Schreiende Lämmer – Das Nachspiel

Mein Artikel “Das Schreien der Lämmer”, den ich zu der aktuellen Sexismus-Debatte schrieb, hat einiges an Erschütterungen ausgelöst. Erschütterungen, die in der Sache so unterschiedlich waren, dass ich sie hier zumindest zum Teil wiedergeben, zusammenfassen und kommentieren möchte. Ich möchte auch den Artikel selber noch ein wenig feinschleifen und einige Punkte daraus, die offenbar besonders missverständlich waren, richtigstellen.

Ihr kennt das Spiel. Es wird lang.

1.) #Aufschrei und Miteinander

Offenbar ist durch meinen Text der Eindruck entstanden, ich hielte #Aufschrei für unnötig und überflüssig. Das Gegenteil ist der Fall. Ich halte #Aufschrei sogar für sehr wichtig. Wie ich in dem Artikel schrieb, habe ich viele Dinge dort gelesen, die ich sehr erschreckend fand. Und natürlich halte ich es für richtig, dass die Welt von diesen Dingen erfährt.
Das, was ich jetzt aber wichtig finde, ist, sich nicht auf die Beschreibung des Problems und die Anklage zu beschränken, sondern in den Dialog zu treten. Frauen mit Frauen, Frauen mit Männern, Männer mit Männern.
Mit Dialog meine ich “Lasst uns GEMEINSAM schauen, was WIR ändern können, sollen und müssen, um das Miteinander respektvoller für uns alle zu machen”.

Da Sexismus ein Teilaspekt des Umgangs der Geschlechter miteinander ist, ist es in meinen Augen wichtig, einen Schritt zurücktreten und diesen Umgang als Ganzes zu betrachten.

Beide Geschlechter müssen sich aufeinander einlassen, auf die unterschiedlichen Gefühle, die Welten, die Wunden, die Geschichten, die Männer und Frauen zu erzählen haben. Männer und Frauen müssen lernen, einander ernst zu nehmen, einander zu respektieren, sich füreinander zu interessieren und die Rätsel des anderen nicht in bester Mario-Barth-Manier als unauflösbar und vor allem irgendwie lächerlich zu sehen.
Und das Allerwichtigste dabei: beide Geschlechter müssen all das WOLLEN.
Sich gegenseitig kennenzulernen und als gleichwertig wahrzunehmen.

Frauen wie hormonell bedingt nahe an der Unzurechnungsfähigkeit rangierende Dummchen zu behandeln, wie das viele Männer jeden Tag tun, ist nicht hilfreich.
ABER.
Männer kontinuierlich als zurückgebliebene, tumbe Idioten darzustellen, die sich nicht selber anziehen können, jede Sekunde nur auf eine Gelegenheit lauern, Frauen Gewalt anzutun, und auch sonst kaum über das Cromagnon-Stadium hinausgekommen sind, wie ich das mittlerweile bei vielen Frauen gesehen habe, ist ebensowenig hilfreich.

In der bisherigen Debatte fehlte mir oft die Bereitschaft von beiden Geschlechtern, sich gegenseitig zuzuhören und ernstzunehmen, und das hat mich sehr traurig und wütend gemacht.
Wir alle, Menschen, die wir sind, werden vermutlich noch eine ganze Weile auf dieser grausamen und wunderschönen Erde leben, und wir werden es zusammen tun. Und wenn wir weiter Kinder kriegen wollen, müssen die Geschlechter irgendwie miteinander interagieren.

Ist es wirklich sinnvoll, diese Zeit mit Position und Gegenposition, mit Gewalt und Widerstand zu verschwenden? Mit GeschlechterKAMPF?
Das werden dann aber ungemütliche Jahrhunderte.
Warum nicht endlich anfangen mit GeschlechterVERSÖHNUNG?

2.) Geltungsbereich

Nichts, was ich in meinem Artikel geschrieben habe, gilt IMMER oder FÜR ALLE. Das habe ich nicht deutlich genug gemacht, das ist mir später klargeworden.

Auch eine Frau, die selbstbestimmt und selbstbewusst durch ihr Leben geht, kann ein Opfer werden. Auch eine Frau, die Verantwortung für ihr Leben und seine Gestaltung übernimmt, kann in eine Situation geraten, aus der sie sich nicht befreien kann.
Das, was mich im Vorfeld zu meinem Artikel am meisten geärgert hat, war die Implikation eines WIR-Gefühls. DIE Frauen. Jede. Immer. Alle.
So, wie ich nicht wollte, dass die Betroffenen verallgemeinern, war es auch nicht meine Absicht, das selber zu tun.

Es kann immer nur um Tendenzen, Grundprinzipien und (zumindest gefühlte) Mehrheiten gehen.

3.) Verantwortung/Opferhaltung

Diese Positionen haben am meisten Kritik erzeugt, deshalb will ich sie ergänzen und noch ein wenig erläutern.
Doch das Wichtigste vorne weg:

Niemand, keine Frau und kein Mann, ist selbst Schuld, wenn ihm Gewalt angetan wird.
Ganz gleich, welche Kleidung der Mensch trägt, welches Geschlecht er hat, ob er sich gewehrt hat und ob er homo-, hetero-, bi- oder sonstwiesexuell ist.
Niemand ist selbst Schuld, wenn ihm Gewalt angetan wird.

Ein “Nein” ist immer ein “Nein”, egal, ob es verbal oder durch Körpersprache, ob es laut oder leise geäußert wird.
ABER.

Es muss geäußert werden.

Und das meine ich viel grundsätzlicher als nur auf konkrete (Belästigungs-) Situationen bezogen.
Wahrscheinlich durch körperliche Überlegenheit der Männer hat sich über Jahrtausende der Menschwerdung ein Machtgefälle der Geschlechter herauskristallisiert.
Hierarchische Strukturen, in denen die Frau als schwaches Ding gesehen wurde, in denen Frauen stillzuhalten, ihre Sexualität dem Gebieter unbegrenzt zur Verfügung zu stellen, sie ansonsten aber völlig verborgen zu halten, sich um Heim und Kind zu kümmern und die anspruchsvollen Arbeiten dem Mann zu überlassen hatten.

Das hatte viele und vielschichtige Folgen, von denen ich hier nur zwei herausgereifen will:

  • Es manifestierte sich bei den Männern eine Geringschätzung der Frau.
    Aber “Frauen können nichts” und “Ich traue Frauen nichts zu” sind unterschiedliche Dinge und das kommt erst langsam, zu langsam auch für meinen Geschmack, bei den Männern an.
  • Bei Frauen manifestierte sich zum Einen Angst. In einem Klima, in dem es normal ist, einer Frau Gewalt anzutun, wenn sie Widerworte gibt, sich körperlich verweigert oder sich “in Männersachen” einmischt, lernt man genau eine Lektion: Aufbegehren = Bestrafung. Also begehrt man nicht mehr auf.
    Zum Anderen manifestierte sich die chronische Unterschätzung der eigenen Fähigkeiten, ein “Ich kann nicht”, das sich aus der Tatsache speist, dass man nie die Chance hatte, sich selbst das Gegenteil zu beweisen.

Beide Haltungen müssen durchbrochen werden.
Weil beide Haltungen diese Machtstrukturen stärken und — und schlimmer noch — ihr Fortbestehen in der Zukunft begünstigen.

Ich wünsche mir, dass die Frauen, die das betrifft, verstehen, dass dieses “Ich kann nicht” eine Illusion ist.
(Wie gesagt: natürlich gibt es viele Situationen, in denen eine Frau WIRKLICH nicht kann, weil z.B. Leib und Leben in Gefahr sind, aber es wird hoffentlich niemand behaupten, dass alle Frauen, die in den letzten zwei Tagen via #Aufschrei von Missständen berichtet haben, sich in körperlicher und/oder existenzieller Gefahr befinden).

Das “Ich kann nicht”, das Aushalten, das Sich-selbst-kleinreden, das Sich-nicht-trauen ist eine Illusion. Mit der Muttermilch von Jahrtausenden aufgesogener, antiquierter Quatsch, der genauso hinterfragt UND ABGELEGT werden muss wie die männliche Überlegenheitshaltung.

Ich habe gestern versucht, in den Kommentaren aufzuzeigen, dass ein “Ich kann nicht” oft auch ein “Ich habe Angst, die Konsequenzen auszuhalten” ist. Diese Angst ist unangenehm und kann lähmend sein, ich selbst habe sie mehrmals in meinem Leben gespürt, aber sie ist nun einmal etwas anderes als ein “Es ist unmöglich, weil ich in einer Notlage bin”.
Und hier sage ich, es ist die Entscheidung jedes Einzelnen von uns, ob er Energie in das Aushalten einer quälenden Situation stecken möchte oder in ihre Veränderung. Man kann für immer Gründe gegen die Veränderung finden oder irgendwann anfangen, Gründe dafür zu suchen.
Weil dieses kaum greifbare Phantom “Gesellschaft” nicht bei den anderen anfängt, sondern bei einem selber.

Lämmer und Stillhalter gibt es natürlich unter Frauen und Männern.
Aber aufgrund der oben geschilderten historisch bedingten Machtstrukturen, sind Angst, geringes Selbstbewusstsein, geringes Selbstwertgefühl und das grässlich hartnäckig verinnerlichte “Ich traue mir das nicht zu” unter Frauen weiter verbreitet, bzw. haben Frauen nicht die ebenfalls anerzogenen Maßnahmen parat, mit denen Männer ein geringes Selbstwertgefühl kompensieren, nämlich u.a. durch Aggressivität gegen Schwächere.

