechtlichen JournalistInnen, sich aufführen wie absolutistische FürstInnen, denen man einfach nicht beikommen kann, die keine Kritik zulassen, sich mit nichts auseinandersetzen müssen und sowieso keine Fehler machen. Kritiker werden sofort ins Abseits gestellt, in die Nähe von rechten Kreisen gerückt und als dumm und unqualifiziert abgestempelt.

    Ich weiß nicht, wo das hinführt.

    Aber für Ihren Blog-Beitrag nochmals vielen Dank !

    Viele Grüße

  4. Dir als Leser muss auch klar sein dass 5 Stunden nach einem Flugzeugabsturz die Ursache des Unglücks nicht bekannt sein kann. (“und wie viele andere mäanderte ich durch das Netz, auf der Suche nach Informationen”)

    Führt nicht unsere Gier nach sofortiger Erklärung des Geschehenem , dem Bösen ein Namen und ein Gesicht zu geben oder das nicht zu Verstehende verstehen zu wollen erst dazu dass solcher Jounrnalismus überhaupt ermöglicht wird?

    Der Leser ist kein unmündiges Wesen. ( “skrupellos in der Ausbeutung von menschlichen Gefühlen.”) Nicht der Journalismus ist der Schuldige (sondern der der ihn finanziert), der Journalismus bedient nur den Voyarismus der heutzutage vom den Konsumenten erwartet wird. Es ist Zeit den Leser mit in die Verantwortung zu nehmen. Dies passiert in Deinem Text aber leider nur mit einem Satz im letzten Absatz. Böse Bild-Zeitung.

    Aber Hey, nicht umsonst heisst es “Nichts ist so alt wie die Zeitung von Gestern.”

    • Ich glaube nicht, dass es Gier ist, sondern ein Reflex, eine Art Übersprungshandlung aus der Fassungslosigkeit heraus.

      Grundsätzlich aber gebe ich dir natürlich Recht. Die kritischen (Blog-)Artikel, die ich in den letzten Tagen gelesen habe, haben überwiegend Zustimmung bekommen. Auch hier: nur Menschen, die es genau so sehen wie ich. Und dennoch kriegen die Schundmedien ihre Klickzahlen zusammen. Es ist zum Kotzen.

  5. Gilt auch für das Lesen des Spiegels. Und für das Arbeiten für das Blatt. Ist nämlich auch ein Hetzblatt und keinen Deut besser.

  6. Vielleicht können wir uns (ich schließe mich da ein) ja mal fragen, warum wir eigentlich unmittelbar – und damit meine ich in den ersten Minuten und Stunden – meinen, wir müssten alles an Fakten, Erklärungen, Hinweisen über die Gründe einer solchen Tragödie erfahren?

    Und warum überhaupt wir mit genau dem Verhalten all diesen Schreiberlingen das Publikum bieten, dass sie dann mit Spekulationen, Halbwahrheiten und Geschmacklosigkeiten bedienen?

    Warum schaffen wir es nicht, entsetzt, verstört, betroffen und sonstwas zu sein, und es einfach aushalten, dass wir _nicht wissen_, welche Gründe dahinter gesteckt haben könnten? Warum richten wir unsere Empathie nicht darauf, was es wohl für Eltern bedeutet, ihre Kinder zu verlieren, für Paare einen Partner zu verlieren, für Kollegen einen Chef zu verlieren usw.? Warum glauben wir, wir müssten immer alles wissen? Und zwar sofort?

    • Danke für diese Worte. Wir sind ebenso verantwortlich für das, was wir bekommen und werden schlicht so bedient, wie wir es verlangen, wollen und letztendlich auch verdient haben.

      • Das sehe ich etwas anders. Ein Presseorgan ist eben nicht wie die Bäckerei um die Ecke, die sich ausschließlich nach der Nachfrage der Kunden richtet. Medien sind eine übergeordnete Instanz, sie sind in erster Linie der Wahrheit verpflichtet und müssen Unabhängigkeit und Unbestechlichkeit wahren. Natürlich müssen auch Verlage ihre Zeitungen verkaufen, aber nur zu schreiben, was und wie die Leser es haben wollen, konterkariert die Unabhängigkeit, die alle Medien mit einem gewissen Stolz für sich behaupten.

        Natürlich liegt es auch an den Leser, solche Zeitungen zu boykottieren, aber wie Fernsehsender haben auch Print- und Onlinemedien eine Verantwortung, an das, was sie senden, einen gewissen Eigenanspruch zu stellen. Eben unabhängig von den Wünschen der aufgebrachten Lesermeute.