Deshalb ging mein gestriger Aufruf, Verantwortung für das eigene Leben zu übernehmen, so direkt an Frauen.
Er richtet sich aber genauso an die Männer.

4.) Dir stimmen die falschen Leute zu

In jeder Diskussion, in der man keine eindeutige Position zu Schwarz oder Weiß bezieht, werden einem immer auch Schmeißfliegen zustimmen. In der Debatte über die sprachliche Bereinigung von Kinderbüchern haben die Gegner dieser Maßnahme sicher auch das eine oder andere Argument genannt, das anschließend von rassistischen Ärschen für ihre Zwecke missbraucht wurde.
Möglicher Missbrauch von Meinungen durch dumme Menschen, kann nicht der Grund sein, bestimmte Dinge nicht zu sagen. Solange man sich selber deutlich von den Schmeißfliegen distanziert, ist das legitim. (s. hierzu Punkt 6.) Kommentare)

5.) Diskussionskultur – WTF?!

Ich hätte mir gewünscht, mein Artikel wäre — so streitbar meine Positionen selber auch sind — als Beitrag, als Zusatz, als Ergänzung, als eine Stimme von einer weiteren Frau in dieser Debatte behandelt worden. Dass meine Positionen viel Kritik auslösen würden, war mir beim Schreiben klar. Aber was ich in den letzten zwei Tagen zum Teil an Meinungen und Kommentaren habe lesen müssen, hat meinen Unterkiefer runterklappen lassen.

  • Zum Blocken, Entfolgen und Nichtlesen aufzurufen, ist keine Kommunikation.
  • So zu tun, als sei jeder, der auch nur einen Millimeter von der Opferperspektive abweicht, ein Psychopath, ein Maskulist, eine Verräterin, antifeministisch und unempathisch noch dazu, ist keine Argumentation.
  • Meinen Artikel, in dem ich völlig unterschiedliche Punkte angesprochen habe, auf “Vergewaltigungsopfer sind selber Schuld” zu verkürzen, ist keine Analyse.
  • Die Möglichkeit anderer Meinungen schlicht zu ignorieren, ist nicht Diskussionskultur.

So sehr ich diese heftigen Reaktionen bei diesem schwierigen Thema und in der aktuell sehr aufgeheizten Atmosphäre verstehen kann, halte ich sie doch für ziemlich dumm.

Und zu sehen, dass selbst Stimmen der deutschen Twitter- und Bloglandschaft, die ich bisher als intelligent, differenziert und genau beobachtend wahrgenommen habe, so plump, unreif und aggressiv reagiert haben, finde ich vorsichtig ausgedrückt enttäuschend.

6.) Kommentare

Ich hatte bereits in dem Artikel angekündigt, nicht alle Kommentare freizuschalten. Möglicherweise hat das die richtigen abgehalten. Oder meine Kommentarspalte ist besser als der Ruf, den Kommentarspalten für gewöhnlich genießen.
Es sind rund 220 Kommentare eingetrudelt, von denen ich bis gestern Abend lediglich 30 aus Inhaltsgründen nicht freigeschaltet habe.

Es waren dies vor allem Kommentare, die nur die Argumentation wiederholt haben, die mich so wütend gemacht und zum Schreiben des Artikels veranlasst hat. “Ich kann nicht, es geht nicht, Frauen sind nun mal schwach, nicht jeder ist so selbstbewusst, Wehren bringt nichts” und natürlich immer wieder die Gleichstellung von körperlichen und verbalen Angriffen.
Andere Kommentatoren haben meinen Artikel einfach so grundlegend falsch verstanden, dass es mich vermutlich nochmal sechs Stunden gekostet hätte, meinen Standpunkt so zu erklären, dass er am Ende nicht zu “Vergewaltigungsopfer sind selber Schuld” zusammengezogen wird.

Die letzte Gruppe Kommentare, die ich durch die Bank nicht freigeschaltet habe, waren — und das wird all jene überraschen, für die ich quasi ein Vergewaltiger im, haha, Frauenpelz bin — Kommentare mit dem Inhalt, Männer seien aber auch Opfer. Von Frauen, von sexueller Gewalt, von Vorurteilen und was weiß ich noch alles.
Vor dem ungeheuren, ja, ungeheuerlichen Berg sexueller Gewalt, der Frauen weltweit jeden Tag ausgesetzt sind, empfinde ich solche Äußerungen als selbstgerecht, höhnisch und verachtend.

Ach ja, diverse Pingbacks habe ich auch gelöscht, zumeist Artikel, die sich auf Aufschrei-Linksammlungen beschränkten.

Epilog

Am Ende will ich Danke sagen.

  • Danke für eine Diskussion, die zumindest auf meinem Blog zum überwiegenden Teil sachlich geführt wurde.
  • Danke denjenigen Kritikern, die meinen Artikel überhaupt als Debattenbeitrag verstanden und damit für diskutierungswürdig befunden haben. Es waren dies für mich vor allem (es gibt sicher noch viel mehr, aber ich habe bei der schieren Masse an Reaktionen schlicht nicht alle lesen können): Journelle, Wolfgang Lünenbürger-Reidenbach, der Kommentar von Antje Schrupp, der Kommentar von der Poetin.
  • Danke auch meinen eigenen Kontakten und Freunden bei Facebook und Twitter, die, obwohl sie meine Haltung ganz oder in Teilen ablehnten, es trotzdem schafften, mich weiterhin zu schätzen und/oder zu mögen.
    Ich habe in den letzten zwei Tagen viel von Euch über Toleranz gelernt. ♥

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52 Kommentare

  1. Wenn du sagen würdest, rein hypothetisch muss jede Frau in der Lage sein sich zu wehren, dann könnte ich dir recht geben. Manche Erfahrungen sind so traumatisierend, dass es den betroffenen Frauen in dem Moment und der Lage aber einfach nicht möglich ist und sie einfach nicht kann. Sie sollte können, sie müsste können aber ganz praktisch kann sie nicht. Mir ist in der Ubahn mal jemand absichtlich etwas zu nahe gerückt, ich bin selbstbewusst und emanzipiert und trotzdem hat mich diese Situation so getriggert, dass ich mich nicht wehren konnte. Es ging körperlich nicht, weder konnte ich etwas sagen noch bewegte sich mein Körper. Und so etwas passiert sicher nicht nur mir und darum fehlt mir dieser Aspekt in vielen Artikeln. Aus diesem Grund ist es wichtig und notwendig, dass sich Frauen äußern und wehren die es können. Andere Frauen zu ermutigen es ihnen gleich zu tun aber niemals und unter keinen Umständen auch nur daran denken darüber urteilen zu können, ob eine Frau sich wehren kann oder nicht.

    Jetzt, wo ich diese Situation wieder und wieder reflektiert habe, würde ich auch behaupten, dass ich mich nächstes mal wehren kann. Wemm mein Körper mich nicht wieder im Stich lässt.

  2. Beide Beiträge und die Kommentare gelesen, möchte ich doch mal eins noch loswerden:
    Wir haben schon einige Generationen “Gesellschaft”, die in der Hauptsache von Frauen erzogen wurden.
    Woran haperts, Mädels?

    • Liebe oder auch sehr geehrte (wahlweise) Heike von Au,
      einen Aspekt sehr schön auf den Punkt gebracht.
      Wenn seit den 70ern Frauen konsequent, statt mehrheitlich zunächst den “Alphawölfen” hinterher zu hecheln, schlußendlich sich aber mit der “2. Garnitur zufrieden zu geben” (tolle Beziehungsperspektive), sich von vornherein die angenehmen Charaktere als Genträger/-mittler ausgesucht hätten, gäbe es diese Verhaltensweisen längst nicht mehr. Die anschließende Erziehung der Söhne hätte den Rest noch korrigieren können.
      Hat so offensichtlich nicht funktioniert, warum wohl? ;-)

      • Ach Quark. *Eine* einzige Generation soll da, wenn denn nur richtig von Frauen und verständigen Männern erzogen, ganz plötzlich so ganz anders sein?
        Funktioniert vielleicht auf der berühmten Einsamen Insel, wo dann aber auch sonst keiner rumläuft, der irgendwie andere tradierte Rollenbilder und Verhaltensweisen absondert.

  3. Ich möchte an diesser Stelle den Cromagnon Menschen verteidigen und die als ‘Patriachisch’ bezeichneten Strukturen. Gut, der Chromagnon Mensch hat vor 40.000-12.000 Jahren gelebt und damit in einer Eiszeit, aber sind die Naturgegebenen Strukturen tatsächlich so schlecht und ungerecht?
    Ich möchte behaupten, dass die Aufteilung des Menschen in Jäger und Sammlerin, Sammler und Köchin, Kindererzieherin und Essensbeschaffer, wobei natürlich jeweils nur der Hauptfokus auf die entsprechende Aufgabe, nicht der gesamte Fokus, gelegt ist.
    Ich glaube, das neben einer höheren Gesamteffizienz, die die Aufgabenteilung hervorgebracht hat, es eine sehr gerechte und vor allem gleichwertige Struktur ist.
    Ich glaube, das auch der Cromagnon Mensch eine einfachere Form der Gleichwertigkeit erlebt hat. Ohne den einen war der andere nicht vorstellbar. Eine Dominanz der Männer ist für mich ebenfalls schwer vorstellbar. Die Frauen konnten sich wesentlich besser gesellschaftlich Organisieren, da ihre Aufgaben meist in der Gruppe erledigt wurden und Reden ermöglichten.