        • Das wäre schön, die Realität sieht leider anders aus: Qualität kostet Geld; wer zahlt das und ist bereit dafür zu zahlen? Und wer kontrolliert die Qualität? Nach welchen und wessen Maßstäben und Grundsätzen?

          Der Anspruch der FAZ ist ein anderer, als der der Welt oder sagen wir es anders: Konservative Kapitalisten wie Springer haben einen anderen Anspruch als z. B. die taz.

        • Mit der Thematik eines neuen LOYALEN Massenmedium beschäftige ich mich schon seit ca. 20 Jahren. Da es dieses noch nicht gibt, der Bedarf aber vorhanden ist, knüpfe ich Kontakte zu Menschen, welche ich als loyal einschätze, um solch ein Medium ins Leben rufen zu können.
          Die Wahrheit ist etwas, was irgendwann immer ans Tageslicht kommt, egal wie sehr sich Lügner bemühen, die Wahrheiten vertuschen zu wollen.
          Dass unsere Welt kurz vor dem Kollaps steht, dürfte selbst den größten Lügnern nicht entgangen sein, darum kann nur ein Gegenpol zur allgemeinen Verlogenheit in Politik, Presse, TV und Rundfunk die richtige Antwort darauf geben.
          Erst wenn es diesen Gegenpol gibt, können die Menschen wählen, welchem Medium sie mehr Glauben schenken wollen?
          Ehrliche Reporter zu finden, ist fast schon so schwer, wie die berühmte Nadel im Heuhaufen ausfindig machen zu dürfen.
          Darum freut es mich, dass ich diesen Beitrag lesen durfte und stehe Ihnen Frau Meike sehr gern zur Verfügung, um Ihnen mein geplantes Projekt vorstellen zu können.
          Freundliche Grüße Sigrid Hagel aus Weimar/Thüringen

    • Auch wenn der Mammon heutzutage über allem schwebt – Medien (außerhalb des Boulevards) suchen Nachrichten nicht nach Quote aus und bearbeiten sie auch nicht nach dem am schlimmsten anzunehmenden Massenkunden. Auch wenn sich da oft die Katze in den Schwanz beißt.
      Gerade das öffentlich-rechtliche Fernsehen hat beispielsweise einen Bildungsauftrag. Unser Problem: Die Boulevardisierung greift immer mehr auch bei sog. Qualitätsmedien um sich. Ja, das ist ein Fehler im System … aber der Kunde wird doch allzu gern als bequeme Ausrede bemüht!

      Dass es auch anders geht und dass man mit Qualität und Unabhängigkeit Quote schaffen kann (es gibt ja auch diese LeserInnen), zeigen viele Zeitungen, leider meist ausländische. Gestern gab es z.B. im Guardian einen wunderbar geschriebenen Aufschrei gegen die Stigmatisierung von Depressiven, wo doch noch nicht einmal gesichert sei, dass der Co-Pilot psychisch krank gewesen sei. Hier hat eine Zeitung offen mit Pöbeljournalismus abgerechnet und dazu aufgerufen, besonnen innezuhalten. Auch das kann Journalismus. Aber dafür braucht’s Rückgrat.

  7. Noch dreister geht es im Kopp-Verlag zu. Zum Beispiel: Und täglich grüßt das Murmeltier. Erst war es „Billig, billiger – tödlich“, dann „nicht mehr billig genug“, dann kommt die Verschwörungsneurose „Was uns verschwiegen wird“. Klar, dass „der Mörder der Tote ist“. Wenn die Artikel im Kopp-Verlag über die Fakten eines Flugzeugabsturzes nicht so tragisch wären, könnten die Leser über die Verschwörungshysterien nur schmunzeln. Ganz klar, dass Europa und insbesondere der französische Präsident diesen Absturz gut gebrauchen können. Sowas nenne ich dann Qualitätsjournalismus im Kopp-Verlag.

    • Du zählst den Kopp-Verlag nicht ernsthaft zu den Medien, mit denen man sich auseinandersetzt, oder?

      Siehe hierzu auch den Eintrag dazu beim Watch-Blog Psiram.