    Ich denke, durch eine Schieflage in der Aufgabenverteilung kam erst ein Machtgefüge zugunsten der Männer zustande, das wir jetzt zu beseitigen versuchen. Heutzutage gibt es einfach die alten Rollen nichtmehr. Und auch wenn ich glaube, dass sie gut funktioniert haben, denke ich das sie ihre Zeit hinter sich haben und heute es an uns liegt die unterschiedlichen Anlagen von Mann und Frau gemeinsam in neuen möglichst gleichwertigen (nicht gleichen) Rollen zu verankern.

    Ich hoffe das dieser Prozess ein noch besseres harmonischeres Miteinander hervorbringt, als es in unserer Menschheitsgeschichte bisher jemals möglich war.

    Ich hoffe, ich habe den totgeglaubten Debatten-Kasper erfolgreich reanimiert? ;-)

    • Beim Cromagnonmenschen war die Arbeitsteilung aber nicht freiwillig. Sie basierte nicht auf der freien Entscheidung beider Geschlechter, sondern beide haben die Rolle erfüllt, die ihnen zugedacht oder auch die von ihnen erwartet wurde.
      Das hat nichts mit “Chancengleichheit” oder “freier Berufswahl” zu tun.

      Die Gleichwertigkeit, die Sie nennen, ist eine Form von Symbiose und auch das hat nichts mit einem respektvollen Miteinander zu tun. Nur weil man sich in seinen biologischen Grundbedürfnissen gegenseitigt braucht, bedeutet das noch lange nicht, dass der Eine den Anderen respektiert. Ich kann mir von jemandem mein Essen auf den Tisch stellen lassen und ihm den Fisch mitbringen, den ich gerade geangelt habe, und ihn trotzdem verachten.

      • Ich stimme mit Ihnen überein, das die Rolle in die man Geschlechtsbedings gebohren wurde ein Schicksal war, deshalb natürlich nicht teil einer moderen Debatte um ‘Chancengleichheit oder ‘freier Berufswahl’ zu tun hat. Wir befinden uns im Aufbruch in ein System, das mit dem damaligem naturgegeben wenig zu tun hat. Was ich sehr begrüße.

        In Ihrem zweiten Punk möchte ich Ihnen aber wiedrprechen. Durch die gegenseitige Abhängigkeit gab es meiner These nach (quasi) kein Machtgefälle, was einen gegenseitigen Respekt zur funkionalität bedingt.
        Wenn ich in einer Symbiose meinen gegenüber nicht respektiere, wird die Symbiose scheitern. Was offenbar nicht geschehen ist.

        Es steht Ihnen natürlich frei ihren Partner zu verachten, ob sie damit aber glücklich, oder satt werden (sowohl als Mann, aber auch als Frau) ist eine andere Frage.

        Das ist auch die Chance, der wir heute begegnen. Wir sind nicht mehr auf Gedeih und Verderb einander ausgeliefert. Wir können uns auf einer freiwilligen Basis zu noch höheren Ebenen aufschwingen.
        Oder wie sehen Sie das?

      • Hm, hier klingt etwas an, dass noch viel weiterreicht, als der eigentliche Tenor deiner beiden Artikel: Der Mensch als Krone der Schöpfung hat sich gefälligst nicht “tierisch” oder cromagnonmäßig zu verhalten. So sehr ich deinen beiden Artikeln zustimmen konnte, aber bei dem Gedanken, der Mensch habe sich über biologische Zwänge und Aufgabenteilungen zu erheben, weil er was Besseres als ein Tier sei, bekomme ich einen Anflug von Unwohlsein….

      • Nur damit sich keiner aufregt: Das Folgende bezieht sich auf den Kommentar von Meike, nicht auf ihren Artikel, im speziellen bezieht es sich auf dieses Zitat:


        Beim Cromagnonmenschen war die Arbeitsteilung aber nicht freiwillig. Sie basierte nicht auf der freien Entscheidung beider Geschlechter, sondern beide haben die Rolle erfüllt, die ihnen zugedacht oder auch die von ihnen erwartet wurde.

        Das Argument ist eigentlich keines, sondern bloße Spekulation. Wir wissen heute so gut wie nichts über die Kultur und Lebensweise der Menschen in der Cro-Magnon-Ära. Wenn man sie als primtive, keulenschwingende Wilde darstellt, die sich nur über Grunzlaute verständigten, tut man ihnen sicher Unrecht. Anatomisch unterscheiden sich diese Menschen nicht von uns, und sicher waren sie ebenso intelligent.
        Über ihre Rollenbilder wissen wir gar nichts. Es steht allerdings zu vermuten, dass die deutlich anders waren als unsere. Denn die religös-ideolgische untermauerte Rollenvorstellung setzt eine ausdifferenziert arbeitsteilige Gesellschaft voraus, und die begann sich erst gegen Ende der letzten Vereisung mit der Erfindung von Ackerbau und Viehzucht zu bilden. Ich halte es für wahrscheinlich, dass die Rollenverteilung in eiszeitlichen Gesellschaften sich eher daran ausrichtete, wer etwas zu essen heranschaffte. Was nicht heißen muss, das sie irgendwie besser war als unsere. Wie gesagt, wir wissen es nicht.

        Mit solchen Höhlenmenschenargumenten begibt man sich leicht auf das Terrain der biologistisch argumentierenden Apologeten des Sexismus, und stellt sich selbst -ohne Not- aufs Glatteis.

        • ICH REG MICH NICHT AUF!

          Natürlich haben Sie Recht, natürlich habe ich spekuliert – eben aufgrund der körperlichen Überlegenheit und damit einhergehend, der Rolle als Fleischbeschaffer.

          Eine biologische “Entschuldigung” gibt es für mich nicht, denn dass (die meisten) Männer (den meisten) Frauen körperlich überlegen sind, ist für mich das einzige Merkmal, bei dem Männer, sagen wir z.B. beim Kampf gegen ein Mammut vermutlich gewisse Vorteile gegenüber Frauen haben. Daraus aber auch in allen anderen Bereichen abzuleiten “Ich bin besser als Du”, ist ja Humbug. Eine biolgische Entschuldigung wäre mir nie in den Sinn gekommen. Danke für den Wachrüttler.

          • Das “Bevor sich jemand aufregt” war auch mehr für die kommentierende Allgemeinheit gedacht. Bei der derzeit stark emotionsgeladenen Diskussions im Netz, besteht immer die Gefahr, dass jemand was in den falschen Hals bekommt.

            Die Rolle als des steinzeitlichen Mannes als “Fleischbeschaffer” halte ich übrigens für fragwürdig. Größeres Wild zu erlegen erfordert in der Regel den Umgang mit Waffen, eine Fähigkeit die schon die Vorläufer des modernen Menschen erworben haben. Körperliche Stärke ist dabei nicht so ausschlaggebend, eher die Qualität der Waffen und das Geschick im Umgang damit. Ich glaube bei der Aussage, dass es keinen Grund gibt, dass Geschick von Frauen im Umgang mit Waffen und Werkzeug in Frage zu stellen, sind wir uns einig.
            Ich vermute den Grund für im Schnitt überlegene körperliche Stärke von Männern wesentlich früher in der Evolution unserer Art.

  4. Mir hat Dein Artikel sehr gut gefallen und mir aus der Seele gesprochen. Für mich wurden darin viele wichtige Dinge beleuchtet, die vorher unbeachtet blieben.
    Es gab leider viele Menschen, die ihn, meiner Meinung nach, einfach falsch verstehen wollten. So habe ich den Link z.B. auf Twitter geteilt und und darauf auch zu hören bekommen, dass ich ja offensichtlich sexuelle Gewalt gut heiße. Das war eine Frau, die offensichtlich gezielt nach Tweets gesucht hat, die Deinen Artikel geteilt haben. Eine vernünftige Diskussion war leider nicht möglich und ich hab den Versuch dann auch schnell aufgegeben.

    Egal, ohne viel Blabla: Ich fand den Artikel gut und wichtig um andere Aspekte der Debatte nicht unerwähnt zu lassen. Danke dafür. :)

  5. Ja. Wieder Zustimmung. Und jetzt noch ein bißchen Retrospektive: Ich hatte bei meinem Kommentar zu Ihrem initialen Artikel geschrieben, daß ich vermute, daß Sie zwischen den Stühlen der Polarisierenden zu sitzen kommen. Ich glaube, in etwa darauf ist es auch hinausgelaufen.

    Ich finde bewundernswert, daß Sie nicht verzagt haben und dennoch geschrieben haben, was Sie schreiben wollten. Auch wenn es Sie – so meine ich zumindest zu merken – ein Wochenende und viel Kraft gekostet hat.

    Ich habe die Kommentare auf Ihrer fb-Seite und auch hier, auf Ihrem Blog, alle paar Stunden mal angeklickt und gesehen, wie engagiert Sie dabei waren, Ihre Sache zu verargumentieren. Ich vermute, ich habe nur die Spitze des Eisbergs gesehen. Sie werden sicherlich den ein oder anderen Kommentar auch auf anderer Leute fb-Seiten oder Twitter abgegeben haben.

    Ich fand sehr beeindruckend, wie Sie es (zumindest in den Kommentaren, die ich gelesen habe) geschafft haben, trotz mancher ausufernden, haltlosen, themavölligfernen oder auch unstrukturierten Replik sachlich und höflich zu bleiben – und sich nicht in Zynismus geflüchtet haben (dessen Sie auch mächtig sind, das ist ja ab und an auch zu lesen).

    [Edit Meike: Hier eine sehr persönliche Anmerkung, die nur für meine Augen bestimmt war, gelöscht, sie aber dankend zur Kenntnis genommen.]

    (Vielleicht ist das Posting auf Grund des letzten Absatzes nicht so recht für eine Veröffentlichung als Kommentar geeignet. Das wäre für mich in dem Fall auch in Ordnung.)

    Mit freundlichen Grüßen,
    M. Emmert

  6. Hallo

    Ich probiere mal meinen Kommentar als Mann dazu abzugeben.
    Ich hatte eine Freundin die als Kind Opfer sexueller Gewalt geworden war. In dieser Zeit habe ich gelernt das ich dieses schreckliche Leid wohl nie 100% verstehen werde.

    Mich an der #aufschrei Aktion folgendes: ich finde hier wird auf gefährliche Art und Weise sexuelle Gewalt mit dem peinlichem senil-pubertären Verhalten von einem FDP-Tattergreis, und mit pfeifenden Bauarbeitern vermischt.
    Ich finde das marginalisert das Leid der Opfer.

    #Aufschrei wäre wegen dem Fall in Indien gerechtfertigt gewesen, und wegen dem extrem grossen Dunkelfeld bei sexueller Gewalt.

    • Ich weiß nicht, ob Sie mal in #Aufschrei reingeschaut haben: da wurden ganz und gar nicht nur senil-pubertäres Verhalten oder plumpe Anmachen geschildert, sondern z.T. massive Bedrängungen bis hin zu aggressiven körperlichen Übergriffen. Zeit für einen #Aufschrei ist es. Hier wie da. Denn ein unaufgeforderter und vor allem UNERWÜNSCHTER Griff zwischen die Beine ist für mich keine pubertäre Anmache, sondern die rücksichtslose Hinwegsetzung über die Grenzen meiner körperlichen Selbstbestimmung.

      Ich stimme Ihnen bezüglich der Bagatellisierung im Vergleich von “plumpe Anmache” mit “jahrelanger Missbrauch” aber zu.

      • Genau das ist doch der Kern des Problems, den viele mit #aufschrei haben: Von harmlosen Bemerkungen, die den “Opfern” schlicht gegen den Strich gingen, über echten Sexismus im Sinne von gesellschaftlich nicht tolerierten Verhaltens bis hin zu körperlichen Übergriffen wird da alles vermischt.

        Das, was wirklich schlimm ist, geht in der Masse unter. Das, was eigentlich harmlos ist, wird als Beweis für ein Problem dargestellt, daß durch Harmlosigkeiten gleichzeitig entwertet wird. Alles wird dargestellt, als gäbe es immer eine Mehrheit, die mit dem jeweiligen Verhalten einverstanden wäre.

        #Aufschrei ist das Gegenteil eines Lösungsansatzes.

  7. Hallo Meike,

    erstmal danke, dass du dir die Mühe gemacht hast auf die vielen Kommentare einzugehen und auch nochmal was klarer gestellt hast. Das finde ich supe. Ich hab da auch andere Erfahrungen gemacht, über einige Aussagen, die kritisiert werden von verschiedenen Personen, die bleibt stehen und da fährt die Eisenbahn drüber!
    Ich kann dich jetzt besser verstehen und habe das Gefühl, dass deine Message rüberkommt, so wie du sie sagen möchtest.

    Vielleicht hätte ich auch anders geschrieben und vieles nicht bedacht, wenn ich nicht die Erfahrungen gemacht habe.

    Das was du schreibst klingt schön und ja das wäre nahezu eine glückliche Welt, wenn das einmal Ist Zustand ist:
    “Und das Allerwichtigste dabei: beide Geschlechter müssen all das WOLLEN.
    Sich gegenseitig kennenzulernen und als gleichwertig wahrzunehmen.”

    Gruss, Nepher

  8. Eigentlich hätte ich mir diese Diskussion schon bei der Bambiverleihung an Bushido gewünscht. Was ich hier im Blog gelesen habe entspricht einer guten Wahrnehmung und wurde von mir in meinem Twitterkeis zum leseg weitergeleitet. In unserer Gesellschaft haben wir in den letzten Jahren einen Wandel erfahren der mir schon Angst macht. Es gibt keine Werte, Respekt vor Menschen und wenn, geht es nur noch um “Ehre”…

    • Ach, die Ehre. Von den Nazis missbraucht, von Rappern missverstanden… Leider koennen viele Leute nicht zwischen Stolz und Ehre unterscheiden. Ehre, so wie ich sie verstehe, erfordert Respekt und korrekten Umgang mit Anderen. Stolz hingegen ist egoistisch, rein ich-bezogen.

  9. Auch wenn einiges in meiner Kindheit und Jugendzeit “schiefgelaufen” ist und falsch gemacht wurde, eines wurde mir von meinen Eltern immer klar gemacht:
    Behandele JEDEN Menschen mit dem gleichen Respekt, den du erwartest – und in der gleichen Art und Weise wie du auch gerne behandelt werden möchtest.
    DAS aber wird – schon immer – verstärkt (zumindest nach meinem Empfinden) aber in letzter Zeit, nicht gemacht. Und zwar auf allen Ebenen und in jeglicher Rollenverteilung (Thema Mobbing etc.)
    Ich finde die Aktion ” #Aufschrei ” richtig, gut und sehr wichtig, aber sie beleuchtet halt nur einen TEILaspekt. Gearbeitet sollte am Ganzen des menschlichen Miteinanders.
    Zum Schluss möchte ich für diese beiden Artikel danken, die in einer sehr emotionalisierten Situation versuchen das Ganze “emotional-sachlich” zu analysieren.
    Ich finde deine engagierte Art und Weise, mit der du auch dann noch die Kommentare kommentierst,gut – sie gefällt mir.
    Liebe Grüsse

  10. Der erste Artikel war für mich eine Erlösung und ich sehe nichts, was daran falsch sein sollte. Da schreibt jemand seine Meinung und es finden sich so viele, die den Schreiber in der Lust zerreissen (wollen).
    Wo bleibt da der gegenseitige Respekt vor Menschen?!
    Weil es so “schön” anonym ist, meinen manche andere einfach angreifen und beschimpfen zu können.
    Und GANZ RICHTIG! Hier geht es nicht um Kampf, sondern um Versöhnung. Versöhnung um Veränderung EMAN-N-ZIPATION voranbringen zu können. Das scheinen viele nicht verstanden zu haben.
    Unglaublich auch, dass viele Leute Sexismus mit sexueller Gewalt verwechselt haben. Eine Hetzjagd entbrannte.

    Ich frage mich, sind wir Menschen wirklich immer noch nicht weiter als die Neandertaler? Oder sind wir noch weiter zurückgefallen in unserer Entwicklung , seit wir so viele neue Möglichkeiten haben und noch weniger nachdenken müssen?!

    Eine sehr traurige Entwicklung. Insbesondere wenn ich so gute Artikel lese.

    • Als ich den Stern Chefredakteur bei Jauch gesehen habe dachte ich mir auch nur: eigentlich hätte ihm auffallen müssen, dass der Stern vor allem mit Hitler, Arsch und Titten Auflage macht.

  11. Danke für Deine beiden Beiträge bzw. Artikel hier und Deine Bemühungen um Klarstellung. Ich bin nach wie vor größtenteils anderer Ansicht als Du, was das sich-wehren-können angeht und denke, daß Du da zu optimistisch bist. Frau Elise hat das ähnlich aufgefasst und auch ganz gut beschrieben bei sich drüben. Und natürlich triffst Du meine Bauchschmerzen auch mit Punkt 4 auf den Kopf. Dein Artikel ist offensichtlich von vielen Menschen, besonders Männern, als eine Mischung aus Absolution und Freifahrtschein verstanden worden, so weitermachen zu dürfen wie bisher. Und natürlich hast Du ihn nicht so gemeint, aber so kam er ansatzweise auch bei mir an.

    Was Deinen Epilog betrifft — es haben wirklich ernsthaft Leute zu Entfolgung/Unfriending aufgerufen? Wie albern ist das denn? Man kann doch wohl mit seinen Freunden und Bekannten mal unterschiedlicher Meinung sein und sich dennoch weiterhin wertschätzen, oder?
    Scheint nicht so einfach zu sein, mit der Diskussionskultur in diesem Internetz.