  8. Dem kann ich eigentlich nichts mehr hinzufügen. Egal was der Copilot wahrscheinlich verbrochen hat, auch er hat Angehörige die weiter leben müssen und die für den unfassbaren Vorfall nichts können. Es gibt für Alles eine Grenze und die ist hier weit überschritten worden.
    Aber solange die Nachfrage da ist, wird es auch ein Angebot geben. Und ich befürchte die Umsätze dieser Zeitung waren heute gut :-(

  9. Danke für diesen Artikel. Das lässt mich hoffen, dass es hier und da vielleicht doch noch echten Journalismus gibt.

    Ich verstehe diese Sensationsgier nicht so recht. Es sind ja nicht nur die Medien, die hier sensationsgeil agieren. Es scheint eher so, dass den allermeisten Menschen diese Sensationsgier zu eigen ist. Das betrifft nicht nur die Reaktionen auf Unfälle wie diesen. Die Motorrad- und Flugzeugshows in den USA vor etwa 50 Jahren bedienen die selbe Sensationsgier. Man geht dort nicht hin, um die Kunstfertigkeit der Akteure zu bewundern, sondern in der “Hoffnung”, Augenzeuge einer Katastrophe zu werden. Auch die “Gaffer” bei Verkehrsunfällen sind ein Symptom dieser Sensationsgier. Ich verstehe nicht, was diese Menschen antreibt. Geilt man sich vielleicht daran auf, dass es die Anderen erwischt hat (Sankt-Florians-Prinzip)? Ganz besonders übel wird es, wenn man Andere als “Schuldige” ausmachen kann. Soll das vielleicht von der eigenen Schuld ablenken (-> Der da ist viel schlimmer als ich)?

    Dass Medien, denen moralisch wie juristisch eine besondere Verantwortung zukommt, diese Verantwortung mit Füßen treten, und zur Profitmaximierung die niedersten Instinkte eines zahlenden Publikums bedienen, das ist allerdings noch mal ein besonderer Tiefpunkt.

    Bislang wollte ich eigentlich einfach nur mal abwarten, was sich ergibt. Aber nachdem ich heute Morgen auf dem Weg zur Arbeit beim Bäcker die Titelseite der Bild gesehen habe, ist mir einfach nur noch schlecht. Ich bin übrigens kein Journalist.

  10. Egal ob ich nun von schlechten Menschen sprechen würde, Dein Text ist ein wichtiges und menschliches Zeichen, ein Punkt hinter all den vielen unnötig rausgepumpten, hysterischen Worten. Und es ist vor allem mutig von Dir, diesen Begriff in diesen Tagen jenen zurückzuwerfen, die nun eine komplexe psychische Verfasstheit in eben diesen einfachen Kategorien beschreiben und auch verurteilen, auf Titelseiten, die immer wieder zu symbolischen Scheiterhaufen werden. <3

  11. […] Frau Meike sagt: Die verlorene Ehre der schreibenden Zunft […]

  12. Danke! Ich kann dir da mit jeder geschriebenen Silbe nur zustimmen. Es gibt ihn noch, den guten Journalismus. Nur in der heutigen Zeit muss man ihn regelrecht suchen.

  13. DANKE: Und das sage ich bewusst als Journalistin. Ich habe in Frankreich die Pressekonferenzen der Staatsanwaltschaft live mitverfolgt und kann nur sagen: Selbst der Staatsanwalt hat immer wieder betont, dass dies alles nur Annahmen und Wahrscheinlichkeiten seien, die erst einen Gehalt bekämen, wenn die andere Blackbox gefunden und ausgewertet sei und wenn die Ermittlungen im Umfeld des Co-Piloten abgeschlossen seien.
    Gestern kam es genauso ekelhaft: Gleich wurde die Hetzjagd gegen die Depression eingeleitet, obwohl die Statsanwaltschaft versicherte, dafür gäbe es keinen Hinweis.
    Als ich in der Ausbildung war, galt neben der Ethik auch noch das Ernstnehmen von Quellen wie der Staatsanwaltschaft. Heute schwingt sich jeder Buntblattschmierer zum Richter auf :-(

  14. Die Diskussion über die Nennung von Namen kommt immer auf, wenn ein großes Unglück passiert, und selten, wenn es ein kleines gibt. Ebenso die Berichterstattung darüber. Fakt ist nunmal, das solche Ereignisse Nachrichten sind, und Fakt ist auch, das Namen Nachrichten sind. Gerade in einem solchen Fall, in dem eine Person im Mittelpunkt steht (und zumindest das sollte unstrittig sein).
    Mich würde interessieren wie eine Berichterstattung aussieht, die alles sorgfältigst abgewogen hat, weder die Interessen der Opfer verletzt noch der (mutmaßlichen Täter), und – wie es der Spiegel vorgegaukelt hat zu tun – abwartet, bis alles aufgeklärt ist. Um das klarzustellen: Witwenschütteln ist nur der Boulevardausdruck für eine journalistische Recherche um Umfeld eines Unglücks, und das ist relativ normal. Die Frage ist nicht ob, sondern wie man das macht. Und damit kommen wir zur Differenzierung: Schmierblätter wie die BILD, teilweise sogar der Spiegel, werden immer Klickstrecken machen und sich einen Dreck um die Privatsphäre kümmern. Dabei aber alle journalistische Arbeit zu verteufeln, bringt nichts. Und noch etwas: Die Welt ist ein Dorf. Wenn ringsherum die Namen kursieren, sogar auf CNN veröffentlicht werden, und irgendwann ohnehin das Manifest veröffentlicht wird, ist es etwas Vogel-Strauß-artig so zu tun als wenn man auf einer Insel lebt.