  12. Die neueste Ismus-Debatte, diesmal unter “#Aufschrei”, oder: warum mich Interviews einfach nur noch nerven sagt:

    […] sehr gute Sicht der Dinge fin­det man übri­gens hier: Beide Geschlech­ter müs­sen sich auf­ein­an­der ein­las­sen, auf die […]

  13. Nicht immer bin ich ihrer Meinung. Trotzdem oder gerade deswegen lese ich Ihren Blog ausgesprochen gerne, wenn ich Zeit dazu finde.
    Sie polarisieren, ohne abzuwerten.
    Zu diesem Thema (was ist es überhaupt, wirklich eine Debatte über Sexismus?) kann ich Ihnen in der Argumentation nur voll zustimmen.
    Ich habe manche Situation erlebt von Sexismus gegen Frauen und gegen Männer (vor allem junge Männer).
    Die Beurteilung, was Sexismus ist und was nicht, ist wie man sieht häufig individuell unterschiedlich. Ein unbeholfenes “Kompliment”, kann beim Gegenüber als Sexistisch interpretiert werden, ebenso ein Flirt. Demgegenüber gibt es natürlich sehr eindeutige Kommentare, die keinen Interpretationsspielraum lassen.
    Deswegen ist der Aufruf, ins Gespräch zu kommen und zu bleiben, die Debatte nicht an dem “Brüderle-Vorfall” aufzuhängen, dringend notwendig.
    Ob es die Überarbeitung von Kinderbüchern ist, Sexismus, Feminismus, mein Eindruck ist, dass die Bereitschaft, genau zuzuhören, eine andere Meinung zu respektieren und gelten zu lassen, ohne sie zu übernehmen, abnimmt.
    Es braucht Bloggerinnen und Blogger wie Sie, die sich eines Themas annehmen, differenzieren, ohne ihr Profil aufzugeben.
    Weiter so!

  14. Der Sexismus wird unter anderem von Zeitschriften wie dem Stern doch erst geprägt. In der Rubrik Lifestyle/Liebesleben findet man diverse Fotostrecken und Berichte und es geht um, BINGO, nackte Frauen. Keine einzige Fotostrecke zeigt nackte Männer. Frauen sind ein Produkt, dass der Mann nach belieben konsumieren kann.

    Das ist so typisch! Selbst zum falschen Frauenbild maßgeblich beitragen und parallel die Frechheit besitzen sich über den falschen Umgang mit Frauen echauffieren.
    Unglaubwürdiger als der Stern kann man nicht mehr sein!

    Frauen werden in den Medien als Lustobjekt und allg. Konsumgut dargestellt. In “2 and a half Men”, Sendezeit 14:10 Uhr, werden die sexistischen Äußerungen von Charly Harper mit Lachern untermalt. Unsere Jugend, die zu dieser Zeit vor dem Fernseher sitzt, wächst schon mit einem falschen Frauenbild auf.
    In Sex and the City wird der Eindruck erweckt, dass Frauen allgemein so sind wie die Darstellerinnen. Männerverzehrend, allzeit bereit und willig.
    In Sexreporten wird das was 300-1000 Frauen zum Thema Sex sagten, repräsentativ als das “was Frauen wollen” veröffentlicht.

    Und was mindestens genauso schlimm ist: die Debatte um den alltäglichen Sexismus.
    Prima, wir verallgemeinern mal wieder. Das können wir Deutsche ja am besten.
    Nun wird es so dargestellt, als ob jeder Mann ein Brüderle ist.
    Das ist unfair!
    Es gibt garantiert mehr Männer die Frauen respektvoll behandeln als Männer die das nicht tun, letztere Sorte fällt nur vermehrt auf.

    Raus aus den Rüben, rein in die Kartoffeln.

  15. (Edit Meike: Text auf eigenen Wunsch der Autorin nachbearbeitet)

    Guten Morgen und nochmal vielen Dank, auch für die Klarstellungen – obwohl ich den ersten Beitrag nicht anders gelesen hatte.
    Eines treibt mich seit gestern um, nämlich die Polarisierung in dieser Debatte, die ich für mich zu verstehen versuche. Es scheint da zwei gegensätzliche Standpunkte zu geben, nämlich a) ich bin ein Opfer, nimm das endlich wahr und leugne es nicht! und b) wehr dich! Diese Positionen scheinen ziemlich unvereinbar.
    Aus dem Bauch heraus habe ich zu b) tendiert, denn auch ich habe mich durch a) in eine passive Rolle gedrängt gefühlt, in eine Opferrolle. Und das will ich nicht! Ich will mir keine Hilflosigkeit aufdefinieren lassen!
    Aber irgendetwas muss doch dran sein an dieser anderen Position, habe ich mir gedacht, und das hier ist das Ergebnis meiner inneren Nachforschungen in Verstand und Gefühl:
    Der Schlüssel ist, so glaube ich, Traumatisierung. Denn ein Trauma macht vieles anders. Ich selbst bin glücklicherweise nicht sexuell traumatisiert; aber ich bin “nicht-sexuell” traumatisiert. Ein bisschen kenne ich mich also aus, und ein bisschen habe ich mich auch im Bereich Traumatherapie eingelesen [mein persönlicher Buchtipp für Traumatisierte: Peter Levine, Das Erwachen des Tigers]. Und das hier also, das scheint mir der Knackpunkt: die Hilflosigkeit, die durch das Trauma entsteht. Das Ausgeliefertsein. Das Ausgeliefertsein verursacht einerseits erst das Trauma: man gerät in eine Art innere Schockstarre, aus der man sich nicht selbst befreien kann. Aber das Ausgeliefertsein besteht auch hinterher innerlich fort, die Hilflosigkeit, wie gelähmt. Das macht das Traumatisiert-Sein aus.
    Ich kenne von mir, dass da ein ewiges Verlangen ist, endlich gerettet zu werden, endlich gehört, endlich wahrgenommen. Es ist paradox: aus einer Situation gerettet zu werden, die doch eigentlich schon vorbei ist. Die aber trotzdem permanent im Hintergrund mitschwingt. Der Verstand sagt: ach, lass doch endlich los. Offensichtlich hast du doch überlebt. Dein Leben ist doch schön heutzutage. Was soll denn immer noch der alte Kram? Aber der alte Kram ist noch da, immer da. Und eine Stimme in mir, die ich selbst lange lange lange gar nicht gehört habe, weil ich sie vor lauter innerer Lähmung selbst erstickt hatte, die ruft: Rettet mich doch endlich! Rettet mich, wo seid ihr denn? Ihr müsst mich doch retten, das ist doch eure Aufgabe! Die darf das jetzt endlich rufen, immerhin.
    Für mich erklärt sich damit das Verlangen vieler Frauen, als Opfer überhaupt erstmal wahrgenommen zu werden. Auch weil sie die inneren Hilfeschreie, die nach Jahren und Jahrzehnten immer noch da sind, vielleicht selbst erst anfangen zu hören. Die sich in innerer Schockstarre befinden und in Gewissheit leben, dass sie sich selbst daraus nicht befreien können, sondern jemand kommen muss, der sie rettet. All die Jahre waren sie so gelähmt, dass sie die eigenen Schreie nicht hören konnten (so glaube ich). Dann steigt der innere Schrei auf. Und dann traut man sich vielleicht, den auch nach außen hin zu zeigen: Hilfe! Hört mich jemand? Hilfe!
    Das ist ein wichtiger Schritt in der Traumaverarbeitung. Und es hilft ungemein, in dem Moment auf Verständnis zu stoßen.
    Das Problem ist bloß, dass man all das von außen nicht sieht. Und dass der Hilferuf, der durchaus ein Ermächtigungsschritt ist, nämlich ein Schritt aus der Starre hinaus, dann wirkt wie eine Anklage (gegen alle Männer), oder wie eine Aufforderung (an alle Frauen), sich auch als Opfer zu fühlen. Auch hilflos zu sein.
    Wer also nicht traumatisiert ist, oder zumindest nicht auf diese Weise traumatisiert, der/die wird vielleicht finden: ich lass mir doch nicht einreden, dass ich hilflos bin. Ich lass mich doch nicht in die Passivität definieren – und das vielleicht auch noch, wo ich doch Schritt für Schritt gelernt habe aktiv zu sein, selbst zu bestimmen. Die richtige innere Haltung zu entwickeln, selbstbewusst, aber nicht aggressiv, Übergriffigkeit zu verhindern. Tja. Und da stehen wir dann – und verstehen uns nicht.

    Auf der anderen Seite sind da also einge, die sich über Jahre hinweg eine innere Haltung erobert haben, die das möglich macht: nämlich Übergriffigkeiten zurückzuweisen, höflich und bestimmt. Die vielleicht sogar ein eigenes Trauma auf diese Weise überwunden haben. Die festgestellt haben, dass man aus Passivität herauskommt, wenn man die eigenen Handlungsoptionen wahrnimmt. Wenn frau merkt, dass Erstarren und den Blick abwenden missverständlich ist, dass frau aber die Möglichkeit hat, mit bestimmten und bestimmenden Gesten und Worten Grenzen zu ziehen. Zu denen, die das gelernt haben, zähle ich mich (ohne dass ich dabei ein echtes Trauma überwinden musste), und ich bin froh darüber und auch ein bisschen stolz auf meinen Lernprozess. Und ich möchte mich nicht (wieder) in Passivität schieben lassen. Aber vielleicht ist das gar nicht das Ziel vieler verletzter Frauen. Vielleicht geht es einfach nur darum, dass ihre Stimmen gehört werden.
    Sich wehren ist ganz bestimmt der richtige Weg die Hilflosigkeit zu überwinden, die eigene Handlungsfähigkeit wiederzufinden. Dem Täter die Definitionshoheit zu entreißen. Aber manche sind wahrscheinlich noch nicht so weit – das Trauma zu enttraumatisieren ist ein langer Prozess.
    Schließlich also ist für mich die Frage, wie wir dieses “Wehr dich!” verstehen. Viele scheinen es als Ausrede zu sehen: wenn du dich nicht gewehrt hast, hast du es nicht anders verdient. Das ist zynisch und verachtend und unmenschlich und falsch. Ich glaube, es kann nur darum gehen, das “Wehr dich!” als Ermunterung zu verstehen. Als Ermutigung, sich aus der Hilflosigkeit zu lösen und das Vertrauen in die eigene Kraft zu lernen. Voller Verständnis.