  15. Sensationsgier und menschliche Neugier ( lt. Duden: “Beherrschtsein von dem Wunsch, etwas Bestimmtes zu erfahren, in Angelegenheiten, Bereiche einzudringen, die besonders andere Menschen und deren Privatleben o. Ä. betreffen”) liegen anscheinend nahe beieinander; beide enthalten eine Gier, die es scheinbar zu stillen gilt. Ich finde, die genannte Gier zu bedienen, das hat mit seriöser Informationsvermittlung und unabhängiger faktenbasierter Berichterstattung nichts zu tun. Praktisch kann die zunehmende mediale Vielfalt ihr Potential zur Information doch nur sinnspendend entfalten bzw. zur sog. öffentlichen Meinungsbildung wertschöpfend beitragen, wenn die Informationen durch die “schreibende Zunft” verantwortungsbewusst vermittelt werden und gleichzeitig eine medienkritische Nutzung (die geübt sein will) erfolgt.

  16. Zum ersten Mal fiel mir bei diesem schlimmen Unglück auf, dass sich inzwischen auch die Onlineausgaben der Zeitungen, die ich bisher für halbwegs seriös gehalten habe, in die Niederungen des Boulevardjournalismus versteigen und sich nicht zu schade sind, sich an jede dortige Spekulation sofort dranzuhängen. Unglaublich, was dort alleine anhand einer Tonbandaufnahme, auf der Atmen zu hören ist, quasi als Fakt festgestellt wird.
    Vieles davon ist in diesem Stadium so unbeweisbar wie haarsträubend, dass es einem die Zehennägel aufrollt. Da werden Fotos eines völlig Unbeteiligten in verschiedenen Blättern als Andreas L. veröffentlicht und er als Massenmörder betitelt… da verbreiten amerikanischer “News-Sites” “aus sicheren, deutschen journalistischen Quellen” (schlecht übersetzt und zitiert: ein rechter Verschwörungsblog), der Copilot wäre zum Islam konvertiert und es wäre ein deutsches 9/11, woraufhin sich Tausende nicht entblöden geifernd zu kommentieren, das wäre doch klar gewesen und man müsse diese Religion ein für allemal ausrotten… da belagern “Journalisten” das Wohnhaus der Eltern des Copiloten, die Schule in Haltern, die Häuser der Opferfamilien und bieten 75 € für Interviews wie auf einem Fischmarkt, als wären wilde Spekulationen durch gesonserte Passantenmeinungen (die niemanden persönlich kennen) untermauerbar. Das ist bodenlos, pietätlos, respektlos, unprofessionell und man könnte sich den ganzen Tag fremdschämen.

    Mit Gruß,
    Katja

  17. liebe frau meike,

    bin ich herzlos, wenn ich sage, daß ich mediale (groß-)ereignisse dieser art so weit wie möglich scheue und grundsätzlich keine zeit daran verchwende, mich von dieser leichenfleddernden zunft in ihr hamsterrad treiben zu lassen? oder schlimmer noch, wenn ich sage, daß menschen in jeder minute überall auf dem planeten sterben, deren tod uns nicht interessiert, weil eben keine “xyz deutsche” beteiligt waren und uns die ghoul-fraktion nicht das mitleid aus der seele quetschen kann?

    bin ich naseweis, wenn ich auf das dào verweise und seine einstellung des “nicht tuns” jenseits des “mitempfinden aber nicht verstrickens” des buddhismus?

    ich mag deinen beitrag, wie immer, aber … schon zu sagen, daß man es nicht mag, daß .. heisst, teil zu werden von … mir ist am sonntag eines von fünf katzenbabies gestorben. das war in meinem leben, es war physisch, es hat mich geschmerzt, weil es “real” war – und kein “kitsch”.

    meldungen in dieser leihen fleddernden, sich von toten ernährenden zunft, die nach unserr aufmerksamkeit giert, sind teil von etwas, an dem wir besser nicht teilhaben sollten, auch nicht als das andere ende, das dnn doch das IST zementiert.

    jetzt wird sicher einer sagen: “ein katzenbaby gegen so viele menschenleben?!”

    das ist die natur der sache in diesem nach aufmerksamkeit gierenden hamsterrad, zu der das internet verkommen ist und in dem wir tagein tagaus rennen und unserer empörung luft machen müssen.

    als wäre das real. ist es nicht. vier babies haben überlebt. ich bin so herzlos zu sagen, daß _das_ für mich “real” ist. morgen wird ein anderes flugzeug abstürzen, ein junger mann in einer schule amok laufen, ein politiker etwas sagen, was uns erregt. irgendwas ist ja immer.

    trotzdem danke für deinen beitrag, dem ich – jenseits meines einwurfs – in gänze zustimme, aber wir sollten den nächsten schritt gehen und beginnen, unsere verachtung durch “nicht tun” ausdrücken.

    das mag nach aussen nicht sichtbar sein, aber nach innen ist es “heilsam”.

    liebe grüße aus der garage.

  18. Danke für diesen Artikel!
    Die Inflation der Sensationslust schreitet fort. Ich bin davon überzeugt, dass zu einem solchen evolutionären Prozess zumindest zwei Parteien gehören: die Schreiber und die Leser. Das Noch-mehr-haben-wollen und das Noch-mehr-bieten-wollen ergänzen einander.
    Ich finde es inakzeptabel und es stimmt mich traurig, dass allgemeine Werte wie Ethik, Respekt, Rücksichtnahme und Wertschätzung gerne und leichtfertig über Bord geworfen werden und dass als Lohn dafür Einfluss, Macht und Geld auch tatsächlich lukrierbar sind.
    Mit Mitgefühlt gilt den Hinterbliebenen aller Opfer gleichermaßen.

  19. Je länger ich darüber nachdenke, desto mehr Zweifel kommen mir an dieser Theorie des erweiterten Selbstmordes. Fest steht bislang ja nur, dass der Copilot krank geschrieben war. Überhaupt nicht fest steht, um welche Krankheit es sich handelt. Es wird einfach nur behauptet, es handele sich dabei um Depressionen. Aber das ist eine Behauptung im luftleeren Raum, die durch keinerlei Fakten gestützt ist. Es könnte auch einfach eine Erkältung gewesen sein. Deutschland hat immer noch mit einer Erkältungswelle zu kämpfen, eine Erkältung, die besonders hartnäckig ist. Ich selber habe oder hatte diese Erkältung auch. Und ich bin auch schon mal gegen den Willen des Arztes zur Arbeit gegangen, einfach, weil es notwendig war. Wer garantiert, dass der Fall bei dem Piloten anders liegt?

    Weiter: Die der Öffentlichkeit bekannten Informationen aus dem Stimmenrekorder besagen etwa folgendes: Der Pilot verlässt das Cockpit. Nach einiger Zeit kehrt er zurück und klopft leise an die Tür. Es wird nicht geöffnet. Er klopft lauter. Keine Reaktion. Er klopft noch lauter und versucht, verbal den Copiloten zu erreichen. Keine Reaktion. Schießlich versucht er, die Tür einzutreten. Ich stelle hier mal eine andere Interpretation vor:

    Der Pilot muss mal und verlässt das Cockpit. Der Copilot verriegelt aus Sicherheitsgründen die Tür (dazu ist die Verriegelung ja schließlich da). Der Pilot kehrt zurück und klopft ganz normal an die Tür. Das lässt darauf schließen, dass er erwartet hat, auf dieses Klopfen hin wird ihm die Tür geöffnet. Er rummst nicht zuerst bei dem Versuch, die Tür selbst zu öffnen, dagegen. Also wusste der Pilot, dass die Tür zu war, und wollte den Copiloten veranlassen, ihm zu öffnen. Der hat aber nicht reagiert.

    Was, wenn der Copilot, vielleicht aufgrund seiner Krankheit, ohnmächtig wurde? Er ist ohnmächtig nach vorne gesunken, gegen den Steuerknüppel, und hat dadurch den Sinkflug ausgelöst.

    Natürlich sind das nur Vermutungen und Schlussfolgerungen aus dem Wenigen, was ich weiss. Aber diese Schlussfolgerungen scheinen mir logischer zu sein als das, was so durch die Medien getrieben wird.