    • Ich vermute – ich könnte das auch belegen, aber das ist müßig für meinen kurzen Kommentar -, daß viele allerorts “Sexismus” sehen, weil sie tatsächlich traumatisiert sind.

      Das Problem ist dann keineswegs der angeprangerte Sexismus, sondern eben das Trauma, das es aufzuarbeiten gilt. Solange die Schuld nur außen gesucht wird, kann der innere Konflikt freilich nicht gelöst werden.

      Nein, nicht “selbst schuld, daß Du traumatisiert bist”, sondern “gib nicht dem Mann an der Bar die Schuld daran, daß andere Dich in der Vergangenheit verletzt haben”.

  16. Ich habe bis jetzt noch nicht alle Kommentare zu diesem und dem letzten Post gelesen, aber ich denke, ein Problem, dass viele Frauen mit deinen Ausführungen haben (und ich zähle mich dazu), ist dass du vielleicht nicht genau differenzierst.

    Du schreibst hier unter Punkt 1 das beide Seiten sich gegenseitig zuhören müssen. Keine Frage, dass stimmt. ABER, die Bringschuld ist meiner Meinung nach nicht die gleiche. Es gibt eben ein Machtgefälle und von der Seite, die überwiegen zu den “Opfern” gehört die gleichen Zugeständnisse zu erwarten wie von den “Tätern” wirkt für vielen Frauen hier wie ein Schlag ins Gesicht. (Opfer und Täter hier übrigens nur als verbaler Shortcut zu sehen und nicht als Verallgemeinerung)

    Und zum Punkt Verantwortung/Opferhaltung. Du schreibst zum einen, das viele Frauen aufgewachsen sind mit der Lehre Aufmucken=Bestrafung, und seien wir ehrlich, oft besteht die Bestrafung aus körperlicher Gewalt. Dann einfach so zu schreiben die Einstellung “ich habe keine Wahl” sei nur Angst vor Konsequenzen kommt mir sehr lapidar vor. Klar haben die Leute Angst vor Konsequenzen. Wenn die Konsequenz aus körperlicher Gewalt bis hin zum Mord besteht oder aus finanziellem und sozialem Ruin, wer hätte da keine Angst? Angst ist nichts per se Schlechtes.

    Zum Abschluss, ich fand deine Posts sehr interessant, auch wenn ich ihnen nicht in allen Dingen zustimme. Sicher war es mutig, sie in dieser aufgeheizten Atmosphäre zu veröffentlichen.

    • Moment, jetzt bist Du aber gewaltig undifferenziert.
      Lies bitte nochmal nach, was ich unter “Geltungsbereich” schrieb. Achte im weiteren Text bitte auch auf Formulierung wie “oft”, “viele”, “manchmal”.

      Du dagegen schreibst, dass Frauen oft die Konsequenz Gewalt zu befürchten habe, dann halte ich das nicht für zulässig. Dass es das gibt, gewalttätige Partner, Ehrenmorde u.ä., bestreitet hier ja wohl niemand, aber wie ich schon sagte: es will mir wohl niemand erzählen, dass alle Frauen, die bei #Aufschrei mitgemacht haben, oder auch nur die Mehrheit von ihnen zuhause einen prügelnden Ehemann im Genick hat.

      Deshalb wiederhole ich: ja, ich glaube, dass ein “Ich kann nicht” OFT ein “Ich habe Angst vor den Konsequenzen” und damit überwindbar ist.

      • Ich finde es einfach problematisch zu sagen Angst vor Konsequenzen ist überwindbar, also überwinde dich gefälligst. So zumindest kommt das teilweise hier rüber. Sicher, nicht jede Frau, die im Augenblick in dieser Diskussion über erlebten Sexismus und sexuelle Belästigungen berichtet, hat den prügelnden Ehemann im Genick, aber die Konsequenzen fangen schon lange vor körperlicher Gewalt an. Wie viele Frauen haben erzählt, dass sie plötzlich als Buhpetze und Spaßbremse dastanden, wenn sie versuchten sich in der Firma gegen verbale Anzüglichkeiten zu wehren. Wie oft darf man sich von seinem Umfeld anhören, nun hab dich nicht so, der macht das weil er dich mag. Sozial ausgegrenzt zu werden, weil man die althergebrachten Spielchen nicht mehr toleriert kann auch extrem belastend sein und nicht jeder hat die Kraft sowas einfach so wegzustecken. Mal abgesehen davon, dass bei solchen Schilderungen oft durchkommt, das viele der Frauen schon mal Opfer von körperlicher Gewalt geworden sind. Die haben dann sicher eine ganz andere Risikoeinschätzung für viele Situationen.

        Im Endeffekt geht es mir darum. Jeder hat seine eigenen Grenzen. Ich kann nachts quer durch Berlin nach Hause laufen, denn ich habe bis jetzt noch keinen Grund erlebt davor Angst zu haben. Ich spreche aber niemandem das Recht ab zu sagen, das diejenige das nicht könnte. Ich kann dafür Dinge nicht, die für manch anderen völlig selbstverständlich sind. Niemand sollte gesagt bekommen, dass seine Ängste und Grenzen zu eng gesetzt sind und er die überwinden muss. Hilfe anbieten, Mut und Unterstützung zusprechen klar und #Aufschrei und Hollaback sind in der Hinsicht Gold wert, aber komm mir bitte nicht mit Bootstraps.

      • Was Rtavi schreibt, ist nicht undifferenziert. Leider trifft Gewalt sehr viele Frauen, vielleicht kennst du die Zahlen nicht? 40% der Frauen ab 16 erleben mindestens einmal im Leben körperliche oder sexuelle Gewalt – wenn das nicht viel ist.

        • Ohne jetzt direkt irgendetwas relativieren zu wollen, aber du scheinst die Zahlen auch nur teilweise bzw. einseitig zu kennen. Männer werden mindestens genauso häufig Opfer von Gewalttaten wie Frauen und im Bereich der häuslichen Gewalt sind Männer sogar noch häufiger betroffen. Die Dunkelziffer wird hier auch nicht zu verachten sein, da sich bisher nur wenige Studien damit befasst haben.

          Und um es noch mal zu verdeutlichen: Mein Kommentar soll nicht die “armen, betroffenen Männer” verteidigen, sondern ich will die Frage stellen was solche Statisken und Fakten aussagen sollen, wenn es nahezu keinen Unterschied zwischen den Geschlechtern gibt.

          Das Menschen einander körperliche Gewalt antun ist keine neue Erkenntnis und das Anführen solcher Statistiken zeigt nur wie weit derjenige der sie einbringt am Thema vorbei argumentiert.

          • Ich denke schon, dass sich aufgrund der Häufigkeiten von psychischer oder physischer Gewalt gegen das andere Geschlecht unterschiedliche Prioritäten in der Aufarbeitungsdringlichkeit ergeben.

  17. Danke für das Schreiben und Veröffentlichen deiner Meinung – einer von vielen Meinungen, die zum Glück zwischen dieser Schwarz-Weiß-Berichterstattung zum Thema #aufschrei existiert und ihre eindeutige Daseinsberechtigung hat.

    Es ist quasi bis dato die einzige Meinung und der Standpunkt, den ich zu großen Teilen (wenn auch nicht komplett) verstehe, nachvollziehe und so unterschreiben würde.

    Normalerweise kommentiere ich nicht unter Artikel, sondern teile sie über Facebook, Twitter oder per Mail. Aber ich denke dennoch, dass, wenn du schon genug Kritik dafür einstecken musstest, du auch eine einzelne Stimme (unter vielen) wahrnehmen solltest, die es ähnlich sieht und dir dankt, dass du die Gedanken, die andere nur grobmotorisch ausdrücken können (und dabei die Angst haben evtl. Formulierungen oder krasse Beispiele zu nennen, die falsch verstanden werden könnten), was sie meinen.

    Insofern Danke dafür.

    Sebastian

  18. Gute Bemerkungen insgesamt, ebenfalls die dazugehörenden Kommentare. Nur wage ich zu fragen: Ließe sich dies alles nicht auf zwei, drei einfache Sätze und eine rhetorische Frage reduzieren:

    1) Die Menschheit braucht Mann und Frau, um zu existieren,

    2: Beide schulden sich gegenseitig Respekt und Würde

    3. Ihr, die Ihr Euch streitet wie die Kesselflicker, habt Ihr das vergessen?

    Ich wünsche einen schönen Tag und Woche,

    beste Grüße, Christoph v. Gallera

  19. Wie schade, dass ein Nachspiel nötig war. Ich mache mir nicht die Mühe, die Kommentare unter dem Ursprungs-Artikel zu lesen, bin aber vor allem schockiert, dass man dich so falsch verstehen konnte. Du hast vollkommen klar und unmissverständlich formuliert, oder dir in allen Punkten besonders damit Mühe gegeben, was einen Nachsatz wie in 2 eigentlich unnötig macht. Noch einmal: wie schade.
    Ich finde deinen Nachsatz in 3 aber sehr gut, weil es sehr schön ergänzt und 4 ist klasse :)

    In 6 beschreibst du, was für Kommentare du löschen musstest, und ich bin sicher, dass du ein sehr gutes Urteilsvermögen besitzt. Was aber stimmt – was nicht heißt, dass du die Kommentare nicht hättest löschen sollen, denn keiner hat sie ja zu Gesicht bekommen und kann das beurteilen – ist, dass Frauen eine sexuelle Macht über Männer haben. [“Männer sind aber auch Opfer…”] stimmt wiederum nicht, weil mir das Wort Opfer nicht (mehr :) ) zusagt und weil das suggeriert, dass Sexismus, sexuelle Belästigung etc. (hier muss man einen großen Unterschied machen, ich weiß) nicht selbstverschuldet ist.