    • Der Sinkflug kann wohl nur durch koordinierte Handgriffe an einem Drehknopf ausgelöst werden, nicht durch bloßes “Dagegenkommen”.

      Aber es kursieren diverse Angaben “aus Ermittlerkreisen”, die auf eine psychosomatische, also auch körperliche Symptome umfassende, Erkrankung schließen lassen. Einige Zeitungen sprechen sogar von Sehproblemen. Dadurch dass der Mann trotz Krankschreibung, lies: Arbeitsunfähigkeit, arbeiten ging, trägt er die Verantwortung für das, was geschehen ist, aber es ist einfach nicht hinreichend bewiesen, ob er (selbst-)mörderische Absichten hatte oder ob auch körperliche Ausfälle ihn zu der Entscheidung gebracht haben könnten, den Sinkflug einzuleiten. Zur Bewertung der Schuldfrage, und damit der Tonalität der Berichterstattung, macht das einen Riesenunterschied.

  20. Manchmal gelingt es, mit Wut im Bauch großartiges Texte zu formulieren. Dieser hier bringt das mediale Komplettversagen, die Kapitualtion vor dem Gossenjournalismus auf den Punkt. Vielen Dank dafür!
    Bleibt noch zu betonen, auf welch erschütternde Art sich auch einst seröse Magazine und Tageszeitungen die Hände schmutzig gemacht haben, auch wenn das Zentralorgan der Niedertracht natürlich wieder weit vorne liegt.

  21. Besser kann man es kaum formulieren, auch von mir ganz herzllichen Dank!

    Leider kann ich auch den Kommentatoren hier nur zustimmen, dass die Grenzen zwischen öffentlich-rechtlichen und Privatsendern, zwischen sich als Qualitätsmedien gerierende Organe wie FAZ, ZEIT, SZ und Dreckschleudern wie SPRINGER-Erzeugnissen, Express etc geschleift worden sind.

    Besonders scheinheilig sind die Einleitungen à la “wir wollen uns nicht an Spekulationen beteiligen, aber …”.

    Ergänzend bleibt noch festzustellen, dass das Etikett “Experte” seinen Wert vollständig verloren hat; jeder mit einem Modellflugzeugbaukasten daheim nennt sich jetzt Luftfahrtexperte.
    Die Konsultation von den wenigen tatsächlichen Fachleuten ist eine Alibi-Veranstaltung, da die allerwenigsten Medien ihre Berichterstattung aufgrund der eingeholten Experten-Statements und Einschätzungen die eigene Berichterstattung berücksichtigen.

    Es macht ein wenig Mut, dass sich viele Leute sich bei Sendern, Verlegern, Presserat und Medienanstalten beschweren – oder so gelungene Beiträge wie Frau Meike schreiben.

    Der Qualitätsjournalismus lag aber schon lange vor dem Absturz auf der Intensivstation; seit dem Germanwings-Absturz ist er aber mausetot.

  22. Vielen Dank für diesen Text. In einer Zeit, in der Selbstkritik in den Medien größtenteils nur als Nestbeschmutzung empfunden wird, tut es gut, derart deutliche und wahre Worte zu lesen.

  23. […ausschließlich die Aussagen des Marseiller Staatsanwaltes, die sämtlich Interpretationen der Tonaufnahmen aus dem Cockpit sind]
    und die (öffentlich einsehbaren!) Flugdaten.
    Ersteres ist seit der Pressekonferenz des Staatsanwalts bekannt, Letzteres seit kurz nach dem Absturz.
    Ich verstehe den Aufschrei “Die Presse hat uns belogen” nicht so ganz. Wer sich zu Ereignissen wie diesem Informationen aus den “Standard-Medien” holt und vollkommen unkritisch damit umgeht der muss sich nicht wundern.
    Die Kritik an den Medien ist sicher mehr als berechtigt, der Konsument darf dabei aber nicht aus der Haftung genommen werden.

  24. >> und wie viele andere mäanderte ich durch das Netz, auf der Suche nach Informationen, die das Unbegreifliche erklären <<

    Hier schreiben Sie sehr schön, warum Sie quasi keinen Deut besser sondern genau die Zielgruppe sind. Wie können Sie berechtigten Anstand und Ehre erwarten, wenn Sie selbst nach Informationen gieren? Wie können Sie erwarten, dass die Redaktionen Abstand nehmen und sich Zeit lassen, wenn Sie nichts besseres zu tun haben als sofort nach Ursachen zu googlen?

    Was die gesamte Medienriege tut ist abartig und für mich ein Grund gar keine trad. Medien mehr zu lesen, egal ob BILD, SZ, FAZ, ÖR oder TAZ – alle gleich, keiner nur einen Deut besser als der andere.

    Aber so lange Sie selbst nur nach News und nicht nach Fakten gieren, spüre ich eine gewisse Doppelmoral in Ihrem Text.

    • 1. Ich schrieb, dass ich Informationen suchte, nicht “News”.
      2. Ich schrieb auch, dass eben der verzweifelte Wunsch nach Erklärungen beim geschockten Publikum zu der Situation beiträgt. Der Punkt ist, dass ich erwarte, dass die Presse diesen Wunsch nicht ausbeutet, sondern ihrer aufklärerischen Sorgfaltspflicht nachkommt.

    • @Somaro

      Man kann im Netz auch nach offiziellen Statements, also Originalquellen, suchen.

      Dort findet man z.B. alle drei Presseerklärungen der Staatsanwaltschaft Düsseldorf im Originalwortlaut.

      Gerade heute Nachmittag kann man wieder einmal sehen, was aus diesem O-Ton gemacht wird (Überschriften Onlinemedien, Tweets, Radio- und TV-Meldungen) und wie viele der Story einen anderen Spin geben. Zugegebenermaßen sind ausländische Medien, incl. BBC, keinen Deut besser oder oft noch unseriöser als deutsche Medienvertreter.

      • Es gibt ein Luftfahrtblog (nenne ich jetzt nicht, um nicht den Verdacht aufkommen zu lassen, ich würde dafür werben), das in seiner Berichterstattung STRIKT UND AUSSCHLIESSLICH offizielle Quellen verwendet. Also keine Kommentare aus Internetforen, keine Social Media-Gerüchte, und keine Nachrichten aus Presse, TV und Rundfunk.

        Sondern nur Statements von Befugten, d.h. Luftfahrtsicherheitsbehörden, Untersuchungskommissionen, Gerichte, offizielle Ermittler, Flugzeug- und Triebwerkshersteller (soweit es sich auf eigene Produkte bezieht), Fluggesellschaften (soweit es sich auf eigenes Geschäft bezieht), selten auch mal Piloten und andere Branchenzugehörige.

        Für mich ist diese Webseite ein guter Kompromiss, da auch ich meine Neugier nicht verleugnen kann. (Den Kommentarteil unter den Berichten kann man allerdings vergessen, der ist genauso grauslig wie überall auch.)

  25. In der WAZ wurden zwei kritische Leserbriefe zum Thema Persönlichkeitsrecht des Vielleicht-Schuldigen abgedruckt, darunter dann eine Stellungnahme der Redaktion: Man habe sich nach (…) “kontroverser Diskussion dazu entschlossen, das Bild des Co-Piloten zu zeigen. Die zentrale Frage, die wir und gemeinsam mit unseren Lesern stellen, war und ist: Wer ist zu einer solchen Tat fähig?…”
    Woraufhin ich mir nur die Frage stellen kann, ob die Abbildung des Co-Piloten, ebenfalls geklaut von dessen Facebook-Page, diese Frage der Redaktion, also die danach, _wer_ jemand ist, der “zu sowas” fähig ist, wohl beantwortet. Ich habe nur das Bild eines jungen, und nun toten Mannes gesehen. Fragen hat mir das Bild nicht beantwortet.

  26. Ich lese – ich beurteile – ich habe eine Meinung – ich sage zu obigem Text “Reschpekt” – ich trappatonisiere

  27. Ich finde es trotzdem schwierig. Genau wie Sie, Frau Meike, bin ich nach den ersten Nachrichten auf der Suche nach Informationen durch das Netz gesurft. Ich und die anderen wahrscheinlich auch wollten so gerne verstehen, was da Schlimmes passiert ist. Und diese Suche befeuert zu einem Teil die Medien, die versuchen, das Unfassbare zu verstehen. Was zu einem frühen Zeitpunkt nicht möglich ist. Aber alle, wir, ich, erwarten doch sofort was von den Medien. Die, wenn sie seriös sind, das Nichtverstehen, Nichtwissen in viele Worte und Bilder kleiden. Und wenn sie boulevardesk sind, treten Sie halt die Persönlichkeitsrechte der Betroffenen mit Füßen und zerren alle an den medialen Pranger. Ich will hier nicht die Bildzeitung entschuldigen (deren Berichterstattung, wenn man es denn überhaupt so nennen will, ist indiskutabel, keine Frage), aber eine Lösung für das Dilemma habe ich nicht.