    (Ich finde einfach wichtig, das einmal zu erwähnen, denn dass Männer von Frauen sehr angezogen sind, ist ein ziemlich zentraler Punkt in der Debatte)

  20. Ach, jetzt möchte ich meinem eigenen kleinen Artikel zu diesem Thema gleich noch fünf weitere anfügen, so viel Stoff finde ich allein schon wieder in den ganzen Kommentaren hier. Es gibt so viel zu sagen zu diesem Thema! Und ich finde es gut, dass das alles mal Platz hat. Nicht immer ist es wohlsortiert, manchmal am Thema vorbei, gelegentlich mit Zorn auf die falschen Leute. Aber es bringt uns alle zum Nachdenken – und zum Sprechen. Das ist wichtig! Ich habe Ihre Artikel wie auch etliche andere mit viel Neugier und großer emotionaler Beteiligung gelesen. Was mir aufgefallen ist (vor allem bei der allgemein entbrannten Opferdebatte): Wir Frauen sind so wenig solidarisch miteinander. Darum dauert es auch so lange, bis wir uns aus unseren Opferrollen zu befreien vermögen. Statt hilfreicher Hände finden wir oft nur Häme („Wieso schaffst du es nicht, Nein zu sagen? Das ist doch gar nicht so schwer.“) oder Vorwürfe („Selber Schuld, wenn du so kurze Röcke trägst.“) Dabei stünde es uns besser zu Gesicht, einander zu stützen und GEMEINSAM nach Lösungen zu suchen, und zwar nicht nur mit anderen Frauen, sondern auch mit den Männern (wichtig!). Andernfalls verpufft die ganze Energie doch nur in ausufernden Debatten über Begrifflichkeiten und Schuldzuweisungen. Das mag für den Moment gut und wichtig sein, hilft auf Dauer aber gar nicht.

  21. Der Vorläuferartikel und dieser hier haben auf viele wichtige Dinge hingewiesen, die in der laufenden Debatte irgendwie unterzugehen scheinen, und ich freue mich, daß dieses wichtige Thema dadurch einen Spin zu mehr Differnziertheit erfährt. Vielen Dank!

    Eben deswegen wirkt aber folgender Abschnitt am Ende wie ein Fremdkörper:

    Die letzte Gruppe Kommentare, die ich durch die Bank nicht freigeschaltet habe, waren […]Kommentare mit dem Inhalt, Männer seien aber auch Opfer. Von Frauen, von sexueller Gewalt, von Vorurteilen und was weiß ich noch alles.
    Vor dem ungeheuren, ja, ungeheuerlichen Berg sexueller Gewalt, der Frauen weltweit jeden Tag ausgesetzt sind, empfinde ich solche Äußerungen als selbstgerecht, höhnisch und verachtend.

    Diese Stelle kommt mir ziemlich absurd vor, da gerade diese selektive Ausklammerung der Opferrolle eines bestimmten Geschlechts genau das ist: sexistisch. Ernsthaft kann man Sexismus nur als ganzes bekämpfen, anders widerspricht man sich selbst. Daß es in der totalen Summe mehr und schlimmeren Sexismus gegen Frauen als gegen Männer gibt, als Grund anzuführen, Sexismus gegen Männer als unerwünschtes Thema zu behandeln (d. h. zu tabuisieren), ist seinerseits eine Verhöhnung jedes männlichen Individuums, das mit genau seiner eigenen Situation zurechtkommen muß, deren Bagatellisierung nicht besser ist als bei einem weiblichen Opfer. Und die Welt ist komplexer als das grob festgestellte patriarchale Übergewicht der Summe aller Machtverhältnisse erscheinen lassen kann. Denn es gibt unzählige Situationen, in denen bei mehr oder weniger mikrosozial dimensionierten Verhältnissen einer kleinen Zahl (oft nur zwei) beteiligter Personen selbstverständlich auch Frauen sich in einer Übermachtposition befinden können, ob nun konventionell, strukturell oder völlig individuell bedingt.

    Es soll nicht darum gehen, den Schweregrad des jeweiligen Sexismus jeweils nach Geschlecht der Opfer gegeneinander aufzurechnen. Das wäre fatal. Man muß das gesamte Bild betrachten, um das Problem an der Wurzel packen zu können, sonst treibt man nur den Teufel mit dem Beelzebub aus.

  22. Meine erste Reaktion auf Deinen ursprünglichen Artikel war durchaus gespalten, hatte ich doch stundenlang wie hypnotisiert vor #aufschrei gesessen. Ich empfand mich regelrecht von Dir bloßgestellt, hatte ich mich doch als alleinerziehende Mutter viele Jahre als abhängig von Arbeitgebern, Kunden usw. gesehen und immer wieder still hingenommen, was mir da so alles vor den Latz geknallt wurde.
    Nach Zurücklehnen, durchaus ein paar Schnäpsen und einer schlechten Nacht konnte ich Dich mit mehr Abstand lesen und Dir in weiten Teilen zustimmen, vieles in ein paar wirklich gelungene Gespräche mit Männern mitnehmen.
    Und das mit dem Zurücklehnen, Schnaps trinken und drüber schlafen ist mein persönlicher Gratistipp an Deine geneigten LeserInnen, wenn’s mal wieder emotional wird.

    • Bloßstellen wollte ich gewiss niemanden, liebe Bianca.
      Das, worum es mir eigentlich ganz tief im Herzen ging, war, dass Frauen künftig in sich reinhorchen, ob das reflexhafte Abhängigkeitsgefühl und “Ich kann nicht” wirklich real und damit ein “Es ist unmöglich” ist oder ob es sich nur um die Annahme handelt, es sei unmöglich (und damit hinterfragbar).

      • Das war auch nur der erste Reflex, der sich unweigerlich einstellte. Ich fühlte mich ertappt. Weil ich lange eben nicht rein gehorcht hatte. Und genau deshalb ist der Artikel eben auch so wichtig.
        Als Wecker, als Gummiband am Handgelenk.
        Weil ich heute, 20 Jahre später, anders mit solchen Situationen umgehen kann und das aber so furchtbar langsam gelernt habe.
        Frau Meike lässt das Gummiband immer mal wieder schnalzen, bei den unterschiedlichsten Themen. Das macht kurz Aua, hilft aber ungemein.

  23. “Lasst uns GEMEINSAM schauen, was WIR ändern können, sollen und müssen, um das Miteinander respektvoller für uns alle zu machen”.

    Ja, das sehe ich auch so, aber die Hauptverantwortung können dabei meines Achtens nicht die akut Betroffenen tragen, die sich in der Situation bitte souverän pädagogisch wertvoll und ohne Angst vor Konsequenzen wehren sollen. Nicht die „Lämmer und Stillhalter“ sind in meinen Augen das Hauptproblem sondern alle von uns (sic!), die zulassen, dass wer sich wehrt, oft mit negativen Konsequenzen rechnen muss, diejenigen egal welchen Geschlechts, die feige den Mund halten, wenn sie nicht direkt betroffen sind (hab dazu in einem Kommentar zu Deinem Ursprungsartikel bereits Beispiele gegeben).

    Ja es ist gut und wichtig, dass möglichst viele der Betroffenen sich wehren, aber damit sich wirklich etwas ändert, müssen diejenigen die sich wehren, von uns (!!!) SOLIDARITÄT erfahren! (Und nein, das bedeutet nicht, dass ich eine Stern-Redakteurin bei ihrer PR unterstützen muss…) Und das Miteinander Reden muss immer und von uns allen geleistet werden!

  24. Danke für beide Artikel. Ich denke es wird langsam mal Zeit für etwas mehr Diskussionskultur im Netz! Dazu hast Du einen wertvollen Beitrag geleistet. Denn nur mit dem Finger auf andere zu zeigen und Respekt einzufordern kann einfach nicht funktionieren.

    Bei fast allen Diskussionen im Internet stösst man mit einer starken Aussage (und das meine ich nicht wertend) grundsätzlich immer auf mindestens ebenso starken Gegenwind.
    Das Problem ist, dass die eigene Meinung den Blick doch recht stark lenkt und ggf. filtert, d.h. man liest subjektiv das heraus, was einem in der eigenen Meinung bestärkt.

    Das ist der Ursprung von zahllosen Shitstorms.

    Das liegt auch daran, dass man seinem Diskussionspartner nicht in die Augen schaut, denn im RL würde man so einfach nicht miteinander umgehen.
    Man kann die Texte unmissverständlich formulieren, und wird es trotzdem nicht allen klar machen können.

    Man muss die Herrschaft der Schreihälse brechen und eine echte Diskussion anstossen, sonst verhärten nur die Fronten und es ändert sich nichts!