  28. Liebe Frau Lobo,

    ich danke Ihnen für diesen Artikel, denn er gibt mir Hoffnung, dass es vereinzelt doch noch Menschen der “schreibenden Zunft” gibt, die ihren Auftrag richtig verstehen.

    • Weil das jetzt schon öfter kam: ich bin keine Journalistin, nicht Teil der “schreibenden Zunft” und mache auch nichts mit Medien. Ich schreibe hier in meinem privaten Blog und bin ansonsten Leserin, Konsumentin, Nutzerin, mehr nicht.
      (Dennoch vielen Dank für das Lob.)

  29. Ich höre täglich kurz in die Radionachrichten hinein, wechsele ab und an die Sender und mache mir Gedanken zu den (möglicherweise) bekannten Fakten. [Aber z. B. auch darüber, ob man im Falle eines “depressiven” Selbstmörders davon sprechen könnte, dass er die anderen Menschen “mutwillig” mit in den Tod genommen hat. Ich denke, ein Selbstmörder ist eher am Leben verzweifelt und in diesem Sinne mutlos, so dass “mutwillig” hier der falsche Ausdruck wäre. Wer weiß schon, was in einem anderen Menschen vor sich geht?] Ansonsten versuche ich abzuwarten.

  30. Mein Beileid, für die Toten “aller” Flugzeugabstürze, Autounfälle, Schiffsunglücke, Kriegstoten, Sterbenskranken, Gefolterten, Gemordeten, u.v.m. Zu den Medien ist zu sagen, sie sind alle nur zum Selbsterhalt der Medienschaffenden da, korrupt, in der Funktion den Konzernen dienend. Da gibt es keine Ausnahme. Wie diese globalen, gehirnwäscheartigen Massenmedien, funktionieren, erläutert z.B. Matthias Eckholdt, Noam Chomsky, McLuhann, Focault, etc. sehr ausgiebig. Und Edward Snowden, als Insider, zeigt doch wohl auf, was alle Medien, Film, Theater, Print, Musik, Plakat, Public Relations (Edward Bernays), etc. verbindet. Manipulation im Dienste der globalen Konzerne, gleichgeschaltet, bewiesener Maßen. Wie eine Vergewaltigung, eine unsichtbare Vergewaltigung und wie der Mißbrauch einer gesamten Menschheit. Also sollte man von diesem widerwärtigem Gemache nichts ausschliessen. Sie sind alle gleich. Nur im Internet kann man noch einige finden, die an den tatsächlichen Geschehnissen interessiert sind. Nur die verdienen wohl wirklich sehr wenig Geld. Mit der Warheit hat es auch noch so einiges auf sich.
    Zitat aus Wikipedia:
    Die Kernaussage des radikalen Konstruktivismus ist, dass eine Wahrnehmung kein Abbild einer bewusstseinsunabhängigen Realität liefert, sondern dass Realität für jedes Individuum immer eine Konstruktion aus Sinnesreizen und Gedächtnisleistung darstellt.
    Das scheint mir sehr richtig, was soll das also mit der dauernden Berufung auf Warheit ? Wer Warheit ungewöhnlich oft zitiert, bei dem stimmt ziemlich sicher etwas nicht. Genauso, wie der Gebrauch eines Wortes wie “Lügner” oder Ehrlich, in der bild (was immer das auch sein soll), natürlich darauf hinweist, das diese Leute Lügner sind.

  31. Ich bin überwältigt, das ist das Beste was mir zu dem Thema vor die Augen gekommen ist. Ich habe zwischenzeitlich auch die Nachrichten von ARD/ ZDF ausgeschaltet, ich will keine trauernden Menschen sehen und verlange von allen Medien sich davon fern zu halten.

  32. Was ich befremdlich finde sind die “Fan-Seiten” auf Facebook unter dem Namen “Andreas Lubitz”… man weiß nicht, wer die betreibt und wer so viel Zeit darauf verwendet alle paar Stunden “News” aus dem Netz zu posten. Naja, und dann die Theorien er wäre zum Islam konvertiert, wurde von einigen schon “gefeiert”, bis auf CNN eine Iranerin interviewt wurde, die ihren Bruder bei dem Flug verloren hat. Dass man ein gewisses Interesse an den Umständen hat, das kann ich nachvollziehen… aber wieso Privatpersonen so einen (egal ob Pro oder Anti-) Kult um einen vermeintlichen Selbstmörder betreiben, das ist mir ein Rätsel… hier: https://www.facebook.com/pages/Andreas-Lubitz/1565862750338783?sk=info&tab=page_info

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