  25. Hi Meike,
    auch von mir erst mal ein Lob für die Arbeit.
    Ich kann vieles was ich in den beiden Artikeln und Kommentaren gelesen habe unterschreiben und fand einiges äußerst bemerkenswert, aber mir fällt doch wie so oft ein Aspekt auf, der stets missachtet wird:
    Jedes Problem (wozu der Sexismus eindeutig zählt) wird zumeist zu oberflächlich betrachtet, weswegen vermeintliche Lösungen selten funktionieren.
    Zur Veranschaulichung nun einige Aspekte die (zumindest teilweise) nicht beachtet wurden:
    Schon Aristoteles formulierte „Was ist denn aber für ein Unterschied, ob die Weiber geradezu den Staat regieren, oder ob die, welche ihn regieren, sich von den Weibern beherrschen lassen?“ Also selbst vor 2000 Jahren hatten auch die Frauen eine Machtposition, selbstverständlich eine andere als die der Männer, welche die Gesellschaft durch Ämter etc. direkt regierten. Aber doch setzen auch heute Frauen ihre Reize die sogenannten „Waffen einer Frau“ zielstrebig und bewusst zu ihrem Vorteil ein. Wenn dieser Vorteil dann aber schlechte Reaktionen hervorruft wird eine EINSEITIGE Veränderung der Situation verlangt. Die Männer dürfen nicht Sexistisch sein, aber die eigenen Reize zum Vorteil einsetzen ist schon OK, dies begünstigt solches Verhalten und sollte auch in die Diskussion einfließen. Vor allem in dem Maße in dem z.B. die Werbung die Reize von Frauen zur Verkaufsförderung benutzt. So was nimmt Man(n) nämlich auch wahr, wenn auch nur unterbewusst, wenn dort eine Frau objektiviert wird und man täglich an x Plakaten dieser Art vorbei läuft, kann durchaus auch eine unterbewusste Objektivierung geschaffen werden, die sich dann später in sexistischen Äußerungen zeigt.
    Kann man dem Verhalten welches beendet werden möchte auch mit Mitteln beikommen wie z.B. Bildung und Erziehung die beide meiner Meinung nach stark überholungsbedürftig sind.
    Auch ist der Diskurs um den Sexismus ohne Frage wünschenswert, jedoch nimmt er anderen Themen die Luft, da er politisch wie publizistisch aufgebauscht wird (Stichwort: dividende et impera) Natürlich explodiert dort z.Z. auch viel „geschluckte“ Wut, dennoch würde ich mir wünschen wenn andere Themen, die jemanden nicht persönlich betreffen auch nur ein Zehntel dieser Wut entfachen würden bzw. wenigstens mal diskutiert werden.
    Ist die Ohnmacht die Frauen erfahren wenn es um sexistische Äußerungen in Machtgefällen geht eben auch durch die Machtstrukturen überhaupt erst möglich.
    etc etc etc
    Nochmals zur Erläuterung, da sich ja zeigt, dass viele nicht hermeneutisch an Texte herangehen: Ich empfinde sexistisches Verhalten [unabhängig vom Geschlecht (Mann Vs Frau, Frau Vs Mann)] als unbedingt thematisierungswürdig. Ich heiße keine dieser Verhaltensmuster gut. Ich finde sowohl deine Position als auch die Twitteraktion #Aufschrei gerechtfertigt.
    Ich schreibe normalerweise nie Kommentare, da ich dies in der Regel als verschwendete Liebemühe betrachte, jedoch habe ich das Gefühl, dass sich hier zumindest größtenteils ernsthaft mit den Positionen auseinandergesetzt wird.
    so long…

  26. Mir wäre ehrlich gesagt um einiges wohler, wenn jener fettgedruckte Absatz, der hier leider auch wieder erst unter Punkt 3 auftaucht, ganz am Anfang gestanden hätte. Und zwar ganz am Anfang von “Das Schreien der Lämmer”. Gewissermaßen als Ausgangsbasis der folgenden Argumentationen, denen ich gerne über weite Strecken folge – gerade, was Themen wie Missverständnisse, fehlgeleitete Kommunikationen usw. betrifft. Nicht immer mit Übereinstimmung, aber mit lebhaftem Interesse. Und es wäre aus meiner Sicht vor allem auch das wichtige Korrelativ zur m.E. durchaus akzeptablen “Opferhaltungs”-Debatte, die sonst ein bißchen sehr flott in das “Blaming The Victim”-Schema und Nebelkerzenwerferei abrutschen kann (und dies im ersten Artikel teilweise auch tut. Wer die Kommentare aufmerksam verfolgt hat, sollte entsprechende Belege und Nachweise sowohl in der einen wie auch der anderen Richtung gefunden haben).

  27. Hallo,

    zunächst einmal will ich der Autorin für ihren Artikel danken: Danke!
    Ich finde ihn bemerkenswerte, weil er versucht an die Thematik Sexismus rational (ich verwenden diesen Begriff weil es ja offensichtlich keine objektive Sicht auf das, was Sexismus ist gibt, jeder Mensch hat offenbar eine andere Sicht darauf, welche Interaktion mit dem anderen Geschlecht sexistisch ist und welche nicht) heran zu gehen. Ich saß die letzten zwei Tage von morgens bis abends vor dem Rechner und habe mir Zeitungsberichte, Kommentare, Blogs und die Berichte auf http://alltagssexismus.de/ teilweise durch gelesen. Ich war schockiert!!! Ich war schockiert, weil ich mich in den beschriebenen Typen teilweise wieder gefunden habe. Ich habe nie eine Frau zum Sex genötigt, aber berührt habe ich sie, meistens auf irgendwelchen Konzert, wo es in der Menge unterging. Ich habe dies nicht oft getan, aber denoch habe ich es getan und dafür schäme ich mich jetzt, jetzt wo mir durch die vielen gelesenen Texte bewusst wurde, wie sich die Frauen dabei gefühlt haben mögen.
    Wenn ich mich zurück erinnere, und das nicht mal sonderlich lange, dann muss ich auch zugeben, dass ich einer von denen bin/war, die Frauen bspw in der S-Bahn angestarrt haben und selbige in meinen Gedanken in diesem Moment nur Objekte meiner sexuellen Begierde waren. Ich möchte nochmals betonen, dass ich niemals eine Frau zum Sex gezwungen habe, aber ich Frauen trotzdem zum Teil nicht als vollwertige Wesen angesehen habe, mir dies aber erst in den letzten beiden Tagen bewusst wurde und ich davor nicht auf die Idee kam, das sich Frauen durch meine Blicke belästigt fühlen könnten. Ich möchte mich nicht als Opfer meiner Gedanken darstellen, aber ich bereue aufrichtig meine Geisteshaltung und möchte zum Ausdruck bringen, dass der Aufschrei zumindest bei mir etwas bewegt hat und mein Blick auf Frauen sich definitiv geändert hat. In den letzten zwei Tagen wurde mir nicht nur das bewusst, sondern es kamen auch viele andere Dinge hoch, wie ich mich anderen Menschen gegenüber benommen habe, meiner Schwester, meiner Mutter. Ich werde meinen Mitmenschen in Zukunft mehr Respekt und Würde entgegen bringen! Dies wollte ich nur gesagt haben.

    • Ich finde es ganz großartig, wie Sie sich hier offenbaren, und wenn #Aufschrei ein solches Umdenken ausgelöst hat, dann hat es sich erst recht gelohnt.
      Ich wünsche mir, dass das noch mehr Männern UND mehr Frauen gelingt. Umzudenken.

  28. Wie du bereits im letzten Artikel sagtest, hängt das ganze Thema einfach stark mit der Geschlechtsidentität und Stereotypen zusammen.

    Das Problem ist meines Erachtens nach auch die Erwartungshaltung an die Geschlechter ist. Das Video “LEAVE BRITNEY ALONE!” von Chris Crocker aus dem Jahre 2007 wäre sicher nicht so “erfolgreich” gewesen, wenn es nicht für einige Menschen (ich schließe absichtlich beide Geschlechter mit ein) undenkbar ist, dass ein Mann öffentlich diese im Klischee eher Frauen zugeschriebenen Gefühle zeigt. Die Denke ist heutzutage leider immer noch so: Männer sind harte Typen, müssen groß sein und Beschützer (die negativen Fälle sind dann ebenfalls harte Typen, aber eben Täter) und Frauen haben alltagssubmissive, “gutaussehende”, kochende Sexspielzeuge zu sein. Ich habe in der ganzen #Aufschrei-Debatte leider das Gefühl gehabt, dass der Dialog an sich viel zu kurz kam (ein Aufschrei ist im Regelfall sowieso monolog veranlagt). Ich würde mich in einer Gesellschaft wohler fühlen, in denen Frauen und Männer sich mehr so geben können, wie sie sein möchten. Auch wenn das bedeutet, dass Frauen ungeschminkt durch die Gegend rennen und Männer mal weinen dürfen, wenn ihnen danach ist. Menschen sind eben nicht verhaltenstechnisch binär “Mann” und “Frau”.

  29. Diese Beobachtungen sind ja – traurigerweise? – 1:1 übertragbar auf jede andere Form der Intoleranz oder weiterführend, Unterdrückung jeglicher Art, in welchem Umfang und Maße auch immer.

    Diese “ich kann nicht”-Aussage .. was spricht denn dagegen, stattdessen zu sagen: “Ich weiß nicht, wie?!? Helft mir doch!”

    Ist das nicht eher des Pudels Kern? Dass Menschen heutzutage gar nicht erwarten, Hilfe zu bekommen – von anderer, womöglich unbeteiligter, neutraler(er) Stelle?

    cu, w0lf.

